daß <das Wohlgefiihl des Behandelten nicht immer
mit der Energie der Bedienungsmannschaft gleichen
Schritt zu halten vermag. Also Vorsicht!
Edelschmock
Der Sanscoucier ist aus dem güldenen Traum
erwacht, in den der Schluck aus dem güldenen
Kännlein ihn versenkt hatie. Er streitet im konser-
vativ-demokratischen Organ der Montags-Exzellenz
für das heilige Recht des Künstlers, seine Gaben
in den Dienst der Destillen-Reklame zu stellen:
„Man hat es Th. Th. Heine, Bruno Paul, Ferd.
v. Keller, Franz v. Stuck, vieien ersten weltberühm-
ten Malern und mir selber niemals verargt, für
irgend einen schlechten Schnaps, für eine miserable
Schuhwichse künstlerische Plakate entworfen zu
haben...“
Er hatte wohl ursprünglich geschrieben: vielen
weltberühmten Malern und selbst mir; in seiner
Bescheidenheit hat er aber schließlich die Worte
umgestellt. E d e I sei der Mensch...
Uebrigens irrt er sich, wenn er glaubt, daß
nian den Sch ri fts tell e rn grollt, die sich in
den Dienst der Reklame stellen, weil ein Gott ihnen
gab zu sagen, daß die Menschheit an schlechtem
Schnaps und miserabler Schühwichse Mangel leidet.
Im Gegenteil — man grollt ihnen, weil sie vielfach
ihr so geartetes Talent mißbrauchen, indem sie sich
als Künstler empfinden und in ihrer Verblendung
Menschheit und Kultur mit Schnaps und Stiefel-
wichse verwechseln.
Vitalitätskoeffizient
„Der Kientopp! Ich hörte dies
Wort zum e r s t e n Mal, als ich
jetzt Wieder nach Berlin zurück
kam, und habe mich s o f o r t darin
verliebt. V i e r Jahre lang bin ich
auf d r e i Kontinenten . . . und ich
1 i e b e die Berliner, dass sie dies
Wort gefunden haben.“
Aus einerMontagszeitung Sl.Oktober 1910
Der dämonische LokalanZeiger-Korrespondent,
frisch aus Indien zurück, dichtet einen Hymnus auf
den Kjentopp. Der Kientopp ist, bitte, ein „erst-
rangiger Vitalitätskoeffizient“. Der dämonische
L.-A.-Korrespondent hat das Wort Kientopp zum
ersten Male gehört, denn er ist, bitte, vier Jahre
lang auf drei Kontinenten herumgereist. Vier Jahre
Iang, bitte, auf drei Kontinenten! (Daß er zwischen-
durch häufig in den Cafes und auf den Redaktionen
gesehen wurde, hat übersinnliche Gründe; er jst,
bitte, ein Dämoniker.)
Er hört also das |Wort Kientopp zum ersten
Mal, als er nach vierjähriger Abwesenheit pach
Berlin zurückkehrt... „und ich’ habe mich' Sofort
darin verliebt...“ Und er liebt die Berliner, „daß
sie dieses Wort gefunden haben“.
Vater, sagt er, schicke deine Kinder in den
Kientopp. Denn er ist erzieherisch. Und außerdem
ist er erstrangig. Und ein Vitalitätskoeffizient.
Mutter, sagt er, gehe mit Vatern in den Kien-
topp, denn er ist amüsierend. Und er ist gesünder
als Bierkeller und Schnapsbudiken.
Der dämonische L.-A.-Korrespondent findet,
„wir Künstler“ könnteu b e w u ß t für den Kientopp
schaffen:
„Hier ist ein neues Feld für die Kunst, ein
junger Acker — wer hilft ihn pflügen?“
Er verspricht, ein Kientoppstück zu schreiben.
Tun Sie es, Dämonier - Lacedämonier (Lokal-
Anzeiger-Correspondent-Dämonier). Sie sind es
uns schuldig.
Q uin tus Fix1ein
Sehr geehrter Herr Fixlein!
