Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911

DOI Heft:
Nr. 50 (Februar 1911)
DOI Artikel:
Adler, Joseph: Arbeit der Presse
DOI Artikel:
Beachtenswerte Bücher
DOI Artikel:
Werbung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0406

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Silhouette ganz scharf in der Luft sich abzeichnete“,
fest aufs Korn. Die Jagd war im Qange, der Panther
aufgescheucht und eine Kugel des Kronprinzen hatte
ihn schon getroffen. Aber die Kraft des Tieres war
noch nicht gebrochen, es änderte vielmehr aie Richtung
seiner Fiucht und stürzte in seiner blinden Wut auf
den Kronprinzen zu.

Den Zeugen dieser Pause stockte einen
Moment der Atem. Auf seinem Felsen-
standpunkt sah man die schlanke, vertraute
Gestalt des Kronprinzen, ruhig die Büchse an
der Wange, und unter ihm in einer Entfernung
von etwa drei Meter den Panther zum Sprunge
gebückt. Aber da knallt wie erlösend, scharf
und kurz, aus der Büchse des Kronprinzen
ein zweiter Schuss, und wie vom Blitz ge-
troffen, sinkt die ßestie zu Boden.

Der grosse Kriegspfadzug gegen die Schundliteratur
bleibt eine Farce, solange die Mestizen unserer Literatur
den Verfassern von Schauerromanen ins Handwerk
huschen. Und wie geiehrig die Eingeborenen sind, wie
rasch ihnen der tiefste Wesenskern des freien deutschen
Bürgertums aufgepfropft werden kann ;

„Eine kleine Episode am Schluss der Jagd
ist hierfür sehr bezeichnend. Als der Kron-
prinz die Beute besichtigte, umringten ihn
plötzlich Soldaten und Eingeborene und
brachten ihm ganz spontan ein dreimaliges
Huira dar, für welches der Kronprinz über-
rascht und erfreut dankte.

Die Engländer sollte sich versehen; hierzulande
gibt es Tausende, die, trotzdem sie auch nur Hurra
schreien können, jederzeit bereit sind, für Deutschland
zu sterben.

Das noch mehr bedrohte Europa

Ich habe es schon vor Wochen gesagt: Dem
Reinhardt muss der Zirkus zur Enge der Kammerspiele
werden. Der gute Engel Mosses warnt ihn zu
spät. Schon hat er sich der Proben zu der Oper
„Der Rosenkavalier“ mitschuldig gemacht, schon ist
er der leitende Regissenre der Gesellschaft für deutsche
Volksfestspiele, schon liess er sich in London mit
Sumurun auspfeifen, er wird in Leipzig und Frankfurt
am Main den Bonnificierten „Oedipus“ spielen, in
München zwei Operetten einstudieren und selbst in
Paris will er sich sehen lassen. Summa-Sumurun ist
das selbst Engel zu viel. Der „erste“ Kritiker der
W. a. M. nannte einmal den Roda Roda der deutschen
Regisseure einen „Napoleon des Theaters.“ Nicht mehr.
Vielleicht darum nicht, weil es ihm unbekannt sein
wird, dass Napoleon viele Kriege notgedrungen geführt
hat. Ihm wäre, hätte man ihn zufrieden gelassen,
Frankreich vielleicht schon gross genug gewesen, aber
Reinhardt wird Europa tatsächlich zu klein. Und
„schon ist die Erde voll von seinem Ruhm
und die Himmel singen ihn wieder.“ So singt
der gute Engel Fritz. Aber, wie schon gesagt: er
warnt. Er stellt in aller Verehrung und just
aus aller Verehrung die Frage, wie das enden
soll, für Reinhardt selbst, für seine Kunst, für das
Deutsche Theater. „Es ist gewiss besser, dass Reinhardt
für sich selber eintritt, ehe die flachen Abgucker sich
über das Land verbreiten und mit einer falschen Kunst
ä la Reinhardt Handel treiben“, aber trotzdem: wie
soll das enden? Man hat den Weitermarsch dieses
immer noch so jugendlichen Mannes mit der vollen

Hoffnung auf grosse Gewinne (an Geldl) und auf
eine völlig unabsehbare Reihe künstlerischer Taten be-
gleitet, aber jetzt tritt etwas dazwischen. Der Ruhm.
Der soll von allen Geschenken der Götter das ge-
fährlichste sein. Und wie auch nicht.

„Abertausende umjubeln ihn, diesen Max
Reinhardt. Wenn es einen mechanischen
Beifallszähler gäbe, würde sich dartun, dass
er alle populären Fürsten, Parteiführer und
Künstler schlägt und jetzt der applaudierteste
Europäer ist. Man verlangt nach ihm, man
reisst sich um ihn, man spricht von nichts
als von ihm, und schon umhüllt ihn der viel-
farbige Schleier der Legende Alle Weit muss
es verstehen, dass die Wolken des Weihrauchs
ihm lieblich duften, und wir alle glauben
sicherlich auch, dass es ihm über die äussere
Befriedigung des Selbstgefühls hinaus als eine
ernste Aufgabe erscheint, seine Ideen aus dem
engeren Kreis weiterzupflanzen

