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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911

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Nr. 27 (September 1910)
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Mayer, Hans: Die Bildungsphilister
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Loos, Adolf: Tristan in Wien
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Adler, Joseph: Wolfgang Erich und Wolfgang Amade
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Beachtenswerte Bücher und Tonwerke
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https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0220

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Aber Ihr erhabener Begriff Von Philosophie
kann es billiger nicht machen.

„Qott schauen ist das Ziel der Phiiosophen, sofern
ihm sein Amt ein königiiches ist und nicht Klein-
krämerei in allen möglichen Spezialitäten.“

Wenn anders diese Worte einen Gedanken aus-
drücken sollen: wird die Philosophie zu einen-
runden, metaphysischen Problem beschnitten und
alle Untersuchungen, die nicht unmittelbar das Ver-
hältnis zu Gott analysieren, werden als „Kleinkrä-
merei in allen möglichen Spezialitäten“ rubriziert.
Und die armseligen Spezialitäten belächelnd, ruft
Arthur Brausewetter seinen königlichen Geist und
schwebt mit steilem Ruck aufw.ärts zur Höhe: nur
gelassenen Mundes aus den gerafften Rockschößen
diesen Satz noCh fallen lassend:

„Eine Philosophie Von Eigenart bleibt stets eine
Kundgebung ersten Ranges und schliesst in sich das
Wissenschaftliche und künstlerische Gebiet zusammen.“

Die Vollendete Unbestreiitbarkeit seiner Meinun-
gen erregt micK nicht minder wie ihr ehrwürdiges)
Alter. (Kleine Entgleisüngen wie die obenbenannte
sind weit weniger interessant.) Diese brutale Rück-
sichtslosigkeit, Selbstverständliches mit einerGeste
hinzuschleudern, als sei aus dem dumpfen Kreis
der Träume eine neue Heilswahrheit gehoben —
diese Energie der LungenverscKwendung entwaffnet
mich eigentlich. Wer es| sich bei dieser Gott sei Dank
wieder auftauChenden Temperatur zutraut, eine ge-
wisse Beschleunigung seines Blutumlaufs aufs Spiel
zu setzen, lese den Aufsatz selbst zii Ende. Mir bleibt
nur noch übrig, ein paar Worte allgemeinerer Natur
hinzuzufügen.

Ein Journalartikel muß nicht um jeden Preis
die Welt revolutionieren wollen. Neue Wahrheiten
sind zum Kaffee nicht einrnal erwünsCht. Ich würde
nie eine Zeitung anrühren, wenn so ernsthafte Dinge
drohen. Wenn aber ein Kopf absölüt unfähig ist,
längst Allgemeingut gewordenen Gedanken irgend
eine persönliche Form zu geben, sie irgendwie
zum Thema in eine unerwartete Beziehung zu Setzen:
so soll er seine Verallgemeinerungen für erbau-
liche Tischreden aufsparen und sie ängstlich dem
Druck entziehen. Dann ist mir schon eine anspruchs-
lose sachliche Darstellung des Inhalts sympatischer
ak diese orphischen Töne, in die eine alte Blech-
flöte widerlich hineinquietScht. Und alles überstrahlt
von dem aufdringlichen Gefühl einer persönlichen
Bedeutsamkeit, daß man sChreckensvoll sich das
Wagnis überl'egt, den Koloß vorsichtig mit einer
dünnen Nadel zu berühren: aus FurCht in über-
stürzenden Wasserströmen gänzliCh zu ersaufen.

H a n s ! M a y e r

Tristan in Wien

Tristan wurde neu ausgestattet. Professor Roller
mit den Arbeiten betraut. Der Vorhang ging auf.
Aber ich hörte nicht die Stimme des jungen See-
manns. Meine Augen waren zu sehr beschäftigt.
Was ist denn das für ein Schiff? Schief durch-
schnitten. Längsschnitt oder Querschnitt? DieMil 1-

denburg ist gut bei Stimme. QUersChnitt oder
Längsschnitt? Na, wir werdens ja gleich sehen.
Der Vorhang wird bal !d aufgehen. Luft, Luft.
Endlich. Es ist der Querschnitt! Gott sei
Dank! Länger hätte iCh’s' nicht mehr aus-
gehälten. Aber was ist denn das? Tristan
segelt und steuert zugleich. Das hat Roller sicher
am Attersee gesehen. Befehfen ließ dem Eigen-
holde! Oder am Gmundner See. Gmunden. Dort
ist Altenberg. Ob er wohl bald nach Wien kommt?
Wie lenk’ ich sicher den Kahn? Das ist ja Schme-
des. Warum nicht Winkehnann? Winkelmann
wird sich ärgern. Aber schließlich, was geht’s mich

an. Hei, unser Held Tristan. Brangäne

zieht den Vorhang wieder zu. Sie hat ein hübsdheS
Kostüm an. Das würde meiner Frau sicher gut
stehen. Bei einem Künstlerfest oder so was. Wie
lenkt er sicher den Kahn . . . Das hat die Milden-
burg von der Kfaus-Fränkel aus Prag. Jetzt kommt
bald der Liebestrank. Wo er wohl steht? Zu viele
Kassetten stehen hier herum. Gut arrangiert. Der
Teppich ist von der Prag-Rudniker. Habe ich auch
schon verwendet. Für Vorzimmer. Die vielen Pol-
ster machen sich auch gut. Sandor Jaray kann’s
nicht besser machen. ICh sah ihm in die Augen.
Der wird sicti ärgern, daß ihm Roller die Idee
vorwegggenommen hät: „Damenboudoir im nor-
mannischen Stif!“ Aber welche Kassette enthält den
Liebestrank? Ahü, al'so die! Hab’ mir’s gleich ge-
dacht. Aber wozu ist denn die andere da? . . .

