Winkcfchen der Welt bchandelt, ein Verlag noch
moderner sei als S. Fischer. Womöglich noch auf
Kosten der ganzen gelbbroschierten Fischer-Litera-
tur! Wohin soll denn das dicke Buch vOn Bab
über Bernard Shavv noeb verschickt werden, wenn
Chesterton in Deutschland gelescn wird? Wo soll
das Oeschäft mit der Ibsenausgabe hinkommen?
wenn man einen Mann 1-iest, der (gemeinsam mit
einer jungen, absolut nicht dandyhaften Generation)
den Ibsen nicht mehr wichtig nehmen kann. Ganz
zu schweigen von den Dichtern der neuromantischen
Börsenwitze. Nun also, S. Fdscher Verlag ließ den
Chesterton, der so gefährllfch fürs Geschäft war,
einfach in seiner „Neuen Rundschau“, dieser
„Sozusagen“ — „Gewissermaßen“ — „Gfeichsam“-
Zeitschrift abschlachten. Der Berliner Oberlehrer
Samuel Saengner übernahm die Ritualien. Chester-
ton ist zwar ein Schriftsteller, der die ernsthäften
Kreise des Kathol'izismus aufs tiefste erregt hat,
dennoch öffnet der biedere Berfiner Sprachlehrer
ganz getnütliCh seine staubigen Freisinnskisten und
hol't ein paar Volksversammlungs-Bonbons heraus.
Das ganze Verfahren wäre natürfich lächerlich',
wenn es sich um ein Buch handefte, das bereits
erschienen ist. Die Sache nimmt aber sehr be-
denklfche Formen an, da die edle „Neue Rund-
schau“ auch Vor Öen Büchem Chestertons warnt,
die detn deutsdien Leser noch' gar nicht vörfiegen.
Uebef \Vurde das NiVeaxi einer solchen Kritik doch
erst dann, als sie cTer Vorankündigung eines neuen
Buches von Chesterton fofgte.
Der Fall liegt sehr ernst. Chesterton jst der
erste Schriftstelfcr der heutigen Zeit, der auch jene
ungeheuer große MaSse der glläubigen Kathbliken,
an denen die moderne Literatur bisher spurfos ab-
gfitt, in den Kreis seiner Intellektualität zog. Die
Diskussionen über Chesterton nahmen ihren Aus-
gang Von Erregungen, die aus ganz tief erwühlten
Empfindungen von Gfäubigen kamen — ganz an-
derer Art als die lächerlichen, berufsmäßig flachen
Schwätzereien eines sogenannten Modernismus. Ein
Mensch, Öer bei Gfäubigen und Ungläubigen gleich
stark an Grundinstinkte rührt, aflein durch den
InteHekt, wo gibts den sonst? Und da wagt es eine
Zeitschrift, die zu durchsichtigem Zweck seitenfang
über Öen Börsenwitz öden liäßt, einem dünkelhäften
Schuldiktator Chesterton zur Abschladhtung zu
übergeben. CorVinus
Die Miezerl Eschenbach im
Himmel
Zum achtzigsten Geburtstag der Ebner Eschen-
baCh wurde im Himmef eine Jause gegeben. Fritz
Mauthner schreibt darüber im „Zeitgeist“ so gfaub-
haft witzfos nüchtern, daß man den poesiereichen
Reporterberfcht über einen tatsächfichen Vorfall,
etwa den Eintritt des Herbstes, für erlbgen hälten
könnte. Wenn die B. Z. a. M. einen Preis vön
100 000 Mark für ein Wettfliegen stiften kann, wird
doch das Berliner Tageblatt in der Lage sein,
einen Berfchterstatter nach dein Himmef zu ent-
senden. Da aber der schfaue Feuilletonist die un-
mögfiche Reise mit der Jules Verneschen Railway
mächte, stellte sich für das Tageblatt die literarische
Sensation in Wirklichkeit sehr billig, das kultur-
fördernde Rekfamepreisausschreiben der B. Z. a. M.
hingegen wird mancher Aviatiker teuer bezahfen
miissen.
