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Heidelberger Journal (64): Heidelberger Journal — 1870

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Nr. 126-149 (1. Juni 1870 - 30. Juni 1870)
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https://doi.org/10.11588/diglit.25213#0603

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2>e«tf*laHb

$?arf§ruH 28. 3uni. Oie päpfltidje Unfebt*
barleit fofl bcninäd)ft als ©laubenSlebrc »erlunbigt
werben j baß neue Oogma würbe bann unter bem
©d)uj}c unfercS bab. ©trafgefcfeS fielen (§. 583).
SRif ©efängnif ober SlrbeitSbauS bis gu einem
Sabr bann bann Oerjenige -hefiraft werben, weiter
bie neue 8chve läjiert ober fonfi feinen geringen
©rab non 33cwuitberung für biefelbe berb auSfpridjt.
Slehnlihe 93efiimmungen ftnben fid) in beit meifien
®trafgefctjbüd)ern. ©ie werben aller SBabrfhetn*
liefert nach nirgenbS aufrecht erhalten werben fön*
tten, wenn 9totn einmal ben wunberfamcn ©d)ritt
über bie@renje menfd)lici)er grijlbarfeit hinaus ge*
wagt hat. SRan fann nicht [trafen, wo bie fttt*
liehe Uebergeugung ber gangen gebilbeten Sßelt il)r
SSeto cinlegt.

— Unter bem 55orftfc bees Hw. Dberbürgcr*
meijlerS SRalfd) l)at geflern Slbenb wteber eine
SSürgerocrfammlunfl im großen ©aale beS
Slathhaufee flattgefunben, um einen Kanbibaten für
bie erjtc SSürgermeijlerfielle aufsüfiellen. H'r. @e*
meinberath Sang empfahl nach ber Ablehnung
beS [RedjtSanWaltS Hrn. Edfarb neuerbingS ben
$rn. Saut er, welcher jurüefgetreten war, um Ecf
harb’S einftimmige 3Bahl gu forbern 5 btcfci SRann
fei aud) befotiberSjjeeignet, bie gunähft licgenbe
Slufgabe ber Scrgröferung ber Karlsruher ©ernar*
fung gu löfeti. |)r. Dberbürgermeifter 2RaIfd),
welker feit einer langen [Reife »ou Sabren H>rn.
ßauterS Ohättgfeü für bie Stabt Karlsruhe fennl,
beutete nur barauf hin, bajj, wenn auch einige
Ißlanc beffelben ohne fRefultat geblieben, er (9beb-
ner) bod) bie lebhafte Uebergeugung in ftch trage,
feap ber 3Sovgefc()Iagene in jeber ^linftdit geeigen*
fdwftet fei gur ©teile beö erften ÜBorfteberS ber
[Reftbeng. SSieleö fei nod) gu fdiaffen, 33tcles aber
aud) fchon angebahnt-, gu leftcrem gehöre auch bie
Erweiterung ber Karlsruher ©ematfung, unb er
hoffe, baf barüber eine ÜBerfiänbigung mit bem Staat
halb crgielt fein werbe. Hr. 33anfter HaaS be-
antragt fofortige SCbflitnmung, jumal ba ber Kan*
bibat fogletcb erflärt habe, baf er eS fid) gut Elfre
anrechne, ber 33orflanb ber ^feftgeu ©emeinbe gu
fein. |)r. [Rentier SSierorbt fragt, ob £>r. Sau»
ter bie Sinnahmt ber Sßahl neuerbingS gugefagt
habe, waS »on ben ££, 3Ralfd) unb Sang bejaht
wirb. ©S erfolgt bie SlbfHmmungj bie gange ®er-
fammlung, welche fehr galjlrefd) war, fiimmte für
gauter, etwa 5—6 gegen benfelben. Oer 93or*

fifenbe fd)!o& bie Scrfammlung mit 3)lahuung gur
ffiahltheilnahme. (53. El).)

