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Heidelberger Journal (64): Heidelberger Journal — 1870

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Nr. 150-176 (1. Juli 1870 - 31. Juli 1870)
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https://doi.org/10.11588/diglit.25213#0615

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B. C. Sott ben ©ettteinbettHiljlett.

©em SSeobadter bev gegenwärtigen ©emeinbe*
Wahlen in ltnferm Saitbe faßt oor Aßem fote ©pat*
fade in’S Auge, wie fruäjtloö bie pie unb ba er*
pobene ©rmahnung geblieben ift, politifde 9^ft<f-
fiebten bei benfclben gang aus bem Spiele gu
laßen. 23iö in bie fleinßen ©emeinben l)iuab fragt
man nad ber politifcben Stiftung bev ©ürgermei*
fieramtscanbibaten, Unb wie fönnte cö aud anberö
fein? Ueberafl wirb bev 23nrgcvmefßer auö ben
Scannern bev ©emeinbe gewählt werben, weide
ftefe burcf) SSerßänbniß für ößentlicpe Angelegen*
feiten überhaupt auögeidnen. Aun ift aber baö
politifde iParteileben in unferm 8anbe gegenwärtig
fo ftarf entmicfelt, baß ein Sntereße an ben offent-
lieben Angelegenheiten faum benfbar iß, ohne baß
ber SSetreffcnbe gugleicf) irgenb einer ber oorpan*
benen fßartetridtungen fid) anfcplöße. SBenn bem
aber fo iß, fo fann man eö bcn ©emeinbebürgern,
welche gugleicp politifde ißarteimänner ftnb, bod
wahrhaftig nidt verargen, baß ihnen niept aßein
an ber Sefaljigung ihres Sanbibaten gur ©emeinbe*
Verwaltung, fonbern aud an feiner (Stellung gu
ben Aufgaben beS Staats etwas gelegen ift. ©enn
wenn man bebenft, baß bie ©emcinbeoerbältniffe
Vom größten ©ewidt ftnb für bte politffden ßBaplen,
baß bie ßRchrgapl ber Urwähler ihre (Stellung
gum Staate unmittelbar auö bem Aapmen ihrer
örtlidien ©inbrüefe |erauS nimmt, fo fann ßß)
Sftemanb barüber tauften, weiden ©influß unter
folcpen Umßänben ber oberfie ©emeinbebeamte auf
Anfdauung unb Haltung einer gangen Aefbe von
mit ben ßaatlicpen Singen weniger oertrauten
SBählcrtt haben muß. Unb weitet ift cö boch fei«
ncSwegS gleichgültig, ob efn ©emeinbebeamter bie
©efefcc beS (Staates mit Uebergcugmtg, mit ßufl
unb Stebe, ober ob er ße nur läßig unb wiberfire*
benb, oieUcidtt gar mit bem |)intergebanfen voß*
giept, i^re Sßtrfung möglidß gn oereiteln. fßon
btefem ©eßdtspunfte aus würbe 5. 33. ein 8ibe*
ratcr, ber bie ©efeße über bie bürgerliche ©tan*
beSbeamtung unb bie Serwaltung ber weltlichen
Stiftungen mit greuben begrüßt hat, ßd wohl
fchWerlid) bereit ßnben laßen, einen Ultramontanen
gum Sürgermeißer gu wählen. — greüfd) foß mit
Sorßehenbem bttrdauö nid)t behauptet werben, bie
grage nach ber politifden ßSarfcißeflung beS 8ür*
gcrmeißercanbibaten müße in erftcr ginie ßepen,
nod weniger, baß er ein prononcirter fßarteimann
fein müße. .£)auptfacpe iß unb bleibt natürlich
feine ^Befähigung für bie SSerwaltungögefdäfte, nur

I fo« unb muß man wißen, weßett manßd in politt*
fdett gragen überhaupt gu ihm gu oerfchen hat.

