Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste (1.1910-1911)

Umfang acht Selten

Einzelbezug: 10 Pfennig

WOCHENSCHRIFT FÜR KULTUR UND DIE KÜNSTE

JAHRQANO 1910 BERLIN /DONNERSTAQ DEN 22. SEPTEMBER 1910/WIEN NUMMER 30

INHALT: R. LAUDON: Ehrlich-Hata 606 / RICHARD DEHMEL: Das Rätsel des Schönen / ROBERT SCHEU: Das Duell / THADDÄUS RITTNER: UndiPippa tanzt /
ELSE LASKER-SCHÜLER: Marie Böhm / J. A.: Richard Voss in Montenegro / TRUST: Theater und Kunst

Ehrlich'Hata 606

Von R. Laudon

Kurpfuscherprozessen können Zeitungen nie ge-
aug Spalten widmen, Detailsl aus I rrenanstalten,
hldmig und verquatscht wie etwa Heyermans Be-
tidhten für das B. T., figurieren unter den Journal 1-
spannungen ersten Ranges. Jetzt versdiwand der
Lehmpastor Felke, Ehrlich-Hata ist eingezogen.
Sdhweigt andachtsvoll! Man raubt Berichte aus inedi-

zinischen Fachschriften, ehe sie noch dort veröffent-
-licht isind, man interviewt Aerzte, wie sonst Mi-
nister und Publikumsautoren, man reißt die Türen
der Klinikenj und Krankenhäulster auf, — und sChauert
vergnügt. UmsChreibungen finden sich in Fiille:
„Kul’turtat“, „Sieg jder deutschen Wissenschaft“;
zu deutsCh: „Sensation, Sensation!“ Es ist ganz
das Niveau des änatomischen Kabinetts auf den
Jahrmärkten. Kinder, haltet doch endlich das Maul.

Ejs: klingt sChon scheußlidi, wenn Reklame-
helden ihr betrügerisChes Handwerk üben, indem

sie mit „606“ beginnen und mit einem HaarwuChs-
mittel fortfahren; Straßendirnen Berlinsj können Sie
belehren, daß durch Einführung von Aminogruppen
die Arsanikäure erst tintensive Heilwirkung erlange.
Man rede inicht darüber, daß die Medizin kathö-
lisChen Manieren |über das Maß hinaus huldige,
und siCh ein unnahbares Mysterium und Priestertum
zureCht maChe; män werfe ihr nicht eine chinesische
Mauer vor. Wenn andersl Vertrauen und Hoffnungs-
glläubigkeit für den Kranken lebenSlwichtige Djnge
bedeuten, so brandmarke man vielmehr die van-

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