Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911

DOI Heft:
Nr. 25 (August 1910)
DOI Artikel:
Laudon, R: Neben der Brüsseler Ausstellung, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0199

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Umfang acht Seiten

Einzelbezug: 10 Pfennlg

DERSTURJW

WOCHENSCHRIFT. FÜR KULTUR UND DIE KÜNSTE

JAHRGANG 1910 BERLIN/DONNERSTAG DEN 18. AUGUST 1910/WIEN NUMMER 25

Sanael FrldoUn

Schlechte Dichter / IV: Otto Ernst

Humoriger Charakter. Schrieb Komödien im Stil der fliegenden Blfltter (Jugend Von heute / Flachsmann als
Erzieher) Begann eine Reihe Romane: Asmus Sempers Jugendland; Semper der Jüngling. Die Fortsetzungen
erscheinen unter dem gemeinsamen Titel: Semper idem.

INHALT: R. LAUDON: Neben der Brüsseler Aus-
stellung / KURT HILLER: Über Kultur / ELSE LASKER-
SCHÜLER : Meine Mutter / PAUL SCHEERBART: Der
blaue Himmel / RUDOLF BLÜMNER: Frank Wedekind
als Aesthetiker / ALBERT DREYFUS: Qedichte /
ALFRED MOMBERT-HERWARTH WALDEN: Hier ist
ein Gipfel / TRUST: Das Ende / CARL ONNO EISEN-
BART: Literarische Ausländerei / J. A.: Das Fremden-
buch auf dem Anninger / Karikatur

Neben der Brüsseler Ausstellung

Von R. Laudon

Hier lästet die Ausstellung und wirft mit inter-
nationaler Wudit ihre Passanten platt auf die Erde,
drüben ragen diehte Baumwipfel 1, da tänzelt das 1
kokette BrüsSel'. Nachdem der Laie seine ehrenvolle
Pfljcht erfüllt und jdie AusStellung hat über sich
ergehen lassen, ennnert er sich jnit Vergnügen seiner
guten Laune und verschwindet hohnlachend aus
dem geldfressenden Terrajn. Er schließt sich hoch-
achtungsvoli ergebenst allen Lobeserhebungen an,
welChe die Exposition betreffen, sieht sich nur ge-
nötigt nach Rücksprache mit seinen jugendlichen
Beinen, diesen freien Lauf zu lassen.

Ich bin wieder außerhalb der Gitter, schwimme
in BrüSSell Die Stadt ist so schön und sehenswert;
fast in jeder Straße so sdhlön und, sehensiwert. Streifen
Sie durch Berlin, so vergessen Sie nicht, einen
Begkiter mitzunehmen; Sie fallen, von der Mono-
tont'e der Häuser eingeschläfert, jn tiefe Hypnose.
Ich sah sChon Fremde in traumartiger Lethargie
durch die Linden gehen; wenn ein Schutzmann sie
am Arme sChüttelte, so wachten sie auf, schlugen
entsetzt um sich und fuhren mit dem nächsten;
Zuge nach Hause. Nur heftige Lachkrämpfe sorgen
in Berlin automatisCh dafür, daß der Spaziergänger
aufwacht und garantieren gö eine gewisse Unge-
fährlichkeit des Betretens der Straßen; nämlich
LaChkrämpfe, werin ein Schild mit Shakespearescher
Bündigkeit ein Arrangement von sieben B.äumen
als Park bezeiehnet, oder ein Loch zwisChen den
Häusern als Platz. Sonst studiert der Fremde, wie
man an allen Ecken sehen kann, unablässig im
Gehen una'Sitzen seinen Pllan der Stadt; er läuft
w.e von einer Wes !pe gestoChCn aus einer endlösen
Straße in die andere, frühstückt am Wedding, diniert
am AlCxanderpIatz, soupiert am Zoo, Beschließt den
Tag aut dem Kreuzberg, jmmer die mysteriöse
Frage auf den Lippen: „Wo liegt Berlin?“ Er
gläubt ständig in Groß-Rixdorf zu sein. Er weiß
niCht, der völlig Unkundige, daß Berlin ein ab-
strakter Begriff ist, daß Belin nicht optisch und
greifbar in den Häusermassen erscheint, sondern
daß esi eingekapselt überall sitzt, wo er vorbei ge-
laufen jst; es hät siCh die Häuser wie einen
schmutzigen Regenmantel 1 übergeworfen, es hält sich
die toten Fassaden wie einen Riesenparaplüie vor,
damit man es dahinter ungestört schustern läßt.

105
 
Annotationen