Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0183
DOI Heft:
Nr. 23 (August 1910)
DOI Artikel:Blümner, Rudolf: L'amour à l'allemande
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0183
Umfang acht Seiten
Einzelbezug: 10 Pfennlg
WOCHENSCHRIFT FÜR KULTUR UND DIE KÜNSTE
Redaktion und Verlag: Berlin-Halensee, Katharinenstrasse 5
Fernsprecher Amt Wilmersdorf 3524 / Anzeigen-Annahme und
Qeschäftsstelle: BerlinW35, Potsdamerstr. 111 / Amt VI 3444
Herausgeber und Schriftleiter:
HERWARTH WALDEN
Vierteljahresbezug 1,25 Mark J Halbjahresbezug 2,50 Mark/
Jahresbezug 5,00 Mark / bei freier Zustellung / Insertions-
preis für die fiinfgespaltene Nonpareillezeile 60 Pfennig
JAHROANG 1910
BERLIN/DONNERSTAG DEN 4. AUGUST 1910/WIEN
NUMMER 23
Zelchnimg von Samnel Frldolin
INHALT: RUDOLF BLÜMNER: L’amour ä l’alle-
mande / ADOLF LANTZ: Der Freund / ELSE LASKER-
SCHÜLER: Versöhnung / PAUL SCHEERBART: Der
Todesrausch / WERNER PETER LARSEN: Drei Stuu-
den / HEINRICH PUDOR- Qesicht und Maske / ALFRED
DÖBLIN: Gespräche mit Kalypso iiber die Musik /
R. LAUDON: Neben der Brüsseler Weltausstellung /
BIMINI: Louis Foulda / TRUST: Der Schwindel mit
der Kunst / ELSE LASKER-SCHÜLER: Am Kurfürsten-
damm / KARIKATUR: Gustav Frenssen
L’amour ä l’ailemande
Von Rudolf Blümnep
Im Cabaret Aristide ßruant auf Montmartre
kann man ein Lied von erfrischend witziger Un-
anStändigkeit hören: Conference sur l’amour par
Jane Granier devant Guillaume II. Im Teutonischen
läßt es sich nicht bloß Ider unübersetzbaren
gallischen Zoten wegen nicht wiedergeben, sondern
vor allem deshalb, weil sich in Deutschland
(dem Land der offiziellen Sexualverneinung) an die
Wiedergabe des Textes Beschlagnahme, Anklage,
Gelldstrafe, Gefängnis und andere verwerfliche Ein-
mischungen der Obrigkeit knüpfen würden. Ich
begnüge mich, zu erzählen, daß der Verfasser der
Conference sur l’amour devant Guillaume II. durch 1
den Mund einer Dame die Deutschen wegen ihrer
homosexuellen Neigungen verhöhnt und ihnen
einiges Wesentliche über ttie normale Geschlechts-
vereinigung in Erinnerung bringt, das ihm in
Deutschland in Vergessenheit geraten scheint. Denn
in Frankreich ist die 'Ansicht von einer allgemeinen
deutsChen männlichen Homosexualität verbreitet.
Der französische Homosexuetle macht sich gern
an die DeutsChen heran, klopft ihnen, Verständnis
erwartend, auf den d-devant Rücken und kleidet
seinen Wunsch in die allessagenden Worte: „Sie
spreken deutsch?“ Und „faire l’amour ä l’alle-
mande“ heißt: sich homosexuell betätigen, „le vice
allemand“ ist die Homosexualität unter Männern.
So weit sind wir.
'SolChe, die sich darüber ärgern, mögen sich
zunächst bei Maximilian Harden bedanken. Nicht,
weil er die Deutschen in einen unverdienten
schlechten Ruf gebracht, Sondern weil er einen
wirklich bei uns bestehenden Abusus ausposauht
hat. Man merke sich in Deutschland, daß der
Prozentsatz der franzögischen männlichen Homo-
sexuellen 'dem in Deutschland nicht annähernd
gleichkommt, daß aber das „deutsche Laster“ bei
uns siCh ! immer mehr verbreitet. Man merke sich
das in Deutschland! Es wird wohl eine Ursache
haben. Das humanitäre Comite mag in seinem
Sinne ruhig weiter afbeiten, aber nicht vergessen,
daß die Wurzel des Uebels zu treffen ist. In der
Tat: les affaires de l’amour vont mal en Allemagne.
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JAHROANG 1910
BERLIN/DONNERSTAG DEN 4. AUGUST 1910/WIEN
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mande / ADOLF LANTZ: Der Freund / ELSE LASKER-
SCHÜLER: Versöhnung / PAUL SCHEERBART: Der
Todesrausch / WERNER PETER LARSEN: Drei Stuu-
den / HEINRICH PUDOR- Qesicht und Maske / ALFRED
DÖBLIN: Gespräche mit Kalypso iiber die Musik /
R. LAUDON: Neben der Brüsseler Weltausstellung /
BIMINI: Louis Foulda / TRUST: Der Schwindel mit
der Kunst / ELSE LASKER-SCHÜLER: Am Kurfürsten-
damm / KARIKATUR: Gustav Frenssen
L’amour ä l’ailemande
Von Rudolf Blümnep
Im Cabaret Aristide ßruant auf Montmartre
kann man ein Lied von erfrischend witziger Un-
anStändigkeit hören: Conference sur l’amour par
Jane Granier devant Guillaume II. Im Teutonischen
läßt es sich nicht bloß Ider unübersetzbaren
gallischen Zoten wegen nicht wiedergeben, sondern
vor allem deshalb, weil sich in Deutschland
(dem Land der offiziellen Sexualverneinung) an die
Wiedergabe des Textes Beschlagnahme, Anklage,
Gelldstrafe, Gefängnis und andere verwerfliche Ein-
mischungen der Obrigkeit knüpfen würden. Ich
begnüge mich, zu erzählen, daß der Verfasser der
Conference sur l’amour devant Guillaume II. durch 1
den Mund einer Dame die Deutschen wegen ihrer
homosexuellen Neigungen verhöhnt und ihnen
einiges Wesentliche über ttie normale Geschlechts-
vereinigung in Erinnerung bringt, das ihm in
Deutschland in Vergessenheit geraten scheint. Denn
in Frankreich ist die 'Ansicht von einer allgemeinen
deutsChen männlichen Homosexualität verbreitet.
Der französische Homosexuetle macht sich gern
an die DeutsChen heran, klopft ihnen, Verständnis
erwartend, auf den d-devant Rücken und kleidet
seinen Wunsch in die allessagenden Worte: „Sie
spreken deutsch?“ Und „faire l’amour ä l’alle-
mande“ heißt: sich homosexuell betätigen, „le vice
allemand“ ist die Homosexualität unter Männern.
So weit sind wir.
'SolChe, die sich darüber ärgern, mögen sich
zunächst bei Maximilian Harden bedanken. Nicht,
weil er die Deutschen in einen unverdienten
schlechten Ruf gebracht, Sondern weil er einen
wirklich bei uns bestehenden Abusus ausposauht
hat. Man merke sich in Deutschland, daß der
Prozentsatz der franzögischen männlichen Homo-
sexuellen 'dem in Deutschland nicht annähernd
gleichkommt, daß aber das „deutsche Laster“ bei
uns siCh ! immer mehr verbreitet. Man merke sich
das in Deutschland! Es wird wohl eine Ursache
haben. Das humanitäre Comite mag in seinem
Sinne ruhig weiter afbeiten, aber nicht vergessen,
daß die Wurzel des Uebels zu treffen ist. In der
Tat: les affaires de l’amour vont mal en Allemagne.
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