Sie wundern sich, daß der Lokal-Anzeiger-
Dämoniker vier Jahre Iang -auf drei Kontinenten
herumgereist ist, nach * 1 Berlin zurückkehrt, das Wort
Kientopp zum ersten Mal hört und deshälb die
Berliner liebt. Was sagen Sie aber dazu, daß der-
selbe Herr alles dies schon einmal erlebt, entdeckt
und geliebt hat. In der Nummer 18 der entschwun-
denen Zeitschrift „Morgen“ vom 11. Oktober 1907
schreibt der Kosmiker (oder Kosmetiker, wie Sie
wollen) folgendes:
„Der Kientopp! Ich hörte dies Wort zum ersten
Mal, als ich jetzt wieder nach Berlin zurück kam, und
habe mich s o f o r t darin Verliebt. V i e r Jahre lang
bin ich auf d r e i Kontinenten . . . und ich 1 i e b e die
Berliner, dass sie dies Wort gefunden haben.“
Zum Mindesten liegt ein Rechuungsfehler vor.
Wenn er jetzt geschrieben hätte, „ich bin d r e i
Jahre auf vier Kontinenten herumgereist, so wäre
die Zeitrechnung (vom 11. Oktober 1907 bis zum
31. Oktober 1910, an welchem Tage er das Er-
lebnis zum zweiten Male hätte), in Ordnung. Aber
Kosmetiker rechnen nach Jahrhunderten. Sie wissen
doch: „Und aber nach fünfhundert Jahren_“
T.
Opfer gelber Qefahr
Vor kurzem berief die merkwürdige Lessing-
gesellschaft den „bekannten Wiener Schriftsteller“
Dr. Gelber nach Berlin, damit er ihren Mitgliedern
an einem Abend etwas yon der Kulturherberge
an der Donau erzähle. Sie lockte ihn aus der
Rinnsteintiefe seiner poloniusheiteren Shäkespeare-
ablausung auf jenen Literatenhügel, von dem aus
ein bekannter SChriftsteller selbst das zu ii b e r -
blicken vermag, was der Forscher nur ahnend
schaut. Wo der Geist des Gelehrten fast erschöpft
versiegt, bricht die Quelle der „geistvollen, durch 1-
dachten Gedanken“ des' bekannten Schriftstellers
hervor; in kaum zwei Stunden zeichnete er den
a n d ä c h t i g e n Zuhörern den Weg, den die Kultur
Jahrhunderte hindurch gehen mußte, um kaürn über
ihren Schatten hinaus zu kommen. Der Phasen,
in denen sie in Wien vom „ersten, vom einzigein
Kaiser, der dort herrschte“, bis zum letzten Dichter,
der es heute besingt, lendenlahm schwankte, sind
viele, aber Gelber „ZWang“ den Stoff und „fesselte“
die Zuhörer. Nicht immer waren die Wiener der
Kultur gewogen, sie soll ihnen unter Kaiser Joseph
dem Zweiten lästig gewesen sein, und sie lebten
lieber in „der besten der Welten“.
Erst nach dem Jahre 1866 erfüllte die Kaiser-
stadt ihre kulturelle Mission; jede Burgtheater-
aufführung w a r e i n G e b e t, ein Opferdienst,
und Makart malte. Nur Gelber schrieb da-
mals noch nicht. Schade. Das hätte Wiens Auf-
schwung noch mehr Kolorit verliehn.
Und dann kam wieder eine Zeit des Nieder-
gangs. Im Burgtheater betete man noch jmmer,
aber Makart malte nicht mehr und Gelber be-
gann zu schreiben. Selbst der Messias Presse
konnte nicht helfen, Wien litt fünfzehn Jalire an
einer Kulturverstopfung. Die Gewalt der Kleri-
kalen, die jenen Eunuchenzustand der Donaustadt-
kultur auf dem Gewissen haben sollen, ist heute
auch noch nicht gebrochen, aber es leuchtet trotz-
dem „eine strahlende Abendröte nach langem Tage
über Wien. Kulturarbeit nach allen Richtungen,
auch in den freimütigen, poetischen Schöpfungen
eines Bartsch, Ginzkey, Schönherr“. Der Vor-
tragende hatte ein Trugbild geliefert, aber es wurde
ihm mit „ehrlicböm Beifall“ bezahlt.
Er nannte viele, die in Wien von Rudolf von,
Habsburg bis hinauf zu Rudolf aus der Steiermark
Teil hätten an dem niedrigen Berg- und dem hohen
Talbahngang der Kultur, und er brachte die Namen
Von Schriftstellern, deren Ruf gar locker in dem
Sande kurzatmiger Mode und unkultivierten Ge-
schmackes wurzelt, in Verbindung mit einer
strahlenden Abendröte, die über Wien brachliegt.