Lebt auch niCht jeder Sterbliche in Wien wie
im Himmel, so setzt er dodh wenigstens sein Tot-
sein im Himtnel wie in Wien fort. Der Petrus oder
Peterf, so heißt er nadh Mauthner, ist nur eine
grobe und ungebifdete Wiener Hausmeistergestalt,
die Engerlh waren eintnal Wiener Früchteln und
der fiebe Herrgott selber ist ein halber Wiener.
Der Peterl führt die greise Dichterin herein, aber
wejf es ihm nicht einleuchten will, daß ein noch
febendes Wesen als Gast im Himmel erscheinen
kann, gibt er seine „Dumm ... Dimm ... Dumm“-
Demission jafso.
Mozart, Sdhübert, Grillpärzer, Raimund und
andere Größen mächten der Gefeierten die Auf-
wartung, Beethoven hatte sidh entschufdigen lassen.
„Die Engefsbüben servierten einen himmlischen
Kaffee mit himmlischen Oberst; män trank und
aß Vieferlei Öazu; auch Apfelstrudel“. Mauthner
Sagt Oberst statt Obers, viefteidht weil der ver-
storbene Gatte der Didhterin, der sidh übrigens
— merkwürdig genug — zur Jäuse nicht einge-
funÖen hatte, Generaf War. Zu seiner Vertretung
fag wohl der „Oberst“ auf dem Kaffee.
Die Eschenbädh sollte „von der neuen Zeit,
dem' neuen Reidh, Von der neuen Kunst“ erzähfen.
„Aber in ihrer Befangenheit fief ihr nur ein, wäs
sie schon einmäf gesagt hätte: daß die Poesie zum
Kunsthändwerk geworden sei, daß bei den Hotten-
totten nidht einmaf Napoleon berühtnt sei, daß
jetzt überafl der Ruhm der kleinen
Leute Erfofg heiße.“ Als nun aber Goethe
aus den Wolkenkulissen heraustrat, dadhte die tief-
sinnige Hodharistokratin, „der schöne, alte Herr“
Wäre Gott selber. Er legte ihr die Hand auf die
Schüfter, blitzte sie aus dunklen Augen an und
sagte nur das eine Wort: „Bedeutend!“ Das
sagte er.
„Sphärengesang yon harmonisc'hem Donner-
geläute begleitet.“ Gottvater trat an die Gefeierte
heran, die, auf ein Knie niedergesunken, ein „Vater
unser“ ffüsterte. Doch der liehe Gott hob sie zu
sich eüipor und sagte: „T s c h a p e r f! M i e z e r 1!“
Daraufhin spradh' die Ebner fast sfawisch ein-
schmeichefnd: „Ich küß dir die Hand, lieber Gott;
es war alfcs gut und reidhlich. Aber eine Jause
und einen Apfelstnidel habe idh auch in Wien
gehabt. Wenn ioh darf, so möcht ich hält bitten,
AntWort auf drei Fragen.“
„Der fiebe Gott kraute sidh in dem schönen
hellbraunen Haar.“ Die Ebner will Von ihm wissen,
wozu er die Weft ersdhüf, wie er sie erschuf, und
ob er wirklfch Gott ist. Und Gott gibt auf dfe
Fragen Antworten, wie sie ihm Mauthner nidht
dümmer in den Mund fegen konnte. Er ersdhüf Üie
Weft zum „Zuschauen“, für sich, für sie und ihres-
gleichen.
„Und wie liast du die Welt gesdhäffen?“
„Was weiß fch denn. Idh ! bin doch kein Pro-
fessor. Eher so ein Künstfer, so ein Didhter wie
du. Sie ist entstanden von mir, aus mir, was
weiß ich?“ — Was weiß ich?!
So dichtet der phifosophisChe Feuilletonist dem
ewigen Gott blödeste Einfalt und den irdisdhesten
Geschmack an, er zerrt einen Himrnef auf das
höHisdhniedrige Niveau seiner Phantasie herab.
Um originei zu sein!
