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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911

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Nr. 25 (August 1910)
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Scheerbart, Paul: Der blaue Himmel: Eine Garten-Novelle
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Blümner, Rudolf: Frank Wedekind als Ästhetiker: Kritik seines Glossariums 'Schauspielkunst'
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https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0202

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„Meteorgdstergeschichten! Ich gtaube nämlich,
daß diese Sternschnuppen, die wir da oben im bl'auen
Himmel sehen, veritable Lebewesen sind, die unter
Umständen noch viel 1 klüger und besser organisiert
sein könnten afe die Menschen. Mit der Phantasie;
kann man ja diese Meteorgeister so köstlieh ausge-
stalten — die Maler können sie malen — mitlangen,
elektrisch leuchtenden Qliedmassen. Und man kann
von diesen Meteorgeistern Qeschichten erzähten, die
viel 1 interessanter sein könnten, als die Qeschichten
von den Menschen auf der Erdoberflläche. Es muß
doch ein viel freieres Leben sein, so ganz frei im
Weltenraume herumsäusen zu können, |ohne an einen
Riesenstern angebunden zu sein wie unsereins!“

„Ist das Ihr Ernst ?“ fragte Frau Albertine
lebhaft.

„Aber freilich!“ versetzte Dr. Groddeck, „wenn
ich nur wüßte, wie ich die Künstler und Dichter in
dieses neue Stoffgebiet hineinlöcken könnte. Dann
hätten wir gewonnenes Spiell. Da würden bald
alle Menschen für die neuen Sternwarten begeistert
werden. Bedenken Sie nur: es ist ja gar nicht
so phantastisdi, wenn ich behaupte, daß die Meteore
ganz vernünftige Ungeheuer sind — Riesen-
sddangen — mit eisernen Panzern. Vielleicht sind
diese Ungeheuer auCh bewohnt von kfeineren Lebe-
wesen wie die Erde. Ob das nun wirklidi so ist,
wie idi gläuben möchte, kann ja der Astronom
auf den neuen Sternwarten mit den besseren Te-
teskopen sehr leicht untersuchen. Das würde ja
grade den Bau der neuen Sternwarten sehr
wünschenswert erscheinen lässen. O, gnädige Frau,
wenn Sie wüßten, wie notwendig der Bau von
Sternwarten ist. . . .“

Frau Albertine sagte rasCh:

„Hm! dann muß man eben ein Preis-
ausschreiben arrangieren — und dadurch die
Künstler und DiChter in entsprechender Weise an-
regen. MaChen Sie den Entwurf für das 1 Preis-
ausschreiben, — ich werde das Geld stiften, und
es soll nicht wenig sein.“

Sie erhob sich, und Dr. Groddeck sank auf ein
Knie und küßte den Saum ihres Kfeides.

Frau Albertine lächelte wieder.

Aber Dr. Groddeck lächelte nicht, er hatte
Tränen in den Augen und dankte Frau Albertine in
so begeisterten Worten, daß die alte Dame ganz
verlegen wurde.

Die beiden frühstückten darauf zusammen im
großen Speisesaal des Schlosses, und dabei entwarf
Dr. Groddeck gleich den Wortlaut für das Preis-
ausschreiben. Er ging nach dem Frühstück auf sein
Zimmer, um alles genau zu stilisieren.

AIs er zum Diner wieder in den Speisesaal trat,
wurde ihm erzählt, daß Frau Albertine sich zu
Bett gelegt häbe.

Und zwei Minuten später war sie eine Leiche.

Dr. Groddeck blickte starr in den blauen
Himmel', und die Hand des Astronomen ballte sich
zur Faust zusammen.

Im Testament der alten Dame stand vom Preis-
aussChreiben keine Silbe.

Frank Wedekind als Ästhetiker
Kritik seines Glossariums
,Schauspielkunst‘

Von'Rudolf ßlümner

Nur das große Ansehen, das Wedekind bei den
Erkenntnisfähigen als DiChter genießt, rechtfertigt
die detaillierte Ablehnung seiner Broschüre, die,
von wenigen witzigen Ideen abgesehen, stilistisch
und kritisch-ästhetisch wertlbs jst.

Soweit sie nicht gänzlich zu jgnorieren sind,
fol'ge ich seinen Kapiteln.

Maximilian Harden

Wedekind apostrophiert ihn: „Ihrer regsten An-
teilnahme waren alle, die seit zehn Jahren in
Deutschländ auf eigenen Wegen gingen, sicher.“

Ich stelle fest, daß sich durch Abdruck ihrer
Gedichte die folgenden „Lyriker“ Hardens regster
Anteilnahme erfreuten:

Herr Salus, ein Prager Arzt, dem jenes schöne
Gedicht mit dem jüdisChen Refrain „jeden Früh“
gelüngen ist.

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