Nur von dem genialen Geist schwieg er, der
über Wien, der Begräbnisstätte der Kultur, schbn
seit Jahren und so gewaltig lodert, daß er in Berlin,
wo man Gelber als „bekannten Schriftsteller“ liebt,
noch viel zu fremd ist. Er schwieg, ein zitternder
Sklave seines ephemeren Ruhmes, von K a r 1
K r a u s, dem Bollwerk, daran die Sturmflut
schwarz-Gelber Scheinkultur zuschanden wird.
J. A.
Beachtenswerte Bücher und Tonwerke
Ausftihrliche Besprechung - vorbehalten
Rücksendung findet in keinem Fall statt
ALFRED KERR
Das neue Drama
Verlag S. Fischer Berlin
ELISABETH PAULSEN
J ungf rauen-Beichte
Verlag J. Bensheimer Mannheim
ELSE LASKER-SCHÜLER
Die Wupper / Drama
Verlag Erich Oesterheld u. Cie
STEFAN GEORGE
Der siebente Ring
Verlag Georg Bondy Berlin
Verantwortlich für die Schriftleitung:
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE
Verantwortlich für die Schriftleitung in Oesterreich-Ungarn:
I. V.: Oskar Kokoschka
Wochen-Spielplan der Berliner Theater
November
Dienstag
8.
Mittwoch
9.
Donnerstag
10.
Freitag
11.
Sonnabend
ia.
Sonntag
13.
Montag
14.
Theater mit gleichbleibendem
Spielplan:
Deutsches Theater
Schumannstrasse 13 a
|llerr und Diener
Judith
Herr und Diener
Faust
Herr und Diener
Herr und Diener
Der
Widerspenstigen
Zähmung
Kleines Tlieater
Unter den Linden 44
Die vertlixten Frauen-
zimmer / Erster Klasse
Kammerspiele
Schumannstrasse 14
Der Arzt
am Scheidewege
Komödie der
Irrungen / Heirat
wider Willen
Scherzo
TänzeWiesenthal
Komödie der
Irrungen l Heirat
wider Willen
Komödie der
Irrungen / Heirat
wider Willen
Komödie der
Irrungen / Heirat
wider Willen
Scherzo
TänzeWiesenthal
Modernes Theater n_„ . ,
Könlggrätzerstr. 57| 58 ^ er DOppelmenBch
Lessingtheater
Friedrich Karlufer 1
Wenn der junge
Wein blüht
Ibsenzyklus:
Die Stützeu der
Gesellschaft
Wenn der junge
Wein blüht
Ibsenzyklus:
Nora
Wenn der junge
Wein hlüht
Wenn der junge
AVein blüht
Ihsenzyklus:
Ein Volksfeind
Neues Theater
Scbiffbauerdamm 4a|5
Dienstag: Kean
Mittwoch bis Sonntag:
Der G. m. b. H.-Tenor
Komische Oper
Friedrlchstr. 104|104a
J Die Boheme
Hoffmanns
Erzählungen
Die Bohöme
Der Arzt
wider Willen
Die Boheme
Die Boheme
Tosca
Residenztheater
Blumenstr. 9a
Noblesse oblige
Neues königliches
Operntheater
Königsplatz 7
Der
Waffenschmied
Der Liehestrank
Götter-
dämmerung
Figaros Hochzeit
Der Freiscliütz
Der Liehestrank
Tannhäuser
Trianontheater
Pr. Friedr. Karlstr. 7
Der heilige Hain
Nenes
Schauspielhaus
Nollendorfstrasse 11 j 12
Jungfrau von
Orleans
Sternenhochzeit
Jungfrau von
Orleans
Sternenhochzeit
Sternenhochzeit
Sternenhochzeit
TJeber nnsere
Kraft
Neues
Operettentheater
Schlffbauerdamtn 25
Der Graf von Luxemburg
Berliner Theater
Charlottenstr. 93
Der scharfe
Junker
Taifun
Der scharfe
Junker
Der scharfe
Junker
Taifun
Der scharfe
Junker
Der scharfe
Jnnker
Theater des
Westens
Kantstrasse 12
Die schönste Frau
Königliches
Schauspielhaus
Geusdarmenmarkt
iDie Welt, 'in der
man sich.Jang-
weilt
Wallensteins
ULager
Die Piccolomini
Wallensteins
Tod
Der Krampns
jWallensteins
i.Hft Lager J >’
tDie Piccolomini
W allensteins
Tod
Der_ Familientag
Metropoltlieater
Behrenstrasse 65|56
Hurrah — Wir leben uoch!
mit der Energie der Bedienungsmannschaft gleichen
Schritt zu halten vermag. Also Vorsicht!
