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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911

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Nr. 36 (November 1910)
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Döblin, Alfred: Berliner Theater
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Berliner Theater
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Notizen / Beachtenswerte Bücher und Tonwerke / Wochen-Spielplan der Berliner Theater
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https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0294

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gen. Da nädistes Jahr sich' ein höchst politisches
Ringen ereignen wird mit dem scharfen Junker als
heißen (oder kalten) Favoriten, so hindert nichts
mein Assoziationsvermögen, in Oeorg Engels Schau-
spiel * 1 ein politisch Spiel zu erwarten. Das Stück
ist nicht ernst zu nehmen. Das soll kein Vorwurf
sein. Es äußert nur Dinge, die man selbst im
Theater al's unreif bezeichnen muß. Es ist aües
verteufelt aus Zeitungen abgesChrieben; man denke
siCh: Agitationsphrasen al's Gedankenhintergrund!
Ein Kberaler Phrasenheld wirtsChaftet sein Qut zu-
grunde; das tun PhrasenheHen allemal, von jeder
Partei; ist mir nichts Neues. Wozu aber fiberal?
Daß Liberafismus zum Schlappschwanz disponiert,
ist auch kein poetisches Appercü, historisch' wahr.
Aber, Verehrtester, mit Miflionen MensChen steht
l'inks gegen rechts, völlig sans phrase. Und der
verbfiChene Nepomuk soll Sie in konzentrierter
Säurelösung holen, wenn Sie uns in heuriger Kriegs-
zeit mit JunkerverherrliChung komlnen. Der Herr-
schützt ihre Fadheit; denn Sie wissen nicht, Iwas
Sie tun. Mögen Sie in Zukunft poKtisChe Gelüste
vor einem Parterre staatfich vereidigter Kloaken-
reiniger befriedigen.

Im übrigen wird das Stück keinen Schaden an-
ric'hten; es ist ohne Ueberzeugung, zum Tei-f sehr
dumm, meist unterhältend und doCh immer leblos.
Es beginnt afe kräftiges MännerstüCk mit der Ver-
steigerung des durCh fiberale Weltverquatsc'hüng
verfotterten Gutes und endet —: ja, ich weiß wirk-
lich nicht. Es ging tatsächlich nicht weiter. Er-
siChtfich ist das Problem des Autors, wie schwierig
eine Exmission werden kann; ein Problem für Ge-
richtsvollzieher. Der verschuldete Mann traut sich
nicht die Famifie aufzuklären, nachher erkrankt die
Frau, die Tochter brennt durCh, schließlich heiratet
der neue Herr die Durchbrennerin; das braucht
natürfiCh alles Zeit und Akte.

Ihr Pl'an, Herr Georg Engel, könnte etwa sein,
wie eine alteingesessene Familie, mehr weniger
degeneriert, symptomatisch auch mit anderen
Phrasen kokettierend, aus dem Sattef gehoben wird,
und Sie könnten den Moment mafen, wo etwa das
Verhängnis hereinbriCht. Sie könnten dabei noCh
immer|in Ruhe KladderadatsCh und Witze anbringen,
sovief Sie wollen, müßten nur etwas Milieu und
Menschen geben. Sie brauchen sich nicht sehr zu
bemühen; Fontane hat Ihnen vorgearbeitet; das
Mifieu eines platten Landes haben Sie „prächtig“
gestaltet in Halbes, des Entschlafenen, „Mutter
Erde“; unendliCh viel werden Sie bei Hauptmann
finden. SChreiben Sie nur ruhig ab, man erwartet
nicht vief von Ihnen; und ein abgeschriebener
Hauptmann ist mir noCh fieber als ein autochthoner
Georg Engef. Sie entsChlossen sich zu sich, Gott
und Nietzsche verzeihs Ihnen. Sie steflten mit
dilettantisCher Frische zwei, drei dramaturgische
Prinzipien unter zwei, drei MensChennamen, ein
Gerede hub an, afles bekam ein Wort, wenn auch
keine Seefe, und nun ist’s gut. Einer ist sc’harf,
ein anderer schusselig, daher liberal, ein dritter —.
Lieber Sohn, fieber Sohn! So etwas von infinite-
simafer Dumlmheit wie Ihre Heldin Pensionsgans
gibt’s in ganz Hinterpommern nicht; obwohl' weib-
liChe Dummheit nie zu unterschätzen ist. Wenn

Ihr Hefd nicht saftigen Simplizissimusjargon mimt,
trocknet der Diafog ein, daß iCh einen Ffeufieber-
anfall bekomme. Aber in summa reichts für ein
Theaterstück. Die sehr feicht zu machende Auk-
tionsszene des ersten Aktes haben Sie nicht Ver-
hauen, sie zog vorzügfiCh; es gab idyllische Szenen,
saftige WitzChen, saCharinsüße Liebesszenen. Sie
konnten es nicht verfehfen, daß man sich unterhielt
und hier und da gähnte.

