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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911

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Nr. 13 (Mai 1910)
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Schaukal, Richard von: Geistige Landschaft: mit vereinzelter Figur im Vordergrund
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Walden, Herwarth: Kunstreferate
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Minimax: Haare aus dem Kometenschwanz gezupft
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https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0106

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ihrer praktischen Zwecken dienlichen Erzeugnisse.
Der Handwerker ist noch immer da und kann, was
er gelernt hat. Der Schuster macht Stiefel, der
Schneider Röcke nach dem Bedürfnis des Bestellers.
Und was für prachtvoll solide Ware! Loos hat
allen Ernstes seine Beteiligung an den gewerb-
lichen Ausstellungen der Künstlervereinigung
„Sezession“ erst für die fortgeschrittene Zeit in
Aussicht gestellt, wenn diese den hervorragenden
Wiener Schneidern und Lederwarenerzeugern ihre
Schranken zu eröffnen sich bemüßigt sehen solle.
Aber nicht nur der Schuster und Schneider sind da,
auch der Tischler kann sicherlich noch Stühle und
Bettstätten machen. Schafft nur den Künstler ab,
der ihn daran hindert. . Man koiportiert ein be-
zeichnendes Wort: „Ich habe mit Kammerdienern
und Bienenzüchtern mehr innere Zusammenhänge >
als mit Architekten.“ Das heißt: Ich fühle mich
allen Menschen verwandt, die in ihrer Beschäftigung
ganz drin stecken, mit ihr identisch sind. Diese sind
die Förderer.

Und also naturgemäß, elementar, klar, zweck-
dienlich, ein Dirigent der echten Aeußerungen des
tüchtigen Handwerks, richtet Loos einigen
Menschen, die sichs gefallen Iassen, ihre Zimmer
ein. Er sagt: Man gibt mir den Auftrag, eine Woh-
nung zu gestalten. Ich will nichts neues erfinden.
Das ist doch nicht meine Aufgabe. Ich brauche zum
Beispiel gute Stühle. Wozu sollte ich da plötzlich
Stühle erfinden. Sie sind ja da. Es sind die alten
englischen. Und so weiter. Manches Prinzip
freilich ist verschüttet. Laßt uns dem Gedanken
nachgehen. Er hört uns schon und zeigt sich
schüchtern. Heraus mit Dir. Ich halte den Künstler
ab, der dich beim Genick packen will. Er tut dir
nichts, solang ich da bin. Sieh her, da bist du,
herrlichprimitiver, nackter Gedanke, „des“ Tisches,
„des“ Vorhangs, „des“ Spiegels. Wir wollen dich
in gutem Material verlebendigen. Nichts weiter.
Handwerker, zeige was du kannst. Du darfst
arbeiten.

So einfach ist diese „Theorie“, daß man sie er-
klären muß. Die Leute suchen ja immer etwas
„dahinter“. Sie sind das von den hinterhältigen
Künstlern gewohnt. Es ist nichts „anderes“ da-
hinter, liebe Leute. Adolf Loos will nichts apartes.
Wenn ihm auch manches — apart gerät. Freilich,
er selbts ist ja ein Kiinstler, ein Mensch mit kiinst-
lerischem Gewissen, mit künstlerischer Bildung.
Aber weder ist sie ihm wie den armen Eklektikern
von rechts nach links kollernder Ballast, noch hält
er sonderlich viel auf die Tatsache ihrer Existenz.
Diese „künstlerische Bildung“ belehrt ihn über die
Wege der Entwicklung. Und sein scharfer logischer
Verstand zeigt ihm die Stationen, die Etappen sind.

In unserer Zeit, der Aera der Maschinen, sieht er
das Ornament an Entkräftung gestorben. Er
trauert dariiber nicht. Im Gegenteil: er jubelt. Er
preist unsere Zeit ob dieser grandiosen Kargheit.