SRiiuhEn, 27 guni. Oie Korrefponbeng ^>off-
mann melbet, baf burch allerhöchfle Entfhliefnng
ber Sanbtag bis gum 28. gult einfhUeflih »er*
längert worben ift. — 53on ber ©timmung, welche
bfe Kolb’fchen SlmputationSoerfuche am Slrtnee*
förper unter ben Df freieren ergeugt faben,
legt eine Korrefponbeng feer Slflgemeinen $Rüttär*
geitung 3euP*f ab. Oarin lefen wir: OaS »on
bem Slbgeorbneten Kolb »erfafte unb von bem
ginangauSfdjuf im 3Sefentlid)en acccptirte [Referat
über baS SRllitarbubget hat in ber Slrmee begreif*
liehet Sffieife bie höhfe Slufregung feroorgfrufen.
geber Offerier, welker ftch auch nur entfernt mit
Kriegsgerichte «nb KriegSmiffcnfd)aft befd)äfiigt,
an welchem bfe weltcrfchütternben Erefgniffe ber
©egenwart nicht gang fpurtoS borübergehen, fragt
mit [Recht: wie ifi eS möglich, ba^ ein 8ate, wel-
ehern fcbeS tiefere ©tubium beS Krieges, febe Kennt*
niü ber Sebingutigett ber ©chlagfertigfeit eines
|)eereS unferer ßeit, jeber Etnblid in bie langfame,
mül)e* unb arbeitStwlfe £h«ttgfeit gur Ergielung
biefer @d)lagfertigfeit mangelt, welcher fih für
jebeS 53illigfeitSgefühl gegen eine Slrmee »erfchliefjt,
bie fth bisher mit @hre behauptet h«t unb ge*
wohnt tfl, nicht allein im. Kriege, fonöeru aud) im
grieben fietS Opfer gu bringen, — wie ift eS
möglich, baff ein folc^er 8aie lebiglid) aus menten*
tauen (irfparungSrücffthten eine Umwälgung in
biefem £ecre beantragen fantt, weldje einer Sluflö*
jung gietd) fürne unb unfer 33aterlaub bei einer
europaifhen Konpiagration wehrlos bem Sieger in
bie |)änbe liefern rnüfjte?

SJiümhen, 27. Sunt. 3)te „Sortefponbeng
|)offmann" melbet, ba| burd) löniglidw ©ntfhlte*
hung ber Sanbtag bis gu 28. 3«U einfd)lie[Uct
»crlangert worben ift. — |)ergog 8ubwig in SSahern
Ia[t burch ben IReditSanwalt ». ©h«u§ öffentlid)
erfiären, baff äße Sßechfel mit feinem Slamen ober
bem Slamen feiner il)ui morganatifh angetrauten
©emahlin, ber greptit 0. SBaflerfee, galftfifatc
feien, oor bereu Slnfauf er warne. — SBie ber
„IBapr. Kurier" melbet, ift ber bisherige Honorar*
[jSrofeffor 35r. griebrich (ber fth oor Kurgem
auS Slnlaü beS EoncilS beim Earbinal Hohenlohe
im [Rom befanb unb fogar oon ber SluSweifung
aus ber ewigen ©tabt bebroht war) gum orbent*
lihm Ißrofejfor an ber theologifhen gafultat ber
£)ochfhulr SRünhen ernannt worben.

Krcujnad), 28. guni. 2)ie hruügr ®eneral-
Oerfammlung ber [RhetmSlahebahn genehmigte aße

auf ber SiageSorbnung genanbenen Slntrage. ®er
93erwaltungSrath tbeilte mit, ba§ bie wegen*[Re*
feroefonbS unb rütf jiänfcigen Sauginfen angetretenen
Klägerin erjier gnftang abgewiefen werben.