Herr Cfewing hielt das StüCk; er hat ieinen
gewissen Rittnerton, mit dem er gut über Ueblles aus
dem Stück forthal'f. Ich' weißi nicht, ob er viel
kann, aber er versteht sic'h auf Reißerwirkungen,
wie es scheint: Linie Ferdinand Bonn. Die meisten
anderen Spiefer konnten nicht viel zeigen; jämmer-
fiCh waren sie anzusehen — so Fräulein Tyra
Witt —, wie sie siCh um die Befanglosigkeiten Ihres
Diafoges, vergeblich, bemühten. Ich sagte schon
hundert Maf, meine Damen und Herren Schau-
spiefer: Der Tod der SChauspielerei ist der „Dich-
ter“; erwürgen Sie die Dichter, emanzipieren Sie
sich von der Literatur. Lernen Sie von den Im-
provisationen des heutigen und aften Japans. Sie
helfen damit siCh, auch uns, und zumeist der
Literatur.

A f f r e d D ö b 1 i n

Notizen

Trianon =Theater

Die Herren de Ffers und Caillavet haben eine
neue nette Posse „Der heilige Hain“ gesChrieben.
Abgesehen von einigen unangenehm störenden
Sentimentafitäten des ersten Aktes war dieser The-
aterabend der unterhaftendste, den die Berliner
Bühnen bisher in diesem Winter boten. Eine Be-
sprechung des Stückes erübrigt sich in dieser Zeit-
sChrift. Wohf aber ist nach meiner AuffassUng
von der SChauspielkunst über die Darstellung einiges
zu sagen. Jakob Tiedtke (früher am DeutsChen
Theater) überragte afle. Es ist wiederholt von mir
auf ihn hingewiesen worden, er ist eine Persönlich-
keit, die aus einer künstferischen Fülle schäfft, aus
Possenfiguren Menschen gestalten kann. Zu den
wenigen sChauspieferischen Tafenten rechne ich
Karf Meinhard, Julie Serda und Else BöttiCher. Sie
spiefen Theater und beleben den SChauplatz, wirken
also mit den Mitteln ihres Berufs.

Der ernste Ulk

Herr Fritz Engef hat, was niCht verwunderlich
ist, die Gfosse in Nummer 34 dieser WoChensChrift
vöflig mißverstanden und versuCht, sich in einer
seiner witzfosen Briefkastenantworten zu wehren.
Er gibt uns den guten Rat, mehr Schifler zu lesen.
Wenn wir auCh die schfechten Gedichte dieses toten
Schriftsteflers, der für die deutsche Schuljugend
nicht ohne Bedeutung ist, nicht zur tägfichen
Lektüre benutzen, wie es Herr Engef angeblich tut,
so besitzen wir dodh sovief Pietät, seine rhetori-
sChen Erzeugnisse nicht zur Reklame für Buchaus-
gaben von Zeitungsromanen parodistisCh zu ver-

wenden. Wie Herr Engel', der SChillerianer. D a r i n
fiegt der Vorwurf, „Herr Kollege“. Etwas mehr
NoblCsse für Ihre Götter, alter Freund!

Der ulkige Ernst

ICh bin mit Ihnen versöhnt, Herr Engel'. Sie
finden diese Perserkiste von Ludwig Fulda (im
DeutsChen Theater) bedeutend! Feuilletonisten
haben das ReCht, sich gegenseitig zu verherrfich'en,
idh nicht die Pfficht, solche Scherze zu „besprechen“.
SChlimm genug, daß man sie anhören muß. Aber
die Freundschaft darf niCht so weit gehen, einen
Durchfall als glänzenden Erfolg zu chärakterisieren.
Zweimaf versuchte der „Kollege“ Fufda sChüch-
tem, sich dem PubKkum zu zeigen, hundertfach
schrie man ihm den Nümen „Bassermann“ entgegen.
Das nennt Herr Engef einen Sieg des Autors. Harry
Walden brüllte aus Leibeskräften und kopierte recht
originell im letzten Akt Bassermann. Felix Hollaen-
der afs Regisseur hielt sich mit knapper Not auf
dem Niveau des Dramas. Man möClite wissen, wie
dieser nationalÖkonomisCh sicher sehr bewanderte
— sagen wir: Dramaturg eine Tilla Durieux, eine
Ludie HöfKch und gar Albert Bassermann künst-
lerisCh „leitet“.

