Montenegriner handelt nun einmal nach einem Her-
zensgebot.
Voßens Traum von einem homerischen König-
reich bleibt, selbst als Voß lange nadh einem Laden
suchen muß, in dem Ansichtskarten zu haben sind.
Es gereicht ihm zum Trost, daß „von Ansichtskarten
ja auch Homer nichts zu singen weiß.“
Aber ein Grand Hotel 1 gibt es in Cettinje. „Der
Wirt, ein kriegerischer, waffentragender Mann,
spridht zu dem Fremdling von seinem Fürsten
und Herrn, ganz Feuer und Flamme dabei werdend.
Ein Dichter ist unser Fürst, eiir Sänger seines Volkes.
Kommen Sie in unser Theater, wenn unseres Fürsten
Nikita, „Königin vom Bal'kan“, aufgeführt wird.
Dann werden Sie selbst hören. Oh, Sie werden
schon sehen! Bfeiben Sie bei uns, Herr; oder kom-
men Sie wieder!“
Voß wollte nicht bleiben, und er will auch nicht
wiederkommen. Er beeilt sich, nach Cattaro zu-
rückzufahren, „wie im Wolkenflug, sturmumheult
und von Nebelnacht umdunkelt ging es' pfeilschnell
durch schwarzes Gewölk hinunter“, er erkannte
nicht einmaf den Abgrund, jn den er hinabstürzen
konnte.
Von neuem in die Welt aller Wirklichkeiten zu-
rückgekehrt (sol'I heißen: in Cattaro wieder glück-
lich angelangt), hört er, daß Montenegro Königreich
werden soll. In Montenegro wußte noch kein
Hammel daVon? Voß nennt die Botschaft seltsam,
aber für ihn war Montenegro schon lange ein König-
reich.
Dem Fürsten Nikita erzählte der Grand Hotel-
wirt, eine waffentragende, kriegerische Gestalt, von
dem seltsamen Besuch eines träumenden Reichs-
deutschen in Cettinje.
„Wie hieß der Edle?“
„Richard Voß.“
,Aha!“
„Er soll ein Dichter sein.“
„Für rnich war er das schon länge“, bestätigte
dcr Fürst. J. A.
Theater und Kunst
Im Modernen Theater unterhielt man sich über
dcn „Wert des Lebens“. Das Stück ist so schlecht,
daß es 1 gleichfalls von Rudolf Lothar sdin könnte.
Man behauptet aber, daß es ein anderer Autor ver-
faßt hat. Jedenfalls war es widerlich. Die trau-
rigen Schauspieltr dieses Institutes benahmen sich
offenbär dank der Regie William Wauers' etwas
gebildeter. ,Herr Alwin Neuß, der bekannte fade
Virtuose, vervollständigte glücklich das „Ensemble“,
das ! nur ein Talent aufwies: Herrn Hermann Pfanz.
Ich möchte endlich nächstens wissen, was William
Wauer kann.
Im Residenz-Theater unterhielt man sic'h. Werte
wurden Gottseidank ausgeschaltet und das Leben
durch Richard Alexander verkörpert. Lieber
ein wahnsinniger Blödsinn als einen blödsinnigen
Wahnsinn. Altx,ander wirkt durch Tonfall und
Gestik. ICh halte ihn für einen Humoristen. Leider
bieten Seine Roflen nie Gelegenheit, festzustellen,
ob er gestalten kann. Man giaubt es fast.
Uebrigens: Ich fürchte, daß man die herrlichen
TitelzeiChnungen nie ordentlich ansieht, mit denen
die Herren Direktoren ihre Programme Schmücken
lassen, und die jetzt bei dem erhöhten Preis ein
doppeltes Interesse gewinnen. Ich will diese be-
scheidenen Schöpfungen von Künstlerhand endlich
aus dem Theaterdunkel ans TagesliCht ziehen, damit
man weiß, wie eng unslere Bühnen mit der Kunst
zusammenhängen. Hier zunächst einmal eins. Es
hät den Vorzug, verständfiCh zu sein. Und der
Herr Baurat, der sich mit rührender Geduld den
Sturm kauft und nach dem 1 ErsCheinen jeder
Nummer telefonisCh Aufklärung über den „Inhalt“
der ZeiChnungen yon Oskar KokosChka verlängt,
wird endfich leinmal auf seine Kosten kommen.