Ich hbffe, daß der junge Gott mit „dem schönen,
hellbraunen Haar“ seinen Gesdbmack noch Ver-
feinern wird. Mauthner hal'te ich zu alt üazu.
J. A.
Deutsches Theater über alles!
Verschiedenc Kritiker können sich' nicht fassen:
Max Reinhardt ist wieder in Berlin. Sie behaupten,
Üaß män nidht umhin könne, ihn zu fieben. Aber
es geht doch. Allmählich 1 wird die Langweile, die
Berfiner Theater erzielen, bedrüdkend. Schon die
Tatsache, hödhst unsympathischen Zeitgenossen und
Librettisten bei jeder Premiere begegnen zu müssen,
könnte midh veranfassen, das Theater zu meiden.
Also: Max Reinhardt, den wir alle lieben, ließ in
den Kammerspiefen zwei redht mäßige Lustspiele,
das eine vbn Molicre, das andere von Shakespeare,
aufführen. Die Direktion hatte weder Mühe noch
Kosten gescheut, aber lüstig wurde es nicht. Einige
Clbwnspäße wirkten besönders auf die üblidhen
Herren der Presse, nämfidh auf die „erste Garnitur“.
Die geht bekanntfidh nur in die alfervOrnehmsten
Theater, niemalfe in den Zirkus, und selten in das
Variete. Es ist afeo leicht zu begreifen, warum
die erste Garnitur Dinge köstlidh findet, die män
wo anüers besser sieht und madht. Herr Max
Reinhardt ist kein Künstfer. Wer so wenig Gefühl
für Musik besitzt, daß er sofche Dinge spielen
fäßt, wie sie in den Kammerspielen geboten wur-
den, ist ohne Kunstsinn. Wer nichts von Lyrik
Versteht, begreift auch die ganze Literatur nicht.
Denn alle Kunst quillt aus dem Lyrischen. Und
Musik ist gesteigerte Lyrik. Nun kann iCh mir
sehr gut das Theater ohne jeden Kunstehrgeiz Vor-
stelfcn. Dann soll man aber um Gottes Willen
nidht mit Stif, Nuancen und Stimmung arbeiten
wolfcn, die auf Üem Gebiet der Kunst liegen. Nic'hts
wirkt gräßfidher als die SuChe und Sucht nach dem
Stif. Stil ist AusdruCk einer Persönlidhkeit.
Und Herr Max Reinhärdt, den wir alfc lieben, ist
keine Persönfidhkeit. Das muß man ihm recht klar
maChen. Und die „erste Garnitur“ mit einigen
Federn sdhüiüdken, die vergessen wurden, und' den
ganzen Theaterhüt so auf eine Stange stecken, Üaß
'die Passanten ihre ehrfürc’htige Verbeugung Ver-
gessen und der TheateiVogt nidht so schncH aber
geräusdhVoHer verschwindet, wie der König von
Portugaf. I T r u s t
Verantwortlich für die Schriftleitung:
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE
Wochen-Spiclplan der Berliner Theater
Oktober
Dienstag
11.
Mittwoch
12.
Donnerstag
13.
Freitag
14.
Sonnabend
15.
Sonntag
16.
Montag
17.
Theater mit gleichbleibendem
Spielplan:
Dentsclies Theater
Schumannstrasse 13 a
Judith
Sumurün
Don Carlos
Sumurftu
Die Räuber
Sumurftn
Faust
Berliner Theater
Charlottenstr. 93
Gastspiel Hansi Niese:
ab Sonnabend: Die töricht«
Jangfran
Kammerspiele
Schumannstrasse 14
Komödie der
Irrungen / Heirat
wider Willen
Gawan
Komödie der
Irrungen / Heirat
wider Willen
Der Arzt
am Scheidewege
Komödie der
Irrungen / Heirat
wider Willen
Gawän
Komödie d»r
Irrungen / Heirat
wider Willen
Modernes Theater npr
KOnlEgrfttzerstr. 57| 58 Der Moloch
Lessingtheater
Friedrich Karlufer 1
Wenn der junge
Wein blüht
W«nn der junge
Wein blüht
Wenn der junge
Wein blüht
Tantris der Narr
Wenn der junge
Wein blüht
Wenn der junge
Wein blüht
Wenn der junge
Wein blüht
Neues Theater
Schlffbauerdamm 4a|5
Absch.v.Reg./D. gew.Etwas
Freitag Premiere; DerStier
von Olivera.
