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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911

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Nr. 29 (September 1910)
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Minimax: Vom Tage
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Fixlein, Quintus: Die Roda Roda A. G.
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Beachtenswerte Bücher und Tonwerke / Spielplan der Berliner Theater
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https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0238

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Vom Tage

Religionen unter sich
oder Absehied vom Leben

Wiir haben äl'le eins auf die Nase bekommen;
ich habe in zwiefacher Weise mein Fett weg. Ein-
mai bedeutet man mir via Marienburg' ebenso
dringend wie kategorisch, daß ich auf das Pr.ädikat
eines guten Deutschen kein Recht habe, da ich
nämlich kein guter Christ sei; das andereMal wurde
mir mit einem bemerkenswerten Ruck 'der Boden
völlig unter den Füßen weggezogen, indem nämlich
ein bayrischer Fferr von kurzer Fland die katholische
RelÜgion für die einzig wahre erklärte. Grade sie,
die ich nicht habe. Ich stehe nicht an, urbi et orbi
zu erkllären, daß ich total auf dem Pfropfen sitze;
mir ist die irdische und überirdische Heimatsberech-
tigung entzogen worden. Ich werde Luftschiffer.
Vor meinem Abschied von der Erde wifl ich jetzt
noCh allen meinen Freunden und Bekannten ein
herzfichesi Lebewohl zurufen. Es wär zu schön
gewesen, es hat nicht soflen sein. Weint nicht.
Ich fahre nach Frankfurt a. M., ich werde den Zaren
sehen, meinen Antipoden, der privatim für sich
eine ganze Refigion und eine halbe Welt hat; seine
Geheimpofizisten [werden sich nach mir Öen Hals
kifometerweit auSrecken und so werde ich sie alle
umbringen. Den Zaren nehme ich mit, denn er
tut mir feid. Wenn er erst mit mir in der (Luft
ffiegt, kann er nicht mehr in die Luft fliegen. Ich
wifl auch rasch mal nach England, den Spion Helm
befreien; er war zu dumm für diese Rofle und jst
höchstens noch afs Almosenempfänger, Aufsichts-
ratmitglied oder Zentrumsabgeordneter zu verwen-
den. Damit lässe ich die Erde fahren und sehe
kosmischen Ereignissen entgegen. Wenn es knaflt,
weint raSCh einen Tropfen; dann habe ich die Pfatze
bekommen, und febe, ein Märtyrer, fortan in der
GesChichte afs Heiliger.

Die Königin Luise

Man mache jetzt eins 1 der „nationafen“ oder
„völkischen“ Blätter auf und zeige mir diejenigen,
welChe zwischen heftigen Aeußerungen der Gesin-
nungstüchtigkeit, Konkurrenzenpöbefei und Panzer
pfattensucht nicht eine blaugetünchte Elegie auf
die Königin Luise findem. ICh bin überzeugt, die
tote Frau ist ebenso unsdhufdig an dieser fabrik-
mäßig betriebenen Verhimmefung, wie der stehr vor-
nehme afte Kaiser Wilhelm an der b'engalisdhein
Befeuchtung: „der Große“; Lärm, Reklame und
dekorative Schausteflung war in früheren Zeiten
nicht sö übfich. Frühere Königsfamilien begnügten
siCh damit, zu regieren, Kriege zu führen und den
GeschichtsunterriCht durch einige Zahfen zu ver-
längern; jetzt werden auch die Mädchenschulideale
von oben gestellt. Es grassiert weiter die unsterb-
fiche und unausfottbäre deutsche Tugend und foröert
ihre Opfer; jn diesCr Zeit großen internationalen
Verkehrs spreizt sidh die Kfeinstadt, plustert SiCh
auf und schmeicheft sich, Krone der Schöpfung