Iindessen wird der arme alte Sophokles im
Zirkus BusCh von den Herren Professor M. Rein-
hardt und v. Hofmannsthäf zugeritten. Bleibt zu
plazieren: Goethe im Kientopp.

Trust

Beachtenswerte Bücher und Tonwerke

Ausftihrliche Besprechung 1 vorbehalten

Rücksendung findet in keinera Fall statt

ALBERT DREYFUS
Wallfahrten / Oedichte

Verlag Österheld & Co. Berlin

DAS NIBELUNGENLIED
Altdeutsch und übertragen von Karl Simrock /
Zwei Bände

TempelVerlag Leipzig

ORUNOWS GRAMMATISCHES NACH-
SCHLAGEBUCH

Den Herren Journalisten dringend empfohlen!
Verlag Friedrich Wilhelm Grunow Leipzig

KARL KRAUS
Sprüche und Widersprüche
Verlag Albert Langen München

RICHARD DEHMEL
Gesammelte Werke
Verlag S. Fischer Berlin

PETER HILLE

Ausgewählte Werke

Verlag Schuster & Loeffler Berlin

Verantwortlich fiir die Schriftleitung:

HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE

Verantwortlich für die Schriftleitung in Oesterreich - Ungarn:

I. V.: Oskar Kokoschka

Wochen-Spielplan der Berliner Theater

November

Dienstag

1.

Mittwoch

2.

Donnerstag

3.

Freitag

4.

Sonnabend

5.

Sonntag

6.

Montag

7.

Theater mit gleiclibleibendem
Spielplan:

Deutsches Theater

Schumannstrasse 13 a

Herr7und Diener

Ein Sommer-
nachstraum

Herr und Diener

Don Carlos

Herr und Diener

Herr und Diener

Der

Widerspenstigen

Zähmung

Kleines Theater Die verflixten Frauen-
Unter den Linden 44 zimmer / Erster Klasse

Kammerspiele

Schumannstrasse 14

Komödie der
Irrungen / Heirat
wider Willen

Der Arzt
am Scheidewege

Komödie der
Irrungen / Heirat
wider Willeu

Premiere

Scherzo

TänzeWiesenthal

Komödie der

irrungen 1 Heirat
wider Willen

Komödie der

Irrungen / Heirat
wider Willen

Scherzo

TänzeWiesenthal

Modernes Theater ab rSonnabend:

Kön,ggrätzerstr.57|58 Der Doppelmengch

Lessingtheater

Friedrich Karlufer 1

Einsame

Menschen

Wenn der junge
Wein bliiht

Tantris der Narr

Die Wildente

Wenn der junge
Wein bliiht

Wenn der junge
Wein bltiht

Der Bund
der Jugend

Theater Schauspieler des Kaisers
Scbiffbauer hdamm4a|5 Abschied vom Regiment
ab Donnerstag: Kean

Komische Oper
Friedrichstr. 104|104a

Die Boheme

Hoffmanns

Erzählungen

Die Boheme

Zigeunerliebe

Die Boheme

Die Boheme

Tiefland

f,Z drr“ r SÄ Herr
Btumenstr. 9a von Nr. 19

Neues königliches
Operntheater

Königsplatz 7

Regiments-
tochter / Die
Puppenfee

Das Rheingold

Boheme

Der Liebestrank

Die Walküre

Mignon

Siegfried

Trianontheater Der heilige Hain

Pr. Friedr. Karlstr. 7

Neues

Schauspielhaus

Nollendorfstrasse 11112

Gastspiel Triesch
Jungfrau von
Orleans

Ueber unsere
Kraft

Weh’ dem, der
lügt

Gastspiel Triesch
Jungfrau von
Orleans

Sternenhochzeit

Sternenhochzeit

Ueber unsere
Kraft

Neues

Oper ettentheater Der Graf von Luxemburg
Schiff Bauerdamm 25

Berliner Theater

Charlottenstr. 93

Der scharfe
Junker

Die törichte
Jnngfrau

Der scharfe
Junker

Taifun

Die törichte
Jungfrau

Der scharfe
Junker

Der scharfe
Junker

Theater des

VVestens Die schönste Frau

Kantstrasse 12

Königliches

Schauspielhaus

Gensdarmenntarkt

Götz

von Berlichingen

Der Krampus

Der eingebildete
Kranke

Der Krampus

Julius Caesar

Der Familientagj Der Krampus

— Wir leben noch!

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