Komische Oper
Friedrichstr. 104|104a
Premiere
Die Boheme
Hoffmanns
Krzählungen
Die Boheme
Der Arzt wider
Willen.
Die Boheme
Die Boheme
Zigeunerliebe
Residenztheater
Blumenstr. 9a
Noblesse oblige
Neues königliches
Operntheater
Königsplatz 7
Die Walküre
Boheme
Margarete
Bajazzi
Versiegelt
Lohengrin
Manon
Salome
Trianontheater
Pr. Friedr. Karlstr. 7
Pariser Witwen
Neues
Schauspielhaus
Nollendorfstrasse 11112
Qastspiel Trlesch
Premiere: Jung-
fran von Orleans
Ueber
unire Kraft I
Gastspiel Triesch
Jungfrau von
Orleans
Der Tartüff
Der Herr von
Pourceaugnac
Gastspiel Triesch
Jungfrau von
Orleans
Gastspiel Triesch
Jungfrau von
ürleans
Der Tartüff
Der Herr von
Pourceaugnac
Nenes
Operettentheater Der Graf von Luxemburg
Schiffbauerdamm 25
Kleines Theater
Unter den Linden 44
Die Zensur
Der Liebestrank
Die Zensur
Dei Liebestrank
Die verflixten
Frauenzimmer
Erster Klasse
Die verflixten
Frauenzimmer
Erster Klasse
Die Zensur
Der Liebestrank
Die verflixten
Frauenzimmer
Erster Klasse
Die Zensur
Der Liebestrank
Theater des
Westens
Kantstrasse 12
Die scbönste Frau
Königliches
Schauspielhaus
Gensdarmenmarkt
Pigaros Hochzeit
Bürgerlich und
romantisch
Die
Rabensteinerin
Der Schlagbaum
Premiere
Der Herr Hofrat
Der Herr Hofrat
Zopf und Schwert
Metropoltheater
Behrenstrasse 55|56
Hurrah — Wir leben noch!
264
moderner sei als S. Fischer. Womöglich noch auf
Kosten der ganzen gelbbroschierten Fischer-Litera-
tur! Wohin soll denn das dicke Buch vOn Bab
über Bernard Shavv noeb verschickt werden, wenn
Chesterton in Deutschland gelescn wird? Wo soll
das Oeschäft mit der Ibsenausgabe hinkommen?
wenn man einen Mann 1-iest, der (gemeinsam mit
einer jungen, absolut nicht dandyhaften Generation)
den Ibsen nicht mehr wichtig nehmen kann. Ganz
zu schweigen von den Dichtern der neuromantischen
Börsenwitze. Nun also, S. Fdscher Verlag ließ den
Chesterton, der so gefährllfch fürs Geschäft war,
einfach in seiner „Neuen Rundschau“, dieser
„Sozusagen“ — „Gewissermaßen“ — „Gfeichsam“-
Zeitschrift abschlachten. Der Berliner Oberlehrer
Samuel Saengner übernahm die Ritualien. Chester-
ton ist zwar ein Schriftsteller, der die ernsthäften
Kreise des Kathol'izismus aufs tiefste erregt hat,
dennoch öffnet der biedere Berfiner Sprachlehrer
ganz getnütliCh seine staubigen Freisinnskisten und
hol't ein paar Volksversammlungs-Bonbons heraus.
Das ganze Verfahren wäre natürfich lächerlich',
wenn es sich um ein Buch handefte, das bereits
erschienen ist. Die Sache nimmt aber sehr be-
denklfche Formen an, da die edle „Neue Rund-
schau“ auch Vor Öen Büchem Chestertons warnt,
die detn deutsdien Leser noch' gar nicht vörfiegen.
