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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911

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Nr. 32 (Oktober 1910)
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Walden, Herwarth: Die neue Sezession
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Lichtenstein, Alfred: Kuno Kohn
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Beachtenswerte Bücher und Tonwerke / Wochenspielplan der Berliner Theater
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https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0262

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Schul-Eindrücke mögliChst getreu er.i' iern, also die
Kopisten. Denn die Mehrheit ist ang r- dich so durch
die Geschäfte und die Lebensfreudc iberanstrengt,
daß sie nicht Lust hat, Neues aufn tiehmen. Na-
mentfich, wo es sich um unfruchtbire Dinge han-
delt. Lieber treibt man den blühenden Unsinn, in >
die Luft zu fahren. Vielfeicht funk fioniert es bald
und wir können hier auf der sdiäbigen Erde wieder
almen. Aufatmen.

Ein rührender Zug der Deutsdv.n bleibt ihre
Liebe zu den olien Griechen. Die sind ihnen tüch-
tig eingebfeut. Die sitzen. Ein Bes fztum für den
unkünstferischen Mensclien: die Elk. mit der die
Werke der Bifdhauerei gemessen w 'rden können.
Die Griechen Verstanden es (das f aben wir ge-
habt). Sie fanden afles, sogar d?s Meer. Sie
wagten sich freifich hinauf. Aber v arum sich ins
Uferlbse verlieren, denkt der solide Bürger, wenn
man schon maf etwas gefunden liat. Zeus Otri-
voli, Venus von Milo. Das ist es, Punkt.

Für die Malerei sorgte die RenaissanCe, „jene
EpoChe, welche...“ Enge Verwandtschaft mit den
Griechen nachzuweisen. Dazu Italkn, das Land
der Kunst, wo die Zitronen bfühn. Goethe. Punkt.

Die Niederländer. Schon vorskhtiger zu be-
handefn. Naturalismus. FleisChesIust. Dennoch:
Rembrandt haben wir gehabt. H«lldunkel sehr
künstferisch. „Dämmerung“ in Deutschland durch-
aus pfausibel.

Die alten DeutsChen. Wenigstens wieder Ver-
wandtsdhaft mit den bewährten Niedf dandern nach-
zuweisen. Und mit dem Christenbtm. Und |die
Deutschen „denken“. Afso gcnehmtgt.

Nun wird die ganze Angefegeiheit erst be-
denklich. Mit Feuerbach und BoerVIin geht man
mit. Sie verbinden griechische GesUlten mit deut-
sdiem Empfinden. Böckfin insbe^ondere schil-
dert. Man kann das verstehen.

Die Franzosen wurden 1871 endgüftig ge-
schfagen. Und jetzt werden ihre Maler zu Mei-
stern ernannt. Solchen Unfug sollcn wäckere, ehr-
fidhe Menschen mitmachen? Watt-au ließen sie
sich gefallen, man kann seine Szeuen für Mas-
keraden gebrauChen. Aber van Gogh! Da mußte
ein Lokafanzeiger im Namen der Mensdiheit drein-
sChfagen. Keine VerwändtsChaft fes*zustellen. Keine
Tradition. Selbst die Weisheit der fibel und des
BifdeibbgenS auf den Kopf gestellt. Das Funda-
ment der fetzten Vorschulklasse zerlrümmert. Ge-
löst sind alle Bande der Natur, allr- Subjekte Von
ihren getreuen Objekten: der Baum :st grün, Him-
mef blau, Mohn rot, Schaf weiß.

Der DeutsChe febt nur in Formeln, Dogmen
und Symbofen, lebt also überhaupt nidht. Er laCht,
wenn der Lyriker vom Hören mit den Auge spricht.
Wenn er wenigstens damit sehcn könnte. Er
rühmt sich dieser Eahigkeit und trägt stets eine
rationalistische Brille. Sie färbt ihm die Außen-
weft. Sie schützt ihn vor den Strahlen des Genies.
Bfendendes verblendet ihn. Es reizt ihn. Nur wenn
der Gfanz genommen ist, wenn er =eine UrsäChen
untersuChen und „verstehen“ kanrr, liäßt er sich
diesen Schwindef gefallen. Genie Und Mystik ist
Quatsch. Nur auf dem Weg der Anafyse und der

Pädagogik bewifligt er dem andern die Optik des
cigencn Auges.