zu sein. Man sChimpfe doCh' nicht über eine Ent-
fremdung zwisChen Krone und Volk; iCh kann bci
krampfhafter Bemühung keine slehen; das Volk hat
bei uns' sich pr.ächtig auch nach oben durchgesetzt;
das Volk in einem sChlimmen Sinne, der pensions-
berechtigte Oberfehrer mit den Idealen, die uns
oben, und den Hämorrhoiden, die ihm unten heraus'-
hängen. Warum nahm doch die Oeffentlichkeit,
respektive der Herr OberlChrer, Anstoß an der
Instrumentenrede des Kaisers? Ihr wißt ÖoCh', daß
der Gott, Von dem da gesprochen wurde, niCht
der Vater bedeutender, verbfüffender Inspirationen,
sondern der Träger der sogenannten sittfichen Welt-
ordnung ist, aber jener sittfichen Weltordnung,
welchelhr immer preist, wennsEuch gut geht,welche
unerforschfich zu nennen Ihr Euch gedrängt fühlt,
wenns Vorbei gerät. Lieb Vaterfand, kannst ruhig
sein; wir schläfen alle unter einem Himmel. Man
tut dem Kaiser unreCht. — Aber auch Herr von
Maftzahn, der den Kaiser gegen die Presse sChützt,
tat unreCht, afs! er die Kritiker unreife Jungen nannte.
Auch Alter sChützt bekanntlich vor Jugend nicht;
und die bezielten Kritiker haben zwar noch nicht
das' ehrwürdige After der Prostatahypertrophie er-
reicht, aber an Modernität und Gedankenkraft sind
siie Herrn M. gewachsen: eisgrau und wackelbeinig
läufen sie, tapern sie alle hinter einem Schimmel
her, hinter versChimmeften Idealen; der nennt das
Tier Parlämentarisimus, der Byzantinismus, und in
jedem Fal'l jst es ein sehr gewöhnliches Tier, das
nur angenehm auffäflt, wenn esi nach hinten aus-
sChfägt. Umarmt Euch, Brüder, der Herr Ober-
lehrer wiird Euch segnen. — Um nämlich auf ihn
zurückzukommen, so leben also die Könige nicht
mehr nach jhrem Geschmäck, und die Fürstinnen
nicht mehr, wie adefige Diamen zu tun pflegen.
Der selbstsichere, befähigte, autochthone Herr und
Regent, der Typ desl großen Fritz, ist erlbschen und
erledigt. Der dumpfmuffige Bürger hat ihn be-
s :eitigt. Man gib't jetzt Gott, was des Kaisersi ist,
und den Fürstinnen, was des Volkes ist.

Und febt Sb wahrhaft, wie begreifliCh, unter
dem Zeichen: Suurn cuique.

M i n i m a x

Die Roda Roda A. G.

Die Gründung der Roda Roda A.-G. ist zur
Tatsäche geworden. Am vergangenen Donnerstag
fand unter dem Vorslitz des Geheimen Anekdoten-
rats' Roda Roda ilm Cafe Monopof in der Friedrich-
straße eine konstituierende Versammlüng statt, in
welCher besChlossen wurde, das Riesenunternehmen
in eine AktiengeseffsChaft umzuwandeln. Die bis-
herigen Inhaber Roda Roda und M. Roda Roda
treten in den Verwaftungsrat ein. Herr Geheimrat
R. Selbst übernimmt gleichzeitig als Generaldirektor
die oberste Leitung des Unternehmens. Das Stamm-
kapitaf beträgt 20 000 Anekdoten. Sitz der GeStell-
stehaft ist im Winter Berfin, im Sommer — mit

Rücksicht auf das Hofbräu — München. Die Or-
ganisätion des Unternehmens — es ist über ganz
Deutschfand sowie über die witzreichen anderen
Länder Europasi urid Asiens verbreitet — fegt
Zeugnis ab vom Ffeiß, von der Energie, mit einem
Wort: vom Genie des Gründers der Firma. Man
denke: ein Netz von 30 000 Filialen ist über Europa
urid einige Teilte Asiens ausgespannt; von
Inowrazfaw und Tarnopol übter Langenschwalbach,
Seifhennersdorf, bis tief hinein in die Türkei gibt
eS kaum einen Ort mit mehr afs fünfhundert Ein-
wohnern, an dem nicht, wie ein Vorposten jler
Kuftur, ein Agent der Roda Roda A.-G. stein Firmen-
Schifd herausgehängt hätte! Tag und NaCht sind
die unermüdfichen Filialleiter auf der Jagd nach
Anekdoten, DiafektsCherzen und Schnurren aus dem
Vofksmund, und wenn der Sonnabend, der Liefe-
rungstag, an dem auch der Wochenbericht ausge-
fertigt werden muß, herannaht, dann liegen auf
aflen 30 000 Filialen stattliche Anekdotensendungen
zur Weiterbeförderung an die zuständige Generaf-
agentur (deren esl in jedem Landkreis oder größeren
Ortsbezirk eine gibt) versandfähig bereit. Auf den
Generafagenturen und Subdirektionen werden die
eingehenden Rohmaterialstendungen gesichtet, äb-
geschliiffen und anderweitig verarbeitet und gehen
dann an die Zentralstellen in Berlin und München
weiter. Von hier auä erfofgt nach nochmaliger ein-
gehender Sichtung die Versendung der fertigen
Anekdoten und Schnurren an die Redaktionen ganz
DeutsChfarids 1,