Deshalb konnte man es noch begrüssen,
dass die Gesellschaft für deutsche
Volksfestspiele für ihn gegründet und auf
seine Schultern gestellt wurde. In diesen
Plänen liegen soviel aufatmend neue Mögbch-
keiten, soviel schöne Ausblicke und eine so
starke volksfreundliche Gesinnung, dass man
ihnen schon den besten deutschen Theater-
mann gönnen durfte. Die lokalen Interessen
und die Sorge um das Deutsche Theater,
obschon sie sich regte, mussten unterdrückt
werden. Man durfte nicht so ganz nur
Berliner, nichts als Berliner sein. Nun aber
schwingt Reinhardt sich auf ganz Europas
Regiestuhl. Wie die Bälle in einem verwir-
renden Jongleurkunststück fliegen die Namen
London, Paris, Frankfurt, Leipzig, Dresden,
München vor unserem Auge auf und ab.
Es glitzert um Reinhardt von klassischen
Tragödien, modernen Schauspielen, Pantomimen,
Opern und Operetten. Wir sehen diesen
Mann mit Regiebuch und Kursbuch durch den
Kontinent sausen, einen Meister der gewollten
Schlaflosigkeit, an fünf Orten und mit hundert
Händen zugleich tätig. Er bleibt scheinbar
ruhig. Uns wird vom blossen Hinsehen
schwindelig “

Der Schwindel, der uns erfasst, geht ganz von dem
besehenen Vorgängen aus Wie viele Geschäftsleute,
rechtschaffen und redlich, müssen, obgleich sie Waren
vertreiben, die wertvoller sind als modernc Bühnenkunst,
teures Geld für Inserate bezahlen. Für Reinhardt
besorgt die Presse die schreiendste Reklame kostenlos
oder wenigstens für eine Bagatelle. In fingierten
Widerlegungen sprengt sie Gerüchte aus von sensa-
tionellen Plänen Reinhardts. Um der bevorstehenden
Erstaufführung des Vollmöllerschen Märchenspiel „Wie-
land“ willen, das den ersten Aeroplan auf die Bühne
bringen wird, schwingt sie sich flugs zu dem Dementi
auf: Die Nachricht, dass Reinhardt den Flugplatz
Johannistal zwecks Erbauung einer Arena für
50000 Personen kaufen will, bestätigt sich nicht.
Ist aber an den Kaiser die Einladung ergangen, einer
Festvorstellung beizuwohnen, die Reinhardt inszenieren
soll, so melden die Blätter: Der Kaiser wünscht Rein-
hardts geniale Kunst, von der er schon so viel gehört
hat, endlich kennen zu lernen. „Ueber“ sein Verlangen
wird Reinhardt in Potsdam „Minna von Barnhelm“
aufführen. —

Die Sitzplatte des Rcgiestuhls von ganz Europa
ruht auf jenen Beinen, die von der Presse gestellt
werden.

In Wien ist für den Sommer eine Theateraustellung
geplant Ihren Veranstaltern bliebe ein Defizit erspart,

könnten sie die Hämorrhoiden erwerben, die sich der
Napoleonide Reinhardt im Regiestuhl und allen D-Zügen
Europas bald ersessen haben wird.

Aber für die Erklärung dieses Schaustückes müsste
Engel engagiert werden

Joseph Adler

' iTfililHMIMBWBW——W———^i

Beachtenswerte Bücher

Ausführliche Besprechung vorbehalten
Rücksendung findet in keinem Falle statt

MAX STEINER

Die Lehre Darwins in ihren letzten Folgen

Die Rückständigkeit des modernen Frei-
denkertums

Verlagsbuchhandlung Ernst Hofmann u. Co. /
Berlin

KARIN MICHAELIS

Das Schicksal der Ulla Fangel / Eine Qe-
schichte von Jugend und Ehe

Verlag Axel Juncker / Berlin

Rachel / Ein Ghettoroman

Berlin / Concordia Deutsche Verlagsanstalt

FRANK WEDEKIND

In allen Sätteln gerecht
Komödie in einem Aufzug
Mit allen Hunden gehetzt
Schauspiel in einem Aufzug
In allen Wassern gewaschen
Tragödie in einem Aufzug
München / Verlag Georg Müller

QERHART HAUPTMANN

Die Ratten / Berliner Tragikomödie

Vcrlag S. Fischer / Berlin

DIE LIEBESBRIEFE der Dame Lescombat und
des Herrn Mongeot / oder Geschichte ihrer
verbrecherischen Liebe
Dreililien-Verlag / Karsruhe

PAUL CLAUDEL

Mittagswende / Drama

Der Tausch / Drama

München / Verlag Hans von Weber

Verantwortlich für die Schriftleitung
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE

Verantwortlich für die Schriftleitung in Oesterrelch-Ungarn
V. I.: Oskar Kokoschka

Wenn t>as von Ibnen b«ber gebraudjte CDun&wafler 3U
Cnöe flt, fo empfeblen wlr Hjnen, an öeffen Stelle einen
Verfud) mit Kosmln 3U mad>en. Sie weröen finben,
öafe Sie öiefes in gan3 befonöerem CDafle befrieöigt, öenn
Kosmln bat überaua erfrifdjenöen Woblgefdjmadt,
honferviert öie 3abne unö hröftigt öaa 3ai>nfleifd).
Slafdje CDh. 1J0, kuige ausreicbenö, überail hdufUcb.

400
 
Annotationen