Edelschmock
Der Sanscoucier ist aus dem güldenen Traum
erwacht, in den der Schluck aus dem güldenen
Kännlein ihn versenkt hatie. Er streitet im konser-
vativ-demokratischen Organ der Montags-Exzellenz
für das heilige Recht des Künstlers, seine Gaben
in den Dienst der Destillen-Reklame zu stellen:
„Man hat es Th. Th. Heine, Bruno Paul, Ferd.
v. Keller, Franz v. Stuck, vieien ersten weltberühm-
ten Malern und mir selber niemals verargt, für
irgend einen schlechten Schnaps, für eine miserable
Schuhwichse künstlerische Plakate entworfen zu
haben...“
Er hatte wohl ursprünglich geschrieben: vielen
weltberühmten Malern und selbst mir; in seiner
Bescheidenheit hat er aber schließlich die Worte
umgestellt. E d e I sei der Mensch...
Uebrigens irrt er sich, wenn er glaubt, daß
nian den Sch ri fts tell e rn grollt, die sich in
den Dienst der Reklame stellen, weil ein Gott ihnen
gab zu sagen, daß die Menschheit an schlechtem
Schnaps und miserabler Schühwichse Mangel leidet.
Im Gegenteil — man grollt ihnen, weil sie vielfach
ihr so geartetes Talent mißbrauchen, indem sie sich
als Künstler empfinden und in ihrer Verblendung
Menschheit und Kultur mit Schnaps und Stiefel-
wichse verwechseln.
Vitalitätskoeffizient
„Der Kientopp! Ich hörte dies
Wort zum e r s t e n Mal, als ich
jetzt Wieder nach Berlin zurück
kam, und habe mich s o f o r t darin
verliebt. V i e r Jahre lang bin ich
auf d r e i Kontinenten . . . und ich
1 i e b e die Berliner, dass sie dies
Wort gefunden haben.“
Aus einerMontagszeitung Sl.Oktober 1910
Der dämonische LokalanZeiger-Korrespondent,
frisch aus Indien zurück, dichtet einen Hymnus auf
den Kjentopp. Der Kientopp ist, bitte, ein „erst-
rangiger Vitalitätskoeffizient“. Der dämonische
L.-A.-Korrespondent hat das Wort Kientopp zum
ersten Male gehört, denn er ist, bitte, vier Jahre
lang auf drei Kontinenten herumgereist. Vier Jahre
Iang, bitte, auf drei Kontinenten! (Daß er zwischen-
durch häufig in den Cafes und auf den Redaktionen
gesehen wurde, hat übersinnliche Gründe; er jst,
bitte, ein Dämoniker.)
Er hört also das |Wort Kientopp zum ersten
Mal, als er nach vierjähriger Abwesenheit pach
Berlin zurückkehrt... „und ich’ habe mich' Sofort
darin verliebt...“ Und er liebt die Berliner, „daß
sie dieses Wort gefunden haben“.
Vater, sagt er, schicke deine Kinder in den
Kientopp. Denn er ist erzieherisch. Und außerdem
ist er erstrangig. Und ein Vitalitätskoeffizient.
Mutter, sagt er, gehe mit Vatern in den Kien-
topp, denn er ist amüsierend. Und er ist gesünder
als Bierkeller und Schnapsbudiken.
Der dämonische L.-A.-Korrespondent findet,
„wir Künstler“ könnteu b e w u ß t für den Kientopp
schaffen:
„Hier ist ein neues Feld für die Kunst, ein
junger Acker — wer hilft ihn pflügen?“
Er verspricht, ein Kientoppstück zu schreiben.
Tun Sie es, Dämonier - Lacedämonier (Lokal-
Anzeiger-Correspondent-Dämonier). Sie sind es
uns schuldig.
Q uin tus Fix1ein
Sehr geehrter Herr Fixlein!