©icö sÄüe§ ergibt ßd) aus ber Sage ber 9Ber-
hältnißc in Saben fo gang oon felbß, baß man
mit Siderpeit annehmen fann: wo oon einer
fßartet bie 2Bal)l eines politijd burchauS farblofen
©anbibaten oerlangt wirb, ba ftnb bie ©rauben
fauer für biefe ißartei. Äein fOfenfd begweifelt,
baß bie Ultramontanen bei ben ©emeinbewahlen
als eminent politifde ßiartei auftveten; aber fte
wollen eS nur ba ßöort haben, wo ße ßegen.
Uebevall, wo ße gefdlagcn werben, natürlid f)eu*
len unb SüßehÜagcn über bitfeSiberaten, bie, unter
£intanfeßung ber pödßen wirthfdaftliden guter*
eßen ber ©emeinbe, baS neutrale Aatppauö gum
©entrum ber rücfftcbtölofeßcn fßarteihertfdaft ma*
den, bie fein OTttel »erfdmähen, ihre Scute „tmd*
gubrüefen." So erflärte ber „Sab. Seobadter"
bei bem giaöco feiner fßartei in SBalböput, auf bie
©efahr piit, »on feinem eignen ©orrefponbenten
auf’S entfdiebenße bementirt gu werben, baß auf
©eiten ber Dppoßtfon oßenbat ßarfe 3Sal)lcnt-
haltung ßattgefunben habe} anfcrcrfeitS aber fc^eute
er ßd) nidt, fogar ben ber Stabt in StuSßdß ge-
ßeüten Sefud beS ©roßherjogS als 2lgitationS-
mittel in ben |)änben ber ßiberalen ju bcgeidjnen.

gretlid), e f tt ntal haben bte Ultramontanen ihre
bis auf’S 2leußerßc angeßrengte Sarteithatigteit
aud 3lngeßdtS einer Siteberlage nicht ableugnen
fönnen: bei bet großen Slßaive in Äotißang. äber
weld’ unbefdveiblid poßirlide Sprünge haben ße
auch gemacht um biefeu ©dlag gu oerwinben!
Salb lärmcnCer Triumph über ben „moralifeben"
Sieg ber Dppoßtion, halb oerßeefte SButh über
bie troij aller SSerläfierung überlegen gebliebene
ÜRadt ber ©egnerj halb .f)ofiannah ber alten Son-
citsßabt, bte ftd wiebergefunben gur mehreren ©hre
beS Scheiterhaufens oon 1415, halb ßjfui über
bieS Sonßang, baS einen ©peommuniefvten gu feinem
evßeu Seamten wählt.

So bie Ultramontanen. Unb bie Semofraten,
bie fogenannten ®cmofraten? Sor wenigen SBoden
oevfünbete bte „Slannhetmer 2lbenbgeitung" mit
gang hefonberer ©mphafe, baß bie nädßen SBahlen
hewetfen würben, wie gtünblid) bie Sehauptung
oon bem 3ufantmengehn bev 3)emofrateit unb UU
tramontanen erlogen fei. Unb jefgt muß ßd ber
Sater biefer helb'enmuthigeu SBorte oon ber „greien
Stimme," bem „Seobadter", bem „ißfälger Soten"
unb wie bie fdwargeu ©efellen fonß nod he'^ctt>
baS ßeugntß auSßellen laßen, baß feine Partei in
Äonfiangßd abgearbeitet bis auf benleßtenSdweiß*

tropfen, um bem ©rforeneit ber Ultramontanen
gum (Siege gu verhelfen! SDer „SHannheimer 3ln*
geiget" freiltdf meint aud jeßt nod, baö 2lmmen-
mährden oon ber fdwarjrothen Srübevidaft bureß
fein Scrbtct über bie päpßlide Unfehlbarfeit ein
für allemal ad absurdum führen gu fönnen.
Slher bu lieber |)imtnel, wie ungleich politifdere
Äöpfe ßnb bod) btefe Ultramontanen, bie ba bem
fen: fdwaßt ihr nur immergu über fDinge, bie
unS gar 3f*t nod gar nidt berühren, Wenn ihr
nur fortf«lirt, unS in unmittelbar praftifden gra-
gen bie ffaifanien auS bem geuer gu polen.