Was natürfiCh zum Künstler nicht ausreicht.
Höchstens zum Maler. Denn Kunst bestelit nicht
aus der riChtigen Wiedergabe äußerer Eindrücke.
Das ist ihre Voraussetzung, die T e C h n i k.
Modeflposen nachweisen können, bedeutet nichts,
„Kur.st des Buchstabierens“. Kunst fordert die Be-
febung, die Bewegung, die Beseelung des Anschau-
fichen. Des Anschaulichen. Literatur läßt sich nicht
mafen.

Die Neue Sezession wird Erfofg haben. Weil
sie die Großen der Kunst „menschiich näher bringt“,
plausibel macht, wie ich schon sagte. Ueber van
Gogh (mit Abstand zu nennen), über Gauguin,
Hodfer, Klimt, Matisse wird geschimpft. Ihre Nach-
ahmer sieht man sich an. Die göttfiche Manie
wird hier Zur irdischen Manier. Die unvärständ-
lichen Striche und Punkte und Farben sind kor-
rekt geordnet, S i n n ist in die Geschichte gebracht.

Das treibt die Mehrhcit.

Trotzdem ist das Niveau höher, afs bei 'ähn-
lächen Veranstaltungen. Es sind einige da, die
Technik in meinem Sinn besitzen, die mit eigenen
Augen sehen. Ich ncnne E. L. Kirdmer. Es sind
einige da, die Kunst in sich tragen. Ich nenne den
Maler Max Pechstein und den Bildhauer Otto
Freundlich.

Und erregte Kunstfreunde möchte ich init dem
wichtigsten Griechenwort beruhigen: Panha rhei.

T r u s t

Knno Kohn

Von Alfred Liehtenstein

Seit einem hälben Jahr woh’ne iCh in der Nürn-
bergerstraße. Von den Hausbewohnern hät nocb
niemand etwas gemerkt. Ich bin vorsichtig.

Das weiße Kostüm bringt mir Gfüdk, ich Ver-
diene genug. Idh häbe angefangen zu sparen, denn
iCh fühfe, daß die Kräfte nachlassen. Häufig bin
ich mätt, mänchknäf habe ich SChmerzen. Auch
werde ich diCk und aft. Ich schminke mich niCht
gern-

ICh stehe niCht mehr unter Kontrolle. Kuno
Kohn hät miCh frei gemacht, icli bin ihm dankbar.

Kuno Kohn ist häßfidi.

Kuno Kohn hat einmaf gesagt, daß er Knochen-
fraß habe.

Sonderbar ist die erste Begegnung gewesen:

Es regnete. Die Straßen waren naß und
scbmutzig. Ic'h stand an einer Laterne in der Kaiser-
aflee und blickte auf die angespritzten Kleider.
Wenn Wind kam, fröstelte ich. Die Füße schmerz-
ten von den Sclndien.

Seften ging wer. Meist auf der anderen Seite.
Mit aufgeschlagenem Mantelkragen. Den Hut iiber
die Stirn... Niemand beachtcte mich, ich stand
traurig.

Der Kies knirsdhte hinter mir. Hart und
plötzlich, daß iCh aufschreckte. Ein Polizist katti,
die Hände am Rüdken. Er ging langsam. Er sah

mich argwöhnisch an, stofz auf sein Recht. Er
fühfte sich Herr! Er schritt weiter. Ich lachte
höhnend, er schaute sich nicht um. Der Pofizist
verachtete ttiiCh...

Ich gähnte, es war spät geworden. Ich ging
bis zur Kantstraße. Da kam einer, der war klein
und verwachsen. Er bfieb stehen, als er mich sah.