Sie wundern sich, daß der Lokal-Anzeiger-
Dämoniker vier Jahre Iang -auf drei Kontinenten
herumgereist ist, nach * 1 Berlin zurückkehrt, das Wort
Kientopp zum ersten Mal hört und deshälb die
Berliner liebt. Was sagen Sie aber dazu, daß der-
selbe Herr alles dies schon einmal erlebt, entdeckt
und geliebt hat. In der Nummer 18 der entschwun-
denen Zeitschrift „Morgen“ vom 11. Oktober 1907
schreibt der Kosmiker (oder Kosmetiker, wie Sie
wollen) folgendes:
„Der Kientopp! Ich hörte dies Wort zum ersten
Mal, als ich jetzt wieder nach Berlin zurück kam, und
habe mich s o f o r t darin Verliebt. V i e r Jahre lang
bin ich auf d r e i Kontinenten . . . und ich 1 i e b e die
Berliner, dass sie dies Wort gefunden haben.“
Zum Mindesten liegt ein Rechuungsfehler vor.
Wenn er jetzt geschrieben hätte, „ich bin d r e i
Jahre auf vier Kontinenten herumgereist, so wäre
die Zeitrechnung (vom 11. Oktober 1907 bis zum
31. Oktober 1910, an welchem Tage er das Er-
lebnis zum zweiten Male hätte), in Ordnung. Aber
Kosmetiker rechnen nach Jahrhunderten. Sie wissen
doch: „Und aber nach fünfhundert Jahren_“
T.
Opfer gelber Qefahr
Vor kurzem berief die merkwürdige Lessing-
gesellschaft den „bekannten Wiener Schriftsteller“
Dr. Gelber nach Berlin, damit er ihren Mitgliedern
an einem Abend etwas yon der Kulturherberge
an der Donau erzähle. Sie lockte ihn aus der
Rinnsteintiefe seiner poloniusheiteren Shäkespeare-
ablausung auf jenen Literatenhügel, von dem aus
ein bekannter SChriftsteller selbst das zu ii b e r -
blicken vermag, was der Forscher nur ahnend
schaut. Wo der Geist des Gelehrten fast erschöpft
versiegt, bricht die Quelle der „geistvollen, durch 1-
dachten Gedanken“ des' bekannten Schriftstellers
hervor; in kaum zwei Stunden zeichnete er den
a n d ä c h t i g e n Zuhörern den Weg, den die Kultur
Jahrhunderte hindurch gehen mußte, um kaürn über
ihren Schatten hinaus zu kommen. Der Phasen,
in denen sie in Wien vom „ersten, vom einzigein
Kaiser, der dort herrschte“, bis zum letzten Dichter,
der es heute besingt, lendenlahm schwankte, sind
viele, aber Gelber „ZWang“ den Stoff und „fesselte“
die Zuhörer. Nicht immer waren die Wiener der
Kultur gewogen, sie soll ihnen unter Kaiser Joseph
dem Zweiten lästig gewesen sein, und sie lebten
lieber in „der besten der Welten“.
Erst nach dem Jahre 1866 erfüllte die Kaiser-
stadt ihre kulturelle Mission; jede Burgtheater-
aufführung w a r e i n G e b e t, ein Opferdienst,
und Makart malte. Nur Gelber schrieb da-
mals noch nicht. Schade. Das hätte Wiens Auf-
schwung noch mehr Kolorit verliehn.
Und dann kam wieder eine Zeit des Nieder-
gangs. Im Burgtheater betete man noch jmmer,
aber Makart malte nicht mehr und Gelber be-
gann zu schreiben. Selbst der Messias Presse
konnte nicht helfen, Wien litt fünfzehn Jalire an
einer Kulturverstopfung. Die Gewalt der Kleri-
kalen, die jenen Eunuchenzustand der Donaustadt-
kultur auf dem Gewissen haben sollen, ist heute
auch noch nicht gebrochen, aber es leuchtet trotz-
dem „eine strahlende Abendröte nach langem Tage
über Wien. Kulturarbeit nach allen Richtungen,
auch in den freimütigen, poetischen Schöpfungen
eines Bartsch, Ginzkey, Schönherr“. Der Vor-
tragende hatte ein Trugbild geliefert, aber es wurde
ihm mit „ehrlicböm Beifall“ bezahlt.
Er nannte viele, die in Wien von Rudolf von,
Habsburg bis hinauf zu Rudolf aus der Steiermark
Teil hätten an dem niedrigen Berg- und dem hohen
Talbahngang der Kultur, und er brachte die Namen
Von Schriftstellern, deren Ruf gar locker in dem
Sande kurzatmiger Mode und unkultivierten Ge-
schmackes wurzelt, in Verbindung mit einer
strahlenden Abendröte, die über Wien brachliegt.