Er schätzf die historischen, schätzt die organischen
Ornamente, die Arabesken der üppigen dekadenten
Auslaufzeiten wie die großartigen Hieroglyphen der
Uranfänge. Aber er verweist kaltlbtitig auf das
Wesen unsres modernen Materials, und meint ihm
genügende Wirkung durch seine unbefangene
Existenz zuschreiben zu dürfen. Silber- und
Messingplatten. Holz- und Olasflächen: Loos ver-
neigt sich vor ihrer ungeminderten Tatsächlichkeit.

Wie reich sind wir, sagt er. Wir haben die Steine,
die Metalle, die Hölzer. Weg mit den kribbligen
Händen, die alles unbegründeter Weise bekritzeln,
verbiegen, zacken wollen. Das Buch, das Hemd,
der Knopf; Iaßt alle diese guten Dinge durch sich
selbst wirken, laßt sie nur zu Wort kommen, ge-
bietet dem dreinschwätzenden Künstler Schweigen:
eine Harmonie der großen einfachen Stücke, der
Dinge breitet sich rauschend aus. Und eines ver-
rate ich euch; sagt der stille unermüdliche Werber
fiir das Echte: alle wahre Kultur hat seit jeher das
Ganze, das Tüchtige, das Einheitliche bevorzugt.

In dieser Kampfstellung gegen das Ornament
liegt mehr als die Neigung zu einer geschmackvollen
Variante des Gerätes. Die Devise „Los vom Orna-
ment“ ist die Oriflamme einer neuen großen Idee,
die wie alle großen Ideen Ahnenzusammenhänge
hat. Die Idee dient der Gesellschaft. Man nehme
sie nur einmal rein praktisch, wenn das Ornament
fällt, fällt ein mühsames Plus an Kleinarbeit (abge-
sehen vom ekeln C!ich6 des Fabrikornaments).
Man zahlt nicht weniger (heute sogar noeh mehr)
fiir eine glatte Zigarrentasche als für eine verzierte.
Der Zierrat wird iiberflüssig, die Herstellungs-
mühsal also geringer, der Verdienst größer — das
Zeitgemäße dient den Zeitgenossen.

Kunstreferate

Die Vossische Zeitung von Staats- und ge-
lehrten Sachen berichtet unter dem 12. Mai aus
Wien:

Reiahardt eröffnete gestern mit dem „Kauf-
mann von Venedig“ ein Gesamtgastspiel im
Theater an der Wien. Das anfangs etwas spröde
Publikum erwärmte sich zusehends, zumal für
Schildkrauts Shylock und die Gerichtsszene. Von
einem ieichten Erdbeben während der
Theaterzeit war im Schauspieihaus nichts
ve rspürbar.

Das ist dreideutig. Versagte hier ein neuer
Regietrick Reinhardts, oder wirkte das erwärmte
Publikum so anregend auf die Erde, daß unserer
guten Mutter nichts zu tun übrig lieb, als zu beben,
oder will der eigene Korrespondent das Entsetzen
der Wiener Erde über den zurückkehrenden Sohn
durchbeben lassen? Das glaube ich nicht. Die
Vossische Zeitung ist durchaus unsymbolisch und
für das Gemeinverständliche. Besonders in der
bildenden Kunst. Sie stellte bekanntlich vor un-
gefähr dreißig Jahren einen Jubelgreis als Kunst-
berichterstatter an, der mit tragischer Notwendig-
keit immer älter wurde, ohne auf diese Weise die
Tragik seiner Kunstfremdheit und die Notwendig-
keit seiner Existenz zu beweisen. Er begnügte sich,
Meister wie Hodler, Klimt, Van Gogh, Gauguin
ahnungslos und pietschvergnügt zu beschimpfen.
Jetzt scheint er zu einem letzten entscheidenden
Schlag auszuholen. Zur Eröffnung der neuen
Sezession sandte er zunächst einmal einen Vor-
schimpfer, offenbar seinen Meisterschüler. Denn
dieser Herr ist gleichfalls total ahnungslos und seine
Witze stammen aus den Gründungsjahren der Vos-
sischen Zeitung. Es bleibt überhaupt erstaunlich,
mit welcher Dreistigkeit jeder Laie über Bilder
urteilt. Der Laie der Vossischen Zeitung ver-
wechselt selbstverständlich wieder einmal Malerei
mit Photographie. Daß er nicht sehen kann, ist