Q u i n t u si F i x f e i n

Beachtenswerte Bücher und Tonwerke

AusfUhrliche Besprechung vorbehalten
RUcksendung findet in keinem Fall statt

HERMANN ESSIO
Die Olückskuh / Lustspiel
Verlag Paul Cassirer Berlin

KNUT HAMSUN
Hunger / Roman
Mysterien / Roman
Pan / Roman

Die Königin von Saba / Noveilen
Kämpfende Kräfte / Novellen
Benoni / Roman
Spiel des Lebens / Schauspiel
Verlag Albert Langen München

GUSTAV MAHLER
Achte Symphonie
Universaledition Wien

Verantwortlich für die Schriftleitung:
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE

Wochen- Spielplan dcr Berlincr Theatcr

September

Dienstag

13.

Mittwoch

14.

Donnerstag

15.

Freitag

16.

Sonnabend

17.

Sonntag

18.

Montag

19.

Theater mit gleichbleibendem
Spielplan:

Deutsches Theater

Schumannstrasse 13 a

Amphitryon

Judith

Faust

Amphitryon

Jndith

Der Wider-

spenstigen

Zähmung

Amphitryon

Berliner Tlieater

Charlottenstr. 93

Gastspiel Hansi Niese:

Das Musikantenmädel

Kammerspiele

Schumannstrasse 14

Der Arzt am
Scheidewege

Gawan

Der gnte König
Dagobert

Die Letzten

Gawan

Der gute König
Dagobert

Simson
und Delila

Neues Theater

Scbiffbauerdamm 4a|5

Die goldene Ritterszeit

Lessingtheater

Friedrich Karlufer 1

Einsame

Menschen

Das Konzert

Einsame

Menschen

Tantris der Narr

Gespenster

Einsame

Menschen

Das Konzert

Kleines Theater

Unter den Linden 44

Die verflixten Frauen-
zimmer / Erster Klasse

Komische Oper

Friedrichstr. 104|104a

Der Arzt wider
Willen

Der Arzt wider
Willen

Der Arzt wider
Willen

Tosca

Der Arzt wider
Willen

Der Arzt wider
Willen.

Tiefland

Residenztheater

Blumenstr. 9a

Noblesse oblige

Nenes königliches
Operntheater

Königsplatz 7

Carmen

Tristan
nnd Isolde

Don Juan

Samson
und Dalila

Cavalleria Bnsti-
cana. DerBarbier
von Sevilla

Pigaros

Hochzeit

Salome

Trianontheater

Pr. Friedr. Karlstr. 7

Pfade der Tngend

Neues

Scliauspielhaus

Nollendorfstrasse 11112

Wann kommst
Du wieder?

Ihr letzter Brief.

Wann kommst
Dn wieder?

Wann kommst
Du wieder?

Wann kommst
Du wieder?

Wann kommst
Du wieder?

Unbestimmt

Nenes

Operettentlieater

Schiffbauerdamm 25|

Der Graf von Lnxemburg

Modernes Tlieater

König/g/rätzerstr. 57|58

Der Wert
des Xebens

Die Wespe

Der Wert
des Lebens

Die Wespe

Der Wert
des Lebens

Der Wert
des Lebens

Unbestimmt

Theater des
Westens

Kantstrasse 12

Bis Donn.: Die geschiedene
Frau. Freitag bis Sonnt.:

Die schönste Fran.

Königliches

Schauspielhans

Gensdarmenmarkt

Moliere und die
Seinen / Tartiiffe

Die Jungfrau
von Orleans

Bürgerlich und
romantisch,

Moliere nnd die
Seinen / Tartüffe

Der deutsche
König

Moliere und die
Seinen/ Tartüffe

Die Welt, in

der man sich
langweilt

Metropoltlieater

Behrenstmsse^55|56^_

Hallo! Die grosse Bevue

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