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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911

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Nr. 16 (Juni 1910)
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Bang, Herman: Väter essen Herlinge
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Transleithanisches
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Josef Kohler
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Beachtenswerte Bücher und Tonwerke
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https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0132

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stör Nach meiner Ansicht hat diese Ungleich-
irtig! it den seltsamen Eindruck hervorgerufen,
der c'en Leser zeitweilig beherrscht: daß das große
Reliei ''.usammengeschweißt ist . . . .

Dr^noch: das Relief ist mächtig.

Es stellt mit monumentaler Wirkung seinen
einen Qegenstand dar.

Aber eben seine Anlage verhindert natur-
gemäß, daß wir rings um die Gestalten herum-
kommen. Wir sehen — mit wenigen Ausnahmen —
alle diese Menschen nur von einer Seite und in
einer Stellung. Wir erfassen sie nicht in jener Zu-
sammengesetztheit, die den ganzen Menschen
ergibt.

Es ließe sich eine vollkommenere Roman-
schilderung denken (und sie ist auch geschaffen
worden), wo die „vorherrschende Eigenschaft“
nicht so gänziich alle anderen Eigenschaften in den
Schatten stellte und die trotzdem vorhanden sind,
obgleich sie zurücktreten ....

Aber wie das Buch ist, so hat es Gustav Wied
gewollt, oder „gemußt“ .... und schließlich und
endlich ist vielleicht grade seine Begrenzung die
Quelle seiner Kraft.

Denn in einer Literatur, deren Merkmal solange
die Weichheit war, ist der große Eindruck dieses
Buches der Eindruck der Stärke.

Wie in einigen unserer letzten Bücher.

Sollte die künstlerische Stärke dieser neuen
Literatur wirklich bedeuten, daß unsere Dichter
unserem Volk vorangehen und das entfalten, endlich
entfalten, was wir am allernötigsten haben: Kraft?

Wie innig wäre das zu wünschen, wie gut wäre
es, das glauben zu dürfen.

Welches Gliick fiir die, die die Zeit des Nieder-
gangs schildern mußten und in der Kunst und im
L e b e n Zeiten des Aufstiegs und der Stärke er-
leben, bevor ihre müden Gedanken erlöschen.

Aber die Hoffnung ist eitel, und man ist so oft
enttäuscht worden.

Und doch — die Enttäuschung gebärt die

Hoffnung.

Transleittaanisches

Die ungarischen Parlamentswahlen, die im
Schatten der blinkenden Bajonette der halben öster-
reichischen Truppenmacht ausgekämpft werden,
haben ein gar großes Opfer gefordert. Koloman
Mikspath.

Der Budapester Korrespondent des Neuen
Wiener Tagblattes erklärt mit Bestimmtheit, daß
Mikspath ein Opfer der Politik sei. Der Herz-
Krampf, dem er erlag, war die unmittelbare Folge
der Aufregungen, welchen er sich während der
Reden in jener Stadt hingeben mußte, für die er
als Kandidat der nationalen Arbeitspartei auftrat.
„Nach zwölf Uhr griff der Kranke an seine Brust,
stöhnte laut auf, und nach wenigen Minuten
hauchte der große Schriftsteller seine Seele aus.“
3o ergreifend poetisch schildert der besagte Kor-
respondent den Tod des Meisters der Short story.
„In dieser Form, die im modernen Feuille-
ton gedeiht, nicht in der weitschichtigen Kom-
position einer vielgegliederten Romanhandlung,

lag seine Kraft. Seine Landsleute rühmten den
poetischen Adel seiner Sprache. die Originalität
seiner volkstümlichen Gestalten, den Frelmut sei-
nes über alle politischen Parteiungen sich erheben-
den Witzes. Den deutschen Leser aber zog der
frische Erdgeruch seiner Lokalschilderungen, die
drollige Heiterkeit seiner Fabeln und die künstle-
rische Knappheit seiner Erzählungen an. Lächelt
man schon über dieses dumme Lob, so zwingt die
Behauptung, daß aus Mikspath ein grundge-
scheiter Mensch zu uns sprach, zu hellem Lachen.