Sonst empfehl'e iCh ihm 1 noch, ins MetropoL
theater zu gehen. Die neue Revue ist *das fetzte
an Geschmack- und Talentlosigkeit. Welches In-
teresse hat ’die gesamte Tagespresse, über diesen
Schmarren spaltenlange, jubelnde Berichte zu brin-
gen ? Man liest von dem „verbürgten, sensätionellen
Erfolg“, trotzdem wiederholt sögar erhebliCh ge-
zisCht wurde. (Von mir.) Der Text wird gepriesen.
Mit demselben Recht könnte man jede Nummer
der „Fliegenden Blätter“ glänzend besprechen. Der
„HausdiChter“ lebt nur von den dümmsten Wort-
witzen. NiCht einmal zur Situationskoimik reicht es.
In früheren Jahren hatte er wenigstens noCh jden
Mut zur Banafität, sein Geistreicheln ist unerträg-
l'ich. Der Hausmusiker besitzt die Frechheit, ohne
weiteres Wagnersche Motive zu den angebliCh' paro-
distisdhen Zwecken des Hausdichtersi spielen zu
läsisen. Was sogar das „elegante“ Premierenpubli-
kum stutzig madhte. Die gesamte übrige Musik
kann an tötlicher Langeweile nicht mehr unter-
boten werden. Oedester, stümperhafter Dilettantis-
mus. So etwas wagt man als „Lebensfreude“ aus-
zubieten. Und dazü die vielgerühmte „Ausstattung“
für zweihundert „Mille“. BaruChträume mit AsChin-
gerphantasie. Die Direktion hält offenbar das Teuer-
bezahlte für das ; beste. Ich glaube, daß kein anderes
Berliner Theater den Herren BaruCh diese üb'el-
bemalte Leinwand abnehmen würde. Wenn eS noch
herzhafter KitsCh wäre. Aber die Firtna läßt ihre
„Phantasie“ lös und ihren ParvenugesChmack. Prin-
zip: möglichst viel falsches Gold und Glühbirnen.
Und es gibt tatsächlich englisch angezogene Men-
sChen, denen das imponiert. Die wirkWCh guten
Roben (slie sind nicht von Baruch) wirken peinfich,
weil man merkt, daß sie den Damen zur leihweisen
Benutzung überlasSen sind. Eigentum der Direktion.
Wo treibt sie nur diese SchunkehnädChen auf. Man
wäre sc'hon Von WaChsfigurenschönheit begeistert.
Auch gegen Gemeinheit wäre nichts einzuwenden.
Aber das Gewöhnliche empört. Die mäßigste
englisChe Truppe wäre dagegen ein adliges Damen-
institut. Bei solChem Menschenmaterial bleibt nichts
weiter übrig, alS die Revuen in die alte Türkei zu
verlegen und seidene Trikotbeine mit verschleierten
GeSichtern zur Schau zu stellen.
Die Solisten. Der Ruf Kettners ist ein Rätsel.
Der Herr kann gar nichts. Thielscher ein Defekt-
schauspieler. (Ich erwähnte dieses gute Wort Von
Karl Krausi schon einmal.) Seine Komik: der Kör-
per, wie ihn ein Gott im Zorn erscbuf. Und nun
das erstaunliChste: drei Künstler sind an dieser
Bühne: Fritzi Massary, Madge Lessing,
Josef Giampietro. Ueber die Massary läßt
sich nichts besseres sagen, al's was ein Freund vor
einem Jahr über sie schrieb: „Wie ein Wunder
lößt sich aus diesem Chor gleichgültiger Glieder
die Massary, die ich Sie durchaus zu den fröh-
lichen Göttinnen zu zählen bitte, die unser Dasein
mit Heiterkeit erfüflen. Wie beherrscht sie den
ungeheuren l'eeren Raum der Bühne. Sie tritt auf,
eine heitere Geberde, sie ist in vollkommener Be-
wegung, sie erobert die Bühne, sie beugt sich,
kokettiert mit ihrem Röckchen, wirft ein paar be-
länglolste Verse hin: unsere lärmvoll irritierten Nerven
beruhigen sich' unter sanftem Streichefn, ganz leichte
Reize durChfließen unster Blut. Sie tanzt, sie sCh'webt
fast, ihre großen Kurven berühren kaum die Bühne,
bezaubert empfinden wir die subtiMe Aufhebung
der Schwerkraft. Trivialte Kouplets entlarven sich
als Träume holdester Grazie. Was sie berührt, be-
seelt siCh durch ihr Temperament.“ Madge Lessing
entzückt durch die Grazie ihres Körpers und ihres
TanzeS. Sie reinigt die Atmosphäre mit ihrer Kind-
haftigkeit. Man inöchte auf diese gekräuselten Kom-
miS' niederfahren, die das liebe GesChöpf auf Ver-
anfassung der Direktion zu umwedeln haben und
die gute Luft mit ihrem Warenhausparfüm ver-
pesten. Die Massary schwebt, die Lessing fliegt.