Utib bamit baS Sötaß ooll werbe, muß auch bie
fromme „SBarte", baö Organ ber allcvunbebeutenbßen
ßSartct beS SanbeS, wie |)t- Stßtng ftd) ein wenig
ungavt über bie grctinbin auefcvüdt, baS alteSBort
bewähren, baß fdöne Seelen eittanbev immer
ßttben. 5Rit wahrhaft fpcculattoer SBeiSpeit he-
lehrt ße unS, warum bie „flevifalen SBaplen"
burdauS baS Uebergewidjt haben mäßen, ©inß«
weilen frcilid hflt no(h gute SBege;

immerhin aber mag bieS Slättd)en bev fatholifden
SolfSpartei als linbernber Salfant auf baS halb
üon |)oßnuttg nod) gtüpenbe ^)crg gelegt werben.

Sicuffcßrönb.

gtnrlßruljc, 28. 3“ni. ®{? ©egenfeitfgfeit iß

in ber cioiliftrten SBelt bod fdon auf giemlid
weite Sapnen gelangt} fo oeröffentlicht baS neue
©efeßeShlatt bie 3utftffun9 bon Angehörigen beS
ÄöttigreidS Italien gutn21 rtnenrccht hei ben
bab. ©eridten auf ©runb ber nadgewiefenen 3dat-
fade, baß aud Sabener oor italfenifden ©eridten
gum Armenred)t gugelaßen werben, gang unter ben
gleidett Sebtttgungen wte bie 3faltener felbß.

ßjforjheim, 29. 3uni. Scljufs beS SefudS
ber tu ßonbon im Saufe biefeS SontmerS ßattßn-
bettben intentationalcn ArbeitSauSßellung ßat
bie großp. Dfegicrung ben Setrag oon 1200 ß.
als fRetfeitntcrßüßung für bießeitige Arbeiter 'an*
gewtefen. 3)atntt foßen 10 SRitglieber ber babf-
fden AvbeiterbtlbungSoereine unb 2 SRitglieber
auberer Arbeiter», wie namentlld bet fatp. ©efeUen-
oereine, weide bie fragliche AuSßeüuttg hefuden
wollen, mit Unterftußung hebadt werben. Sei
bem im oorigen SRonate gehaltenen ScrhanbStage
ber bab. ArbetterBilbungSocreine würben u. A. bie
Arbeiter 3®. Stöffler, ©raoettr, unb A. SBittnm,
©olbarbeitcr oon pter, gttr Aeife auSerwäplt.

Sapr, 30. 3ü»t, AhenbS 9 Upr. SöUetfdüße
oerfüttben fo eben unter bem 3ubel ber ©inwopnev,

^ a 1 inul 0 r a.

Aad bem 3agebud eines ArgteS ergäplt oon «. Steig.

I.

(Einem an unb für ftd geringfügigen Umftanbe
muß id bie ©d»lb heimeßen, baß mein gncogttiio
als Argt in Spanien gebrodpen würbe. 5Da§ Scptd-
fal, welcpeS wtep au§ ber beutfepen §eimatp weg-
triefe, patte berntaßen betäubenbe Scpläge auf mein
§aupt faßen laßen, baß eine Art oon Apatpte —
»ielleicfet fogac mit etwas Aberglauben oermtfept —
ßd meiner hemädtigte unb id mir einfeilbete f baß
ber eingtge SBeg, ber mid gu einer mtnber trauri-
gen 3ufunft füpre, wie eS bie Sergangenpeit ge*
wefen, miep oor aßen Singen aus duropa bringen
müßte, baß pier ber Sdwerhebrütfte fein AeßuS*
gewanb um feinen ßgreis laßen müße, um jenfeit
ber Sßfeere als neuer Sßienfd ein neues Se6en gu
beginnen.

3Baprfdeinlid pahen gar Siele fdon einen äfjn*
liden ßntfdluß gefaßt; möge e§ tpnen feeffer als
mir gelungen fein, benfelhen gut Ausführung gu
bringen!