Uebef \Vurde das NiVeaxi einer solchen Kritik doch
erst dann, als sie cTer Vorankündigung eines neuen
Buches von Chesterton fofgte.
Der Fall liegt sehr ernst. Chesterton jst der
erste Schriftstelfcr der heutigen Zeit, der auch jene
ungeheuer große MaSse der glläubigen Kathbliken,
an denen die moderne Literatur bisher spurfos ab-
gfitt, in den Kreis seiner Intellektualität zog. Die
Diskussionen über Chesterton nahmen ihren Aus-
gang Von Erregungen, die aus ganz tief erwühlten
Empfindungen von Gfäubigen kamen — ganz an-
derer Art als die lächerlichen, berufsmäßig flachen
Schwätzereien eines sogenannten Modernismus. Ein
Mensch, Öer bei Gfäubigen und Ungläubigen gleich
stark an Grundinstinkte rührt, aflein durch den
InteHekt, wo gibts den sonst? Und da wagt es eine
Zeitschrift, die zu durchsichtigem Zweck seitenfang
über Öen Börsenwitz öden liäßt, einem dünkelhäften
Schuldiktator Chesterton zur Abschladhtung zu
übergeben. CorVinus
Die Miezerl Eschenbach im
Himmel
Zum achtzigsten Geburtstag der Ebner Eschen-
baCh wurde im Himmef eine Jause gegeben. Fritz
Mauthner schreibt darüber im „Zeitgeist“ so gfaub-
haft witzfos nüchtern, daß man den poesiereichen
Reporterberfcht über einen tatsächfichen Vorfall,
etwa den Eintritt des Herbstes, für erlbgen hälten
könnte. Wenn die B. Z. a. M. einen Preis vön
100 000 Mark für ein Wettfliegen stiften kann, wird
doch das Berliner Tageblatt in der Lage sein,
einen Berfchterstatter nach dein Himmef zu ent-
senden. Da aber der schfaue Feuilletonist die un-
mögfiche Reise mit der Jules Verneschen Railway
mächte, stellte sich für das Tageblatt die literarische
Sensation in Wirklichkeit sehr billig, das kultur-
fördernde Rekfamepreisausschreiben der B. Z. a. M.
hingegen wird mancher Aviatiker teuer bezahfen
miissen.
Lebt auch niCht jeder Sterbliche in Wien wie
im Himmel, so setzt er dodh wenigstens sein Tot-
sein im Himtnel wie in Wien fort. Der Petrus oder
Peterf, so heißt er nadh Mauthner, ist nur eine
grobe und ungebifdete Wiener Hausmeistergestalt,
die Engerlh waren eintnal Wiener Früchteln und
der fiebe Herrgott selber ist ein halber Wiener.
Der Peterl führt die greise Dichterin herein, aber
wejf es ihm nicht einleuchten will, daß ein noch
febendes Wesen als Gast im Himmel erscheinen
kann, gibt er seine „Dumm ... Dimm ... Dumm“-
Demission jafso.
Mozart, Sdhübert, Grillpärzer, Raimund und
andere Größen mächten der Gefeierten die Auf-
wartung, Beethoven hatte sidh entschufdigen lassen.
„Die Engefsbüben servierten einen himmlischen
Kaffee mit himmlischen Oberst; män trank und
aß Vieferlei Öazu; auch Apfelstrudel“. Mauthner
Sagt Oberst statt Obers, viefteidht weil der ver-
storbene Gatte der Didhterin, der sidh übrigens
— merkwürdig genug — zur Jäuse nicht einge-
funÖen hatte, Generaf War. Zu seiner Vertretung
fag wohl der „Oberst“ auf dem Kaffee.
Die Eschenbädh sollte „von der neuen Zeit,
dem' neuen Reidh, Von der neuen Kunst“ erzähfen.