(Ohne Apparate.) Und Giampietro steht fest auf
dem Boden, ein Könner und Gestalter.
Das Publikum. Wenn man nicht die Entscliuldi-
gung der „Pres'se“ hätte, wäre das Geständnis des
„Dagewesenseins“ peinlich. Diese satten und
platten Menschen bilden also die „Creme“ (oder
werden Von der Direktion dafür gehalten). Diese
HerrsChäften wagen über Kunst zu urteilten und
erschauern vor Ehrfurcht beim Anblick eines leben-
den Bildes mit Scheinwerferbeleuchtung. Diese
guten Bürger lächen taktlos über seltene und große
MensChen, und geraten in Verzückung, wenn ein
Friseur irgend eine Seichtheit über Gott und die
Welt hinausschmettert. Diese Hütcr der Familie,
diese „Mütter“ werden geil, (sie nennen es „frei“),
wenn man ihnen ordinäre Zoten in die Ohren brüllt.
Und dieste Spießer halten siCh für die große Welt,
weil sle der Baruchiade beiwohnen durften.
T r u s t
Verantwortlich fiir die Schriftleitung:
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE
Wochen-Spielplan der Berlinsr Theater
September
Dienstag
20.
Mittwoch
21.
Donnerstag
22.
Freitag
23.
Sonnabend
24.
Sonntag
25.
Montag
26.
Theater mit gleichbleibendem
Spielplan:
Deutsches Theater
Schumannstrasse 13 a
Fanst
Premiere
D. Romantischen
Der Wider-
spenstigen
Zähmung
Die
Romantischen
Die
Romantischen
Die
Romantischen
Amphitryon
Berliner Theater
Charlottenstr. 93
Gastspiel Hansi Niese:
Das Musikantenmädel
Kammerspiele
Schumannstrasse 14
Der gute König
Dagobert
Gawan
Frühlings-
erwachen
Premiere
Das Kloster
Gawan
Das Kloster
Simson
und Delila
Kleines Theater
Unter den Linden 44
Die verflixten Frauen
zimmer / Erster Klasse
Lessingtheater
Friedrich Karlufer 1
Einsame
Menschen
Kosmersholm
Einsame
Mensehen
Das Konzert
Einsame
Menschen
Einsame
Menschen
Hedda Gabler
Neues Theater
Schlffbauerdamm 4a|5
Bis Freitag: Die goldene
Ritterszeit. Sonnabend u.
Sonntag: Das Alter.
Koraische Oper
Friedrichstr. 104|104a
Der Arzt wider
Willen
Der Arzt wider
Willen
Der Arzt wider
Willen
Hoffmanns
Erzählungen
Tosca
Der Arzt wider
Willen
Der Arzt wider
Willen.
Residenztheater
Blumenstr. 9a
Noblesse oblige
Neues königliches
Operntheater
Königsplatz 7
Manfred
Gastsp. Farrar
Manon
Lohengrin
Cavalleria Rnsti-
eana. DerBarbier
von Sevilla
Gastsp. Farrar
Madame Butterfly
Tannhäuser
Boheme
Trianontheater
Pr. Friedr. Karlstr. 7
Pfade der Tugend
Neues
Schauspielhaus
Nollendorfstrasse 11|12
Der Tarttiff.
Der Herr von
Pourceaugnac
Der Tartüff.
Der Herr von
Pourceaugnac
Der Tartüff.
Der Herr von
Pourceaugnac
Raffles
Wann kommst
Du wieder?
Wann kommst
Du wieder?
Unbestimmt
Nenes
Operettentheater
Schiffbauerdamm 25
Der Graf von Luxemburg
Modernes Theater
Königgrätzerstr. 57| 58
Die Wespe
Der Wert
des Lebens
Der Wert
des Lebens
Die Wespe
Premiere
Die beste der
Frauen
Die beste der
der Frauen
Unbestimmt
Theater des
Westens
Kantstrasse 12
Die sehönste Frau
Künigliehes
Schauspielhaus
Gensdsirm«nmarkt
Der
eingebildete
Xranke
Die ßaben-
steinerin
Moliere und die
Seinen / Tartüfie
Wilhelm Tell
Moliere und die
Seinen / Tartüffe
Die
Journalisten
Moliere und die
Seinen / Tartüffe
Metropoltlieater
Behrenstraäse 55|50
Hurrah — Wir leben noch!
