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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911

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Nr. 9 (April 1910)
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Döblin, Alfred: Gespräche mit Kalypso, [5]: Ueber die Musik
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Friedlaender, Salomo: Fondants: aus der spirituellen Konfiserie
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Lasker-Schüler, Else: Gedichte
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Die Schreihälse
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https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0073

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Max Liebermann:

Kunst is Handwerk! Det Malen is ne janz eenlache Sache. Machen Se n Strich und de Düne is fe ig!

Qedichte

Von Else Lasker-Schüler
lch träume so leise von dir

Immer kommen am Morgen sclnnerzliche Farben,
Die sind, wie deine Seele.

O, ich muß an dich denken

Und überall blühen so traurige Augen.

Und ich habe dir doch von großen Sternen erzählt,
Aber du hast zur Erde gesehn.

Nächte wachsen aus meinem Kopf,

Ich weiß nicht wo ich hin soll.

Ich träume so leise von dir,

Weiß hängt die Seide schon über meineu Augen.

Warum hast du nicht um miclr
Die Erde gelassetr — sage?

Die Liebe

Verstecke mich in deinem Süßblut
Nähe mich in den Saum deiner Haut eiu.

Iinmer tragen wir Herz vom Herzen uns zu.
Pochende Naht

Hält unsere Schwellen vereint.

Wo mag der Tod mein Herz lassen?

In einem Brunnen, der fremd rauscht —

In eincnr Garten, der steinern steht.—

Er wird es in einen reißenden Fluß werfen.

Mir bangt vor der Nacht
Daran kein Stern hängt.

Denn unzählige Sterne meines Herzens
Vergolden deinen Blutspiegel.

Liebe ist aus unserer Liebe vielfältig erblüht.

Wo mag der Tod nrein Herz lassen?

Streiter

Und deine hellen Augen heben sich im Zorn,
Schwarz, wie die lange Nacht, uud morgenlose,
Des Eitlen Stimme briillt in toter Pose,

Wie durch ein enggebogenes Horn.

Und im übermütigen Tausendlachen

Der Einen und der Zweiten und der Vielen

Zerbersten Wort an Worten sich aus Wetter-

schwiela*

Wie reife Härten auf den lauten Schwachen.

Und Abendwinde, die von her und dort sich trafen
Und schrill in Kreiseleile sich beschielen,

Aufpfiffen fröstelnd iiber die gebohnten Dielen —
Ich konnte nachts vor Träumerei nicht schlafen.

'henschlich von der Welt, statt weltlich vom
|uenschen denken; und mit solcher Aeußerung sagte
' ch entweder nichts oder zuviel. Nichts gebe ich
jhit „Lebensbedingung“ „Willen zum Leben,“ weil
^ille eine Vorwegnahme und bloße Verdoppelung
^ es wirklich Geschehenden ist, zu viel mit „Wille
Sparsamkeit“ oder „größten Aneignung“ und
’>'oacht.“ Tief, aber anscheinend sehr schwer, leh^t
^ er einfache Satz und seine Bescheidenheit, die kein
^erzicht ist: „der Mensch fällt nicht aus der Welt
heraus; die Welt ist; — sie ist so und nichts
^iders.“ Der Schöpfer der Musik erkennt zwar in
Dargebotenen die Höhe des Einzeltons an, doch
Ijrteflt er ferner, ob Töne überefnstimmen, sich
'jhneln, fremd klingen. Er findet das Wunderbare,
? as mich jetzt nicht quält, daß die Töne, welche nach
Jehen einfachen Zahlenverhältnissen sich beziehen,
hahe, verschieden nah bis zur Uebereinstimmung
Kl,ngen.

Schluss des lünften Oespräches In Nummer 10

Pondants

ans der spirituellen Konfiserie

^°n Mynona

Der alte Mathematiker sagte lächelnd und zer-
n reut: „Gewißlich ist auch der ganze astro-
°mische Himmel in der Erde entbalten, deren

Oberfläche ihn — konvex — umschließt. Wir haben
eine Perspektive von unergründlicher Ironie. Die
Unendlichkeit ist ein göttlicher Witz. Na ja ja.“

Ein junger Mathematiker brüllte aus Leibes-
kräften: „Ich bin ein Preuße! kennt ihr meine
Farben?“ — War das nicht eine stark politiscbe
Replik?

•«. *

Zehn Leute, fünf Männer und fünf Damen, ent-
schlossen sich zu eiher gemeinsamen Reise. AIs es
zur Ausführung kam, stießen sich die Damen an
der Bezeichnung: „Schlafwagen“. In welche
wünderlichen Ecken retiriert doch zuweilen der
Rest des Schamgefühls!

*

Ein schönes Mädchen bog seinen Arm und
zeigte seinen Verehrern den Bizeps. „Meine
Gnädigste,“ rief ein Schmeichler, „wie glücklich
der, der diesen Ellbogen einst zu seinem Triumph-
bogen macht!“ „Wenn ich Ihnen,“ sagte die
Schöne, „Plastik vorzeige, so verbitte ich mir, daß
Sie Architektur daraus machen.“

Als ein gewisser Mauthner die menschliche
Sprache in Grund und Boden hineinkritisiert hatte,
verteuerte sich dieser Grund und Boden be-

trächtlich. Was soll das bedeuten?

*

Der weiseste Mann der Erde schwieg sechs-
undzwanzig Jahre. Sein erstes Wort nach dieser
Frist war: silentium!

Und meine Seele liegt wie eine bleiche Weite
Und hört das Leben mahlen in der Miihle,

Es löst sich auf in schwere Kühle,

Und ballt sich wieder heiß zum Streite.

Die Schreihälse

Wle wenigen bekannt sein dürfte, hat in einem
öffentiich aufliegenden Bühnenblättchen irgend
jemand den Literarhistoriker Lublinski in schmie-
riger Weise angepöbelt, mit antisemitischen Witz-
losigkeiten und geradezu peinlichen Hinweisen auf
seine körperliche Gebrechen. Ein anderer, ich
glaube aus Lublinskis Weimarer Umgebung, b*-
klagte darauf den Mangel an journalistischen Ehren-
gerichten, mehrere stimmten in die Klage ein. und
es kam zu einer öffentlichen Verurteilung des
journalistischen Rüpels seitens angesehener Schrift-
steller. Zwei Tagesblätter, die erfreulicherweise nur
am Montag erscheinen, moquieren sich jetzt in
charakteristischer Weise über die Angelegenheit.
Ich will Lublinski nicht beleidigen, wenn ich seinen
Namen in so kläglicher Gesellschaft ausspreche; es
ist mir begreiflich, daß der Verfasser mehrerer
literarischer Werke, welche um ihrer Originalität,
Schärfe und Eindringlichkeit willen sogar in fach-
philologischen Kreisen Ansehen genießen, nichts
gemeinsam hat mit professionellen Schwätzern; doch
erfordert die Deutlichkeit, ihre Namen zu nennen:

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