„Aber in ihrer Befangenheit fief ihr nur ein, wäs
sie schon einmäf gesagt hätte: daß die Poesie zum
Kunsthändwerk geworden sei, daß bei den Hotten-
totten nidht einmaf Napoleon berühtnt sei, daß
jetzt überafl der Ruhm der kleinen
Leute Erfofg heiße.“ Als nun aber Goethe
aus den Wolkenkulissen heraustrat, dadhte die tief-
sinnige Hodharistokratin, „der schöne, alte Herr“
Wäre Gott selber. Er legte ihr die Hand auf die
Schüfter, blitzte sie aus dunklen Augen an und
sagte nur das eine Wort: „Bedeutend!“ Das
sagte er.
„Sphärengesang yon harmonisc'hem Donner-
geläute begleitet.“ Gottvater trat an die Gefeierte
heran, die, auf ein Knie niedergesunken, ein „Vater
unser“ ffüsterte. Doch der liehe Gott hob sie zu
sich eüipor und sagte: „T s c h a p e r f! M i e z e r 1!“
Daraufhin spradh' die Ebner fast sfawisch ein-
schmeichefnd: „Ich küß dir die Hand, lieber Gott;
es war alfcs gut und reidhlich. Aber eine Jause
und einen Apfelstnidel habe idh auch in Wien
gehabt. Wenn ioh darf, so möcht ich hält bitten,
AntWort auf drei Fragen.“
„Der fiebe Gott kraute sidh in dem schönen
hellbraunen Haar.“ Die Ebner will Von ihm wissen,
wozu er die Weft ersdhüf, wie er sie erschuf, und
ob er wirklfch Gott ist. Und Gott gibt auf dfe
Fragen Antworten, wie sie ihm Mauthner nidht
dümmer in den Mund fegen konnte. Er ersdhüf Üie
Weft zum „Zuschauen“, für sich, für sie und ihres-
gleichen.
„Und wie liast du die Welt gesdhäffen?“
„Was weiß fch denn. Idh ! bin doch kein Pro-
fessor. Eher so ein Künstfer, so ein Didhter wie
du. Sie ist entstanden von mir, aus mir, was
weiß ich?“ — Was weiß ich?!
So dichtet der phifosophisChe Feuilletonist dem
ewigen Gott blödeste Einfalt und den irdisdhesten
Geschmack an, er zerrt einen Himrnef auf das
höHisdhniedrige Niveau seiner Phantasie herab.
Um originei zu sein!
Ich hbffe, daß der junge Gott mit „dem schönen,
hellbraunen Haar“ seinen Gesdbmack noch Ver-
feinern wird. Mauthner hal'te ich zu alt üazu.
J. A.
Deutsches Theater über alles!
Verschiedenc Kritiker können sich' nicht fassen:
Max Reinhardt ist wieder in Berlin. Sie behaupten,
Üaß män nidht umhin könne, ihn zu fieben. Aber
es geht doch. Allmählich 1 wird die Langweile, die
Berfiner Theater erzielen, bedrüdkend. Schon die
Tatsache, hödhst unsympathischen Zeitgenossen und
Librettisten bei jeder Premiere begegnen zu müssen,
könnte midh veranfassen, das Theater zu meiden.
Also: Max Reinhardt, den wir alle lieben, ließ in
den Kammerspiefen zwei redht mäßige Lustspiele,
das eine vbn Molicre, das andere von Shakespeare,
aufführen. Die Direktion hatte weder Mühe noch
Kosten gescheut, aber lüstig wurde es nicht. Einige
Clbwnspäße wirkten besönders auf die üblidhen
Herren der Presse, nämfidh auf die „erste Garnitur“.
Die geht bekanntfidh nur in die alfervOrnehmsten
Theater, niemalfe in den Zirkus, und selten in das
Variete. Es ist afeo leicht zu begreifen, warum
die erste Garnitur Dinge köstlidh findet, die män
wo anüers besser sieht und madht. Herr Max
Reinhardt ist kein Künstfer. Wer so wenig Gefühl
für Musik besitzt, daß er sofche Dinge spielen
fäßt, wie sie in den Kammerspielen geboten wur-
den, ist ohne Kunstsinn. Wer nichts von Lyrik
Versteht, begreift auch die ganze Literatur nicht.