340
zensgebot.
Voßens Traum von einem homerischen König-
reich bleibt, selbst als Voß lange nadh einem Laden
suchen muß, in dem Ansichtskarten zu haben sind.
Es gereicht ihm zum Trost, daß „von Ansichtskarten
ja auch Homer nichts zu singen weiß.“
Aber ein Grand Hotel 1 gibt es in Cettinje. „Der
Wirt, ein kriegerischer, waffentragender Mann,
spridht zu dem Fremdling von seinem Fürsten
und Herrn, ganz Feuer und Flamme dabei werdend.
Ein Dichter ist unser Fürst, eiir Sänger seines Volkes.
Kommen Sie in unser Theater, wenn unseres Fürsten
Nikita, „Königin vom Bal'kan“, aufgeführt wird.
Dann werden Sie selbst hören. Oh, Sie werden
schon sehen! Bfeiben Sie bei uns, Herr; oder kom-
men Sie wieder!“
Voß wollte nicht bleiben, und er will auch nicht
wiederkommen. Er beeilt sich, nach Cattaro zu-
rückzufahren, „wie im Wolkenflug, sturmumheult
und von Nebelnacht umdunkelt ging es' pfeilschnell
durch schwarzes Gewölk hinunter“, er erkannte
nicht einmaf den Abgrund, jn den er hinabstürzen
konnte.
Von neuem in die Welt aller Wirklichkeiten zu-
rückgekehrt (sol'I heißen: in Cattaro wieder glück-
lich angelangt), hört er, daß Montenegro Königreich
werden soll. In Montenegro wußte noch kein
Hammel daVon? Voß nennt die Botschaft seltsam,
aber für ihn war Montenegro schon lange ein König-
reich.
Dem Fürsten Nikita erzählte der Grand Hotel-
wirt, eine waffentragende, kriegerische Gestalt, von
dem seltsamen Besuch eines träumenden Reichs-
deutschen in Cettinje.
„Wie hieß der Edle?“
„Richard Voß.“
,Aha!“
„Er soll ein Dichter sein.“
„Für rnich war er das schon länge“, bestätigte
dcr Fürst. J. A.
Theater und Kunst
Im Modernen Theater unterhielt man sich über
dcn „Wert des Lebens“. Das Stück ist so schlecht,
daß es 1 gleichfalls von Rudolf Lothar sdin könnte.
Man behauptet aber, daß es ein anderer Autor ver-
faßt hat. Jedenfalls war es widerlich. Die trau-
rigen Schauspieltr dieses Institutes benahmen sich
offenbär dank der Regie William Wauers' etwas
gebildeter. ,Herr Alwin Neuß, der bekannte fade
Virtuose, vervollständigte glücklich das „Ensemble“,
das ! nur ein Talent aufwies: Herrn Hermann Pfanz.
Ich möchte endlich nächstens wissen, was William
Wauer kann.
Im Residenz-Theater unterhielt man sic'h. Werte
wurden Gottseidank ausgeschaltet und das Leben
durch Richard Alexander verkörpert. Lieber
ein wahnsinniger Blödsinn als einen blödsinnigen
Wahnsinn. Altx,ander wirkt durch Tonfall und
Gestik. ICh halte ihn für einen Humoristen. Leider
bieten Seine Roflen nie Gelegenheit, festzustellen,
ob er gestalten kann. Man giaubt es fast.
Uebrigens: Ich fürchte, daß man die herrlichen
TitelzeiChnungen nie ordentlich ansieht, mit denen
die Herren Direktoren ihre Programme Schmücken
lassen, und die jetzt bei dem erhöhten Preis ein
doppeltes Interesse gewinnen. Ich will diese be-
scheidenen Schöpfungen von Künstlerhand endlich
aus dem Theaterdunkel ans TagesliCht ziehen, damit
man weiß, wie eng unslere Bühnen mit der Kunst
zusammenhängen. Hier zunächst einmal eins. Es
hät den Vorzug, verständfiCh zu sein. Und der
Herr Baurat, der sich mit rührender Geduld den
Sturm kauft und nach dem 1 ErsCheinen jeder
Nummer telefonisCh Aufklärung über den „Inhalt“
der ZeiChnungen yon Oskar KokosChka verlängt,
wird endfich leinmal auf seine Kosten kommen.