In seiner politischen Tätigkeit war er regie-
rungstreu reaktionär, seine Schriften aber würzte
er mit einem über alle politischen Parteiungen sich
erhebenden Witz.

Karl Eötvös, auch eine Größe der ungarischen
Operettenliteratur, dem verzückten Korrespon-
denten auf die Fersen tretend, sagt hingegen, daß
der vollen Entfaltung des Mikspathschen Talentes
das politische Milieu einigermaßen Abbruch getan
hat. Aber trotzdem war Mikspath einer der ersten,
der hervorragendsten Schriftsteller. — Hören wir
den Unsinn selbst: „Obwohl in einem slowakischen
Milieu aufgewachsen, dessen Eindruck in den
ersten, zugleich den besten seiner Werke stark
fiihlbar ist, wollte es sein guter Genius, daß er in
verhältnismäßig noch jungen Jahren nach Szegedin,
dieser kernungarischen Stadt, zu längerem Auf-
enthalte kam. Hier empfing er die seinem Talent
so wohltätigen Eindrücke des ungarischen Genius.“
Anscheinend werden in Ungarn die Dichter von
diversen Genien förmiich zerrissen.

Doch weiter: „Seine Verehrer hatten recht,
ihn unter die Ersten zu erheben, doch unrecht, ihn
in den letzten Jahren über Jokai stellen zu wollen,
derinder ganzenWelt nicht seines-
gleichen hat. Mikspaths Humor, der stark
von Sentimentalität durchsetzt ist, ähnelt jenem
Dickens, seine schriftstellerische Eigenart erinnert
jedoch am lebhaftesten an Tschechow.“ Und
schließlich: „Hätte ihn das Schicksal dauernd in
der Nähe der wahrhaft Großen unserer Nation
weilen Iassen, so würde sein schriftstellerischer
Ruhm ein weit größerer sein.“ Wer sind die wahr-
haft Großen dieser Nation? Wahrhaft und em-
pörend groß ist augenblicklich in ihrem Lande die
Zahl der Leichen, über die hinweg eine absolu-
tistische Regierung ihre biutbesudelten Tiophäen
an sich reißt und deren Verworfenheit sich über die
Tatsache, daß sie Mikspath als ihren Toten be-
trachtet hat, und ihn auf Staatskosten beerdigen
ließ, keinen Augenblick vergessen läßt. —

Aber weshalb wollte Mikspath von der leidi-
gen Politik nicht lassen? Tat sie doch der vollen
Entfaltung seines Talentes Abbruch und kostete
ihm sogar das Leben. Wir werden uns mit der Ge-
wißheit trösten müssen, daß die ungarische Lite-
ratur noch einen Jokai, der doch in der ganzen
Welt nicht seinesgleichen hat, und auch noch einen
Franz Molnar und den Taifundichter Melchior
L.engyel besitzt. Es trifft sich so schön, ihn hier
zu zitieren. Es sind die tiefsinnigen Schlußworte
seines Dramas, die der philosophische Kobayashi
spricht.

„Der Tod ist nicht gräßlich. Wer geboren
wird, muß sterben. Wir alle müssen sterben. Das
ist schon so — und gar nicht wichtig. —“

Josef Kohler 0

Das literarische perpetuum mobile. Auch kein
Liebling der Musen.

Ja, wir alle müssen sterben. Daran glaubt
auch jeder. Zweifeln aber muß man, ob in Ungarn,
diesem Lande des dünkelhaften, kritiklosen und
blödesten Chauvinismus, ein Mensch, und nennt
er sich selbst Eötvös, Flaubert kennt. Den Kriti-
ker Flaubert und diese seine Worte kcnnt: „Welche
Sicherheit! Welches Voreingenommensein. Wel-
che Unredlichkeit, Beleidigungen gegen Kunst-
werke, Ehrerbietungen vor Plattheiten — und die
Eseleien jener, die für bedeutend gelten und die
Dummheit dieser, die man als geistreich hinstellt.“
Und das sagte Flaubert über eine Literatur,
die hoch über der ungarischen steht. Weh ihr,
hätte er über sie geurteilt. J. A.

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