Er versteckte einen Teif des Gesichtes hinter
dürren Fingern. Und rieb am redhten Lid wie wer,
der sich schämt. Und hüstelte... Ich trat dicht
zu ihm, daß er mich fühfte. Er sagte: Na — Ich
sagte: Komm Kfeiner. Er sagte: Eigentlidh bin ich
homosexueli

Und nahm meine Hand.

Schmuck der Berliner Theaterprogramme

III / Met'opol-Theater i

Beachtenswerte Bücher und Tonwerke

Ausführliche Besprechung vorbehalten
Rücksendung findet in keinem Fall statt

PAUL SCHEERBART
Das Perpetuum mobile

Verlag Ernst Rowohlt Leipzig

Verantwortlich ftir die Schriftleitung:
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE

Wochen- Spielplan der BerKner Theater

Oktober

Dienstag

4.

Mittwoch

5.

Donnerstag

6.

Freitag

7.

Sonnaboiul

8.

Sonntag

9.

Montag

10.

Theater mit gleichbleibendem
Spielplan:

Deutsches Theater

Schumannstrasse 13 a

Judith

Wes Ihr wollt

Sumurün

Panst

Sumurüu

Don Carlos

Sumurün

Berliner Theater

Charlottenstr. 93

Gastspiel Hansi Niese:

Das Musikantenmädel

Kammerspiele

Schuraannstrasse 14

Das Kloster

Gyges

n id sein King

Gawan

Komödie der
Irrungen / Heirat
wider Willen

Der Arzt
am Scheidewege

Komödie der
Irrungen / Heirat
wider Willen

Der Graf von
Gleichen

Modernes Tlieater Di i..... j.« ■n'r..10_
Könifrgrätzerstr. 57| 58 1,16 öeSle aer X' rauen

Lessingtheater
Friedrich Karlufer 1

Einsame

Menschen

W -i'in der junge
Wein blüht

Wenn der junge
Wein bliibt

Das Konzert

Wenn der junge
Wein bliiht

Wenn der jnnge
Wein blüht

Einsame

Menschen

Neues Theater

Scblffbauerdamm 4a|5

Die goldene Ritterszeit

Komische Oper

Friedrichstr. 104|104a

Der Arzt wider
Willen

Xi-reunerliebe

Der Arzt wider
Willen

Die Boheme

Der Arzt wider
Willen.

Die Boheme

Der Arzt wider
Willen

Residenztheater

Blumenstr. 9a

Noblesse oblige

Neues königliches
Operntheater

KSnigsplatz 7

Mauon

Don Juan

Carmen

Tannhäuser

Cavall. rusticana
Barbierv. Sevilla

Mignon

MadameButterfly

Trianontheater

Pr. Friedr. Karlstr. 7

Pariser Witwen

Neues

Schauspielhaus

Nollendorfstrasse 11|12

Ueber

unsre Kraft I

Jir Tartüff
D*’r Herr von
i 7 urceaugnac

Wann kommst
Dn wieder

Der Tartüff
Der Herr von
Pourceaugnac

Ueber

unsre Kraft I

Der Tartiiff
Der Herr von
Pourceaugnac

Der Tartüff

Der Herr von
Pourceaugnac

Neues

Operettentheater

Schiffbauerdamm 25

Der Graf von Luxemburg

Kleines Theater

Unter den Linden 44

1 Erster Klasse
j Die verflixten
j Frauenzimmer

Mnter Klasse
Di-t verflixten
»uieiiziinmer

Premiere

Der Liehestrank

Die Zensur.

Der Liebestrank
Die Zensur

Erster Klasse
Die verflixten
Frauenzimmer

Der Liebestrank
Die Zensur

Erster Klasse
Die verflixten
Frauenzimmer

Theater des
Westens

Kantstrasse 12

Die schönste Fran

Königliches

Schauspielhaus

Gensdarmenmarkt

Der Sclilagbaum

D neue Sonne

Wilhelm Tell

Die Eäuber

Moliere'und die
Seinen / Tartüff

Der eingebildete
Kranke

Die Journalisten

Metropoltheater

Behrenstrasse 55|56

Hurrah — Wir leben noch!

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