Am Schlusse des Aktes wurde meine Neugier
befriedigt. Die Frauen gingen auf die bewußte
Kassette foß, öffneten sie — die Kroneü Sehr
gut. Darauf wäre ich nicht gekommen.

Der Vorhang fief. Man applaudierte. Und.plötz-
lich fuhr ich auf. Also so, so hast dü den Tristan
angehört. Ich begann mich zu schämen.

Ich lief hinaus. Nein, so darf man nicht im
Tristan sitzen. Ichl ging nach Hause.

Man hatte mir etwas Heifiges genommen.

AdoffLoosl

Wolfgang Erich und
Wolfgang Amade

„Ein Musikfest von sofch überlebens-
großer Bedeutung wie das diesjährige hat in
Salzburg noch' niemafs 1 stattgefunden.“ Wenn das
Ludwig Karpath im Feuifleton sägt, so w.ird die Be-
stätigung dafür unter den Tagesberichten zu finden
sein. Hier gibt sich das Echo für den Ausruf aus.
Die überfebensgroße Ausdehnung des Miusik-
festes kann man nicht in dem begrenzten Rahmen
der öffentlichen Darbietungen SUchen, weif doch
gerade „die heiße Liebe zu dem Gfück spendenden
Genius des Unsterblichen u n s das kritische Schwert
in die Hand nötigt.“ Uns !! Wozu aber der'Von einem
sterblichen Musikreferenten angefochtene Genius
eines Unsterblichen nicht lebendig genug war, dazu
feuchtete der tote Glanz p u n k t des' Festes hin;
ein Rout beim Erzherzog Eugen. Gefegentlich eines
längeren Gespräches mit Karpath zeigte sich der

„überaus kunstsinnige und populäre Prinz aus dem
kaiserlichen Hause“ als ein ausgezeichneter Kenner
der gesamten Wagnerliteratur, also auch der
Briefe Wagners an eine Schneiderin, die bekannt-
fich Karpath herauSgegeben hat. — DoCh auch
einem improvisierten Konzert, weil er nicht genug
offiziellen beiwohnen mußte, konnte der Erzherzog
nicht entraten. Ein Besuch, den er einer Dame
im Hotef Oesterreichischer Hof abstattete, sollte
ihm zum Verhängnis werden. Im Vestibüf des Ho-
telS wurde er auf den Musikreferenten der Neuen
Freien Presse aufmerksam gemaCht. Der erwartete
.mit seinem Söhnchen Erich Woffgang eine illustre
Geseflschäft, welcher er vorspielen sollte. DerErz-
herzog, der von dem Knaben s 1 C h o n v i e I g e h ö r t
h' a 11 e, wünschte nun d r i n g e n d, dem Konzerte
beizuwohnen. Die Gesellschaft, in der sich wie
überall „vor allem“ der Franzose Paul Dukas be-
fand, begab Sich 1 in den Musiksafon, aber der Kleine
konnte da nicht spielen, weil das Klavier schlecht
war. Zum Gfück wohnte das Ehepaar Beschetitpky
im Hotef, und dieses stellte Wolfgang Erich einen
h'errliChen Bösendorfer zur Verfügung. Nur dem
Konzert beiwohnen wbllten die beiden nicht. Sie
versuChten, sich diskret zurückzuziehn, aber der
Erzhierzog nötigte sie zu bfeiben. Dann erst ließ
er sichi Von dem kleinen Korngold eine ganze Reihe
von Musikstücken vorspielen. Er äußerte seinem
Vater gegenüber, daß er überaUs erstaunt sei —
und sich freue, daß Oesterreich wieder ein Talent
hervorgebracht habe.

Mozart muß sich damit begnügen, ein Kind
Safzburgs genannt zu werden, aber der kleine Korn-
gofd ist ein Talent, das Oesterreidh hervorgebracht
hät. Wenn ihn nur nicht am Ende Ungarn für sich
rekfamiert.

Und Pauf Dukas, genannt der französische
Richard Strauß, war ganz entzückt von den Vor-
trägen des 1 Knaben, er nannte ihü, dem erzherzog-
fichen ein königlicheS zur Seite stellend, ein großes
Wunder.

Weif wir nicht Schon an einem deutschen
R.ichard Strauß genug haben, wird unS noch ein
französischer in Aussicht gestellt.

Wer u aber daS Genie Woffgang Amades in
dem Tafent Wolfgang Erichs seine Auferstehung
nicht erleben sollte, so wird das gewiß nicht ver-
wunderficher sein, als die Möglichkeit, daß ein
französischer Richard Strauß aus Galizien stammen
kanri. J. A.

Beachtenswerte Bücher und Tonwerke

Ausführllche Besprechunä vorbehalten
Rücksendung findet in ketnem Fall statt

G. EINBECK

Die Somali / Originalsteinzeichnungen
Verlag Maximilian Macht Berlin

ALFRED DÖBLIN
Lydia und Mäxchen

Verlag Josef Singer Strassburg i. E.

Verantwortlich für die Schriftleitung:
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE


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Wohlgeschmack machen dieses Mundwasser schon nach kurzem Ge-
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