Nur von dem genialen Geist schwieg er, der
über Wien, der Begräbnisstätte der Kultur, schbn
seit Jahren und so gewaltig lodert, daß er in Berlin,
wo man Gelber als „bekannten Schriftsteller“ liebt,
noch viel zu fremd ist. Er schwieg, ein zitternder
Sklave seines ephemeren Ruhmes, von K a r 1
K r a u s, dem Bollwerk, daran die Sturmflut
schwarz-Gelber Scheinkultur zuschanden wird.
J. A.
Beachtenswerte Bücher und Tonwerke
Ausftihrliche Besprechung - vorbehalten
Rücksendung findet in keinem Fall statt
ALFRED KERR
Das neue Drama
Verlag S. Fischer Berlin
ELISABETH PAULSEN
J ungf rauen-Beichte
Verlag J. Bensheimer Mannheim
ELSE LASKER-SCHÜLER
Die Wupper / Drama
Verlag Erich Oesterheld u. Cie
STEFAN GEORGE
Der siebente Ring
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Verantwortlich für die Schriftleitung:
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE
Verantwortlich für die Schriftleitung in Oesterreich-Ungarn:
I. V.: Oskar Kokoschka
Wochen-Spielplan der Berliner Theater
November
Dienstag
8.
Mittwoch
9.
Donnerstag
10.
Freitag
11.
Sonnabend
ia.
Sonntag
13.
Montag
14.
Theater mit gleichbleibendem
Spielplan:
Deutsches Theater
Schumannstrasse 13 a
|llerr und Diener
Judith
Herr und Diener
Faust
Herr und Diener
Herr und Diener
Der
Widerspenstigen
Zähmung
Kleines Tlieater
Unter den Linden 44
Die vertlixten Frauen-
zimmer / Erster Klasse
Kammerspiele
Schumannstrasse 14
Der Arzt
am Scheidewege
Komödie der
Irrungen / Heirat
wider Willen
Scherzo
TänzeWiesenthal
Komödie der
Irrungen l Heirat
wider Willen
Komödie der
Irrungen / Heirat
wider Willen
Komödie der
Irrungen / Heirat
wider Willen
Scherzo
TänzeWiesenthal
Modernes Theater n_„ . ,
Könlggrätzerstr. 57| 58 ^ er DOppelmenBch
Lessingtheater
Friedrich Karlufer 1
Wenn der junge
Wein blüht
Ibsenzyklus:
Die Stützeu der
Gesellschaft
Wenn der junge
Wein blüht
Ibsenzyklus:
Nora
Wenn der junge
Wein hlüht
Wenn der junge
AVein blüht
Ihsenzyklus:
Ein Volksfeind
Neues Theater
Scbiffbauerdamm 4a|5
Dienstag: Kean
Mittwoch bis Sonntag:
Der G. m. b. H.-Tenor
Komische Oper
Friedrlchstr. 104|104a
J Die Boheme
Hoffmanns
Erzählungen
Die Bohöme
Der Arzt
wider Willen
Die Boheme
Die Boheme
Tosca
Residenztheater
Blumenstr. 9a
Noblesse oblige
Neues königliches
Operntheater
Königsplatz 7
Der
Waffenschmied
Der Liehestrank
Götter-
dämmerung
Figaros Hochzeit
Der Freiscliütz
Der Liehestrank
Tannhäuser
Trianontheater
Pr. Friedr. Karlstr. 7
Der heilige Hain
Nenes
Schauspielhaus
Nollendorfstrasse 11 j 12
Jungfrau von
Orleans
Sternenhochzeit
Jungfrau von
Orleans
Sternenhochzeit
Sternenhochzeit
Sternenhochzeit
TJeber nnsere
Kraft
Neues
Operettentheater
Schlffbauerdamtn 25
Der Graf von Luxemburg
Berliner Theater
Charlottenstr. 93
Der scharfe
Junker
Taifun
Der scharfe
Junker
Der scharfe
Junker
Taifun
Der scharfe
Junker
Der scharfe
Jnnker
Theater des
Westens
Kantstrasse 12
Die schönste Frau
Königliches
Schauspielhaus
Geusdarmenmarkt
iDie Welt, 'in der
man sich.Jang-
weilt
Wallensteins
ULager
Die Piccolomini
Wallensteins
Tod
Der Krampns
jWallensteins
i.Hft Lager J >’
tDie Piccolomini
W allensteins
Tod
Der_ Familientag
Metropoltlieater
Behrenstrasse 65|56
Hurrah — Wir leben uoch!