Berlin, 26. guni. SBie bie „SRagbcburgifhe
geitung" melbet, ift laut einem »out SRinifier 2)el*
brüh an ben Slelteften ber. SRagbebntger Kauf*
mannfhaft gugegangenen Telegramm bie Ueberein*
funft mit Oefterreid) wegen Slufliebung beS Elb*
gollS »om 1. guli am 22._ b. untergethnet worben.
— Oie fürgltd) erwähnte neue 5ßangerfregattc wirb,
wie bie „Kreuggtg." mittheitt, ber SRafhtnenbau*
Slnfialt „SnIran" in Stettin gum 33.au übertragen.
Oie iPangerplatten werben »orauSfihtlich »on einer
inlänbifhen $ütte angefertigt unb bie Buugerung
erjl in Kiel »oßftäiibig auSgeführt werben. Oie§
ber erfte SSerfud) 33angerfhiffe im gnlanbc gu
bauen unb bamit eine Emancipirung »0111 SluSlanb
angubahnen. — Stm 15. b. SR. hatte £)r. »on
[Raumer bereits bem SRagiftrat mtb ben ©tabtoer*
orbneten ein ©efhenf »on 2000. Ohlrn. gnr ©rün*
bung einer gwölften SSolfSbibliothef, unb gwar in
SRcabit, gur Verfügung gefieflt, weihe hohhfvgiße
@abe bie ©tabtbehörben banfenb angenommen
haben.

SBerlin, 27. guni. SluS Slnlaß ber beoorfteh*
enben SBableit gum SlbgeorbnetenljauS unb [ReihS*
tag »eröffentliht hcute bie beutfhe gortfhrtttS*
Partei ihr SBahlprogramm nebß einer Sin*
fpradje a« bie SBahier. ErflereS wirb bahin pra*
giftri:

1) .f^fießung ber beutfhen Einheit auf frteb*
lihem SCBege; Erweiterung beS fflorbbunbeS gum
beutfhen iöunbeSftaate, fcefilklb SlnSbilbung ber
[öunbeSoerfaffung in freiheitlidjcp Entwfcflung, be*
fonberS burd) Einführung feer ®runbred)te u. eines
»erantroortlihen 33unbeSmtnifterimS in biefelbe, wie
feurh ©ewahrung ber Oiäten an bie Slbgeorb*
neten.

2) ®erminberung ber SRÜitärlafi burd) SSerritt*
gcrung ber griebenSarmee unb Serfurgung ber
Oienftgeft. Unterftü^ung aller auf allgemeine
Slbrüfiung in Europa gerichteten SSejirebiingen.

3) Keine ©teuererhöhung, »ielmehr SSerminbe*
rutig ber beflehenbett ©teuern, gunäd)ft burh 33e-
feitigung ber, bie ärmeren Klaffen btücfenben 33er*
brauhSüeuevn auf nothwenbige ßebenSbebürfniffe.

4) ©leih^S [Reht für Slße!-Slflgemei*

neS gleiheS SBahlreht, wie im 33unbe, fo aud> in
ben Eingelfiaaten. — ©leihe SRöglihfeit gur h«ä
manen unb bürgcrllhen SluSbtiönng burh bie grei*
heit beS Unterricht unb Uebernahme ber Koften

MntiT ilßtu An-^cMckr.

3?on Karl ©rücl,

(gortfefeung.)

»Sh »ifl’S meinem greunbe fagen, egerrgufpri*
tor," fagte Sßalter aufftehenb unb bie §anb aus*
ftredenb. „Sitte, führ?» Sie mich hinein. Sh bin'
blinb geworben, wie Sie feljen!"

„D, @ie finb fehr gütig!" erwieberte ber fold^er
SBehanblung lange nicht mehr gewohnte Settier.

„Sliht boh," fagte SBalter lähelnb. „Sh bin
Shucn jo noch grofen San! fhulbig." Unb er
bahte an gofepl), ben feine graufatnen Srüber gum
§errn in Slegtjptenlanb gemäht.

„Kennen ©ie mih benn?" fragte gener auf
bem SSege gum §aufe unb eine böfe Slhnung fam
über ihn. @r war fth nid)t bewußt, jemals einen
SRenfden gu Oanf oerpflihtet gu haben.

«Sh benfe boh," weinte [Kalter. „Slidit wahr
Sie finb §err Klofi ?" [ßlöhlih Blieb er flehen unb
fagte: „3lh idf »ergafU Sitte, holen @ie mir meine
glÖte, fie liegt bort," unb in ber [Rihtung trrenb,
geigte er auf ben ipferbeteidj.

„@oß mih ber Teufel!!" fhrte ber grembe,
SBaltris §anb loSlaffenb unb ihn anftarrenb wie
SRalbeih ben ©eift ^anlo’s „baS ift boh nihtgar
ber oerfluchte ©änfejunge! ?"

„SBarum niht?" entgegnete biefer, über benferi
| nen Ehrentitel lähelnb. „SSBarum foß ber entlau*

Sfene ©änfejunge niht toteberfommen, ba boh gräu*
lein gulic nun Herrin 00m .ßaufe ift?"

„Slße Söetter!" murmelte ber Sittfteßer ,,ba
bin ih fhön angelommeit!" unb USalter hörte ihn
mit rafdjen ©hritten fth entfernen unb bie ©änfe
ihm, wie batnals ihrem treutofen §ivten gifhenb
unb faffenb ihr Sebemoljl auf ben 2Beg geben.

Sluh in §einborf erneuerte [Kalter alte 33e*
fanntfhaften.

Sn bemfelben ©tubierftübhen, wo er cinft gu
ben güfjen beS gürnenben ©eelforgerS gelegen, war
er je|t oft ein geehrter ©aft, um mit bem murbi*
gen §errn bie Unterftüfjungen gu berathen, weihe
er ben Stilen unb Ourftigen beSOorfeS burh feine
■fjanb gnfommen lief.

Oft befuhte er auh bie Oorffirhe, unb fo fletn
unb annfelig t^re Orgel auh war, wenn ber blinbe
§err [Kalter baoor faf, bann Hang fie fo erbaulidj
baf felbft ber alte Kirhen*33orfteher niht efjer ein*
fhlief als bis bie [ßrebigt anfing.

Oft faf er auh auf bem alten Steine neben
bem ©rabe feiner SRutter unb Sllt unb gnng t>er-
fammelte fih um ihn. gebet fhäfte eS fth gur
Ehre, ihn früher gelaunt unb feine [Berühmtheit
oorauSgefehen gu haben. [Kalter nahm aße btefe
! Keinen Heucheleien freunblih als baare SRünge an. 5

Hatte er boh btefcs ,,[|3harifäerthum" in ber »ov*
nehmen, wie in ber Künftlerwelt gang ebenfo ge*
funben.

SBie würbe SReifter Valentin mit feinem oor*
nehmen 33etter geprahlt haben, wenn er niht
fdjon über galjr unb %aa, auf ,bem Kirhhafe gele*
gen!

ES waren überhaupt oiet neue ©räber bort,
feit man SBalterS ÜJJutter begraben hatte. Sluh ber
Herr Kantor ruhte neben feiner „gotteSfurdjtigen"
HauSehre. Oie Ohuvmuhr mufte ohne feine nah»
helfenbe Ha«b, ber Kirdjengefang ol)ne i^r fhmet*
ternbeS Oremolo gehen. Slber SRariehenS 93ater,
ber reihe SRüßer Sdjarp, lebte nod), unb in ihm
ber alte ©roß gegen ben nichtsnutzigen SBeberjun*
gen. ©onft hatte er immer nur befürchtet, fih aß*
gubalb oon feinem fdjöncn Oöd)terlein trennen unb
ihr mütterliches Erbe h«auSgeben gu müjfen; je§t
ärgerte er fih, baf fte noch niht unter ber Haube
war. Unb barmt war, baS muffte er ja, ber loden*
föpfige SRufifuS ©hulb. Ohne ihn wäre fte längft
Otto HartlihS grau. Sluh hafte er je^t baS gange
oertratte oornehme SBefen, welheS er fonft aus oä*
tcrliher Eitelfeit unb ©djmahhett feinem h°hfah'
renben Kinbe geftattet. gür einen richtigen 3MI*
ler war fte nun oiel gu fein, unb bie feinen fi«s
ren in ber Umgegenb, wie g. 33. ber Dber*Sontrol*
leur, ber [Remmetfier unb ber KretSfecretär, ja," bie

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