9Jtein fßlan war fotgenber: Sa idin granfreid
burd eifriges Stubtum unb tm Umgänge mitfpani*
tden glüdtlingen bie Sprade ßalberon’s unb be§
©etoanteS fertig erlernt patte, tooßte id mid im

$erbfte längs ber Sfüße oon ©uipugcoa, Afturien unb
©aligien nad einem ber großen §äfen Iepterer ißro*
oing begehen — entroeber Sigo ober gorrol — u.
eine Sdtßögelegenpeit auffuden, um nad einer ber
fpanifden üherfeeifden Seftßungen gu gelangen, gd
patte nod feinen ©ntfdluß gefaßt, nad melcper,
aber bie am toenigßen cioitifirte toäre mir in meiner
bamaligen ©emüth§ftimmung wopl bte liebfte gewefen
unb icp lu§ Aße§, was id nur oon Sefdreihungen
über bie ^Philippinen unb ßTcarianen auftreiben fonnte.
Sort — aber nur bort erft woßte id mid ßlS
Argt nieberlaßen unb poßte halb mit ben niept un-
bebeutenben Äenntnißen, weide id mir burd eine
breijäprige §ofpita!prajiS erworben patte, meinen
Unterhalt gu ßnben; gumal wenn baS ßd ols wapr
beßätigte, was mir einige Spanier oon ber grengett»
lofen Unwißenpeit ber Aergte in ben (Kolonien ergäplt
patten.

Anfangs Septembers oerließ id Saponne per
©d'ff uad SUboa unb oon pier aus rüfiete id
mid gu ber Steife nad &en roeft!iden §äfen. 3ßan
weiß, wie man oor gepn ober gmölf gapren unb
and nocP tu ben Siftriften ber §albinfel, wo
noep le'ne ®ifenbapnen ßnb, reiste. Sßan fdüeßt >
einen Äontraft mit einem Arriero, h. p. einem ‘
ßRauItpiertreiber ab, ber ßd oerpßidtet in fo unb
fo otel Sagen ben Aeifenben naep bem beßtmmten i
Orte gu tranSportiren, unb ift fo gegwungen, ßd 1

_ gang unb gar ben Seftimmungen, melde biefer für
bie Aeife trißt, gu fügen, wenn man niept eine ©j*
travednung begaplen roiß, bie ßd öfters pöper he*
läuft, als ber ißretS beS gangen Transportes.

Antonio Slanera, ber mir empfohlene Arriero,
woßte mid längs ber Äüße in oier Sagen oon
j Silbao nad Dotebo bringen, unb an einem peiteren
| unb noch redt warmen SAorgen »erließen mir bie
; politifde §auptßabt ber baSfifden ißrooingen mit
! brei Ataulipieren, wooon gwei meine Sagage tru-

! gen unb bas ©ritte mid felbß- Antonio trabte
| fingenb, plaubernb unb bie ßigarrette faß nie aus*
gepen laßenb neben feinen ©pieren etnper. ©er
erfte ©ag meiner Aetfe oerging giemlid langweilig
unb als mir in einem großen ©orfe ober fleinett
Stäbtden San SSicente genannt, Aadtrupe madten,
war id pergltd frop, mid auSrupen gu fönnen, ber*
maßen patte mid ber gepnßünbige Attt auf ber
undauffirten Sanbftraße ermübet. Am anbern Ator*
gen war ber §tmmel feprgrau u. Antonio fdüttelte
bebenflid ben Sopf, als wir aufbraden.

„Sd möchte nidt einen Ataraoebt gegen einen
©uro wetten, baß wir troefen nad Slune§ lommen,*
fagte er. „253 nn (Sto. ©naben erlauben, fpringe icp
pinter gpnen auf baS ©pier unb wir wollen fepen,
bem Aegen fo oiel 2?ovfprung als mögltd abguge*

tmnnen.

2Sie er gefagt, tpat er aud; mitopreitgerreißen*
 
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