Denn alle Kunst quillt aus dem Lyrischen. Und
Musik ist gesteigerte Lyrik. Nun kann iCh mir
sehr gut das Theater ohne jeden Kunstehrgeiz Vor-
stelfcn. Dann soll man aber um Gottes Willen
nidht mit Stif, Nuancen und Stimmung arbeiten
wolfcn, die auf Üem Gebiet der Kunst liegen. Nic'hts
wirkt gräßfidher als die SuChe und Sucht nach dem
Stif. Stil ist AusdruCk einer Persönlidhkeit.
Und Herr Max Reinhärdt, den wir alfc lieben, ist
keine Persönfidhkeit. Das muß man ihm recht klar
maChen. Und die „erste Garnitur“ mit einigen
Federn sdhüiüdken, die vergessen wurden, und' den
ganzen Theaterhüt so auf eine Stange stecken, Üaß
'die Passanten ihre ehrfürc’htige Verbeugung Ver-
gessen und der TheateiVogt nidht so schncH aber
geräusdhVoHer verschwindet, wie der König von
Portugaf. I T r u s t
Verantwortlich für die Schriftleitung:
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE
Wochen-Spiclplan der Berliner Theater
Oktober
Dienstag
11.
Mittwoch
12.
Donnerstag
13.
Freitag
14.
Sonnabend
15.
Sonntag
16.
Montag
17.
Theater mit gleichbleibendem
Spielplan:
Dentsclies Theater
Schumannstrasse 13 a
Judith
Sumurün
Don Carlos
Sumurftu
Die Räuber
Sumurftn
Faust
Berliner Theater
Charlottenstr. 93
Gastspiel Hansi Niese:
ab Sonnabend: Die töricht«
Jangfran
Kammerspiele
Schumannstrasse 14
Komödie der
Irrungen / Heirat
wider Willen
Gawan
Komödie der
Irrungen / Heirat
wider Willen
Der Arzt
am Scheidewege
Komödie der
Irrungen / Heirat
wider Willen
Gawän
Komödie d»r
Irrungen / Heirat
wider Willen
Modernes Theater npr
KOnlEgrfttzerstr. 57| 58 Der Moloch
Lessingtheater
Friedrich Karlufer 1
Wenn der junge
Wein blüht
W«nn der junge
Wein blüht
Wenn der junge
Wein blüht
Tantris der Narr
Wenn der junge
Wein blüht
Wenn der junge
Wein blüht
Wenn der junge
Wein blüht
Neues Theater
Schlffbauerdamm 4a|5
Absch.v.Reg./D. gew.Etwas
Freitag Premiere; DerStier
von Olivera.
Komische Oper
Friedrichstr. 104|104a
Premiere
Die Boheme
Hoffmanns
Krzählungen
Die Boheme
Der Arzt wider
Willen.
Die Boheme
Die Boheme
Zigeunerliebe
Residenztheater
Blumenstr. 9a
Noblesse oblige
Neues königliches
Operntheater
Königsplatz 7
Die Walküre
Boheme
Margarete
Bajazzi
Versiegelt
Lohengrin
Manon
Salome
Trianontheater
Pr. Friedr. Karlstr. 7
Pariser Witwen
Neues
Schauspielhaus
Nollendorfstrasse 11112
Qastspiel Trlesch
Premiere: Jung-
fran von Orleans
Ueber
unire Kraft I
Gastspiel Triesch
Jungfrau von
Orleans
Der Tartüff
Der Herr von
Pourceaugnac
Gastspiel Triesch
Jungfrau von
Orleans
Gastspiel Triesch
Jungfrau von
ürleans
Der Tartüff
Der Herr von
Pourceaugnac
Nenes
Operettentheater Der Graf von Luxemburg
Schiffbauerdamm 25
Kleines Theater
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Die Zensur
Der Liebestrank
Die Zensur
Dei Liebestrank
Die verflixten
Frauenzimmer
Erster Klasse
Die verflixten
Frauenzimmer
Erster Klasse
Die Zensur
Der Liebestrank
Die verflixten
Frauenzimmer
Erster Klasse
Die Zensur
Der Liebestrank
Theater des
Westens
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Königliches
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