verzeihlich. Weniger, daß er dann über Bildei
schreibt. Am wenigsten, daß er nicht einma i
schreiben kann. Ueber die sehr gute Ausstellung j
der Neuen Sezession soll hier noch ausführlich ge- J
sprochen werden. Aber auch der angestammte I
Schimpfer der Vossischen Zeitung wird bestimm* |
zu seinem Rechte kommen, trotz seiner weißeü j
Haare. Davor soll ihn auch der Flor wohl- i
riechender Damen nicht schützen, von denen nact’
Zeitungsberichten der „lichtvolle Historiograph“ '

stets umgeben ist. T r u s t

'

Haare aus dem Kometen*
schwanz gezupft

Herr Löwevelt

Der Leiter des Berliner Zoologischen Gartens
überreichte einem gewissen Theodor Roosevelt, der;
aus Amerika zugereist war, einen Brief in Suaheli-j
sprache: „Salaam, Bwana Mkubwa, Salaam!

Du großer Herrscher unserer Tierwelt, der Du so
mächtigen Einfluß über uns hast und auch über die
Menschheit, Dich bitten wir, uns gegen die Aus-:
rottung zu schützen. Unterschrieben: Löwe4
Giraffe, Hyäne, Nashorn.“ Der Adressat bestätigtej
den Empfang des Briefes und setzte hinzu, daß erj
ihn zwar nicht lesen könne, daß aber nach seinemj
Empfinden sämtliche Ochsen den Brief ungelesem
mitunterschreiben würden.

Weltkonferenz der Jungfrauen in Berlin

Die Jungfrauen der ganzen Welt sind in Berlinj
eingetroffen, wo ein fühlbarer Mangel an diesetn
Artikel eingetreten war. Die nötigen Informationen
erteilte der Bund für Mutterschutz; er hat diei
Mädchen insbesondere belehrt, daß man in Berlinj
nur glauben brauche; die Liebe und die Hoffnung l
kämen unfehlbar von selbst. Die Französinnen;
waren erstaunt, wie schön alles auf deutsch ver-j
lief dank dem Entgegenkommen der Ortsansässigen; S
auch die Engländerinnen paßten sich den neuen ‘
Verhältnissen aufs leichteste an. Drei kleine j
Negerinnen hatten sich mitversammelt; es war zum j
Entzücken, wie wohl, wie geradezu angeheimelt sie j
sich fühlten, als die Pfarrer ihre Reden aus-!
schwitzten. Sonderbare Resolutionen wurden am j
Schlusse des Kongresses von den offiziellen Ver-1
tretern gefaßt; für die Jungfrauen: „Jede ihr
eigner Mann,“ für die männlichen Vereine: „Jeder I
Jüngling seine eigene Jungfrau.“ Und so trennten [
sie sich unter Absingen des Liedes: „Ich hatt keinen [
Kameraden“ zu allgemeiner Befriedigung.

Wahlrechtsresolutlonen

Ein Geheimrat brachte dem Minister ein Paket j
der zuletzt eingelaufenen Wahlrechtsresolutionen: I
der Minister legte es auf den Boden und ließ unacht- i
sam seine frisch angesteckte Zigarette herunter- j
fallen, so daß das Papier im Nu brannte. Der Ge- j
heimrat löschte krampfhaft: „Exzellenz, der |

Schaden, der große Schaden.“ Der Minister sah j
nachdenklich zu: „Ja, — die Zigarette ist futsch.“ j

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