Sonst empfehl'e iCh ihm 1 noch, ins MetropoL
theater zu gehen. Die neue Revue ist *das fetzte
an Geschmack- und Talentlosigkeit. Welches In-
teresse hat ’die gesamte Tagespresse, über diesen
Schmarren spaltenlange, jubelnde Berichte zu brin-
gen ? Man liest von dem „verbürgten, sensätionellen
Erfolg“, trotzdem wiederholt sögar erhebliCh ge-
zisCht wurde. (Von mir.) Der Text wird gepriesen.
Mit demselben Recht könnte man jede Nummer
der „Fliegenden Blätter“ glänzend besprechen. Der
„HausdiChter“ lebt nur von den dümmsten Wort-
witzen. NiCht einmal zur Situationskoimik reicht es.
In früheren Jahren hatte er wenigstens noCh jden
Mut zur Banafität, sein Geistreicheln ist unerträg-
l'ich. Der Hausmusiker besitzt die Frechheit, ohne
weiteres Wagnersche Motive zu den angebliCh' paro-
distisdhen Zwecken des Hausdichtersi spielen zu
läsisen. Was sogar das „elegante“ Premierenpubli-
kum stutzig madhte. Die gesamte übrige Musik
kann an tötlicher Langeweile nicht mehr unter-
boten werden. Oedester, stümperhafter Dilettantis-
mus. So etwas wagt man als „Lebensfreude“ aus-
zubieten. Und dazü die vielgerühmte „Ausstattung“
für zweihundert „Mille“. BaruChträume mit AsChin-
gerphantasie. Die Direktion hält offenbar das Teuer-
bezahlte für das ; beste. Ich glaube, daß kein anderes
Berliner Theater den Herren BaruCh diese üb'el-
bemalte Leinwand abnehmen würde. Wenn eS noch
herzhafter KitsCh wäre. Aber die Firtna läßt ihre
„Phantasie“ lös und ihren ParvenugesChmack. Prin-
zip: möglichst viel falsches Gold und Glühbirnen.
Und es gibt tatsächlich englisch angezogene Men-
sChen, denen das imponiert. Die wirkWCh guten
Roben (slie sind nicht von Baruch) wirken peinfich,
weil man merkt, daß sie den Damen zur leihweisen
Benutzung überlasSen sind. Eigentum der Direktion.
Wo treibt sie nur diese SchunkehnädChen auf. Man
wäre sc'hon Von WaChsfigurenschönheit begeistert.
Auch gegen Gemeinheit wäre nichts einzuwenden.
Aber das Gewöhnliche empört. Die mäßigste
englisChe Truppe wäre dagegen ein adliges Damen-
institut. Bei solChem Menschenmaterial bleibt nichts
weiter übrig, alS die Revuen in die alte Türkei zu
verlegen und seidene Trikotbeine mit verschleierten
GeSichtern zur Schau zu stellen.
Die Solisten. Der Ruf Kettners ist ein Rätsel.
Der Herr kann gar nichts. Thielscher ein Defekt-
schauspieler. (Ich erwähnte dieses gute Wort Von
Karl Krausi schon einmal.) Seine Komik: der Kör-
per, wie ihn ein Gott im Zorn erscbuf. Und nun
das erstaunliChste: drei Künstler sind an dieser
Bühne: Fritzi Massary, Madge Lessing,
Josef Giampietro. Ueber die Massary läßt
sich nichts besseres sagen, al's was ein Freund vor
einem Jahr über sie schrieb: „Wie ein Wunder
lößt sich aus diesem Chor gleichgültiger Glieder
die Massary, die ich Sie durchaus zu den fröh-
lichen Göttinnen zu zählen bitte, die unser Dasein
mit Heiterkeit erfüflen. Wie beherrscht sie den
ungeheuren l'eeren Raum der Bühne. Sie tritt auf,
eine heitere Geberde, sie ist in vollkommener Be-
wegung, sie erobert die Bühne, sie beugt sich,
kokettiert mit ihrem Röckchen, wirft ein paar be-
länglolste Verse hin: unsere lärmvoll irritierten Nerven
beruhigen sich' unter sanftem Streichefn, ganz leichte
Reize durChfließen unster Blut. Sie tanzt, sie sCh'webt
fast, ihre großen Kurven berühren kaum die Bühne,
bezaubert empfinden wir die subtiMe Aufhebung
der Schwerkraft. Trivialte Kouplets entlarven sich
als Träume holdester Grazie. Was sie berührt, be-
seelt siCh durch ihr Temperament.“ Madge Lessing
entzückt durch die Grazie ihres Körpers und ihres
TanzeS. Sie reinigt die Atmosphäre mit ihrer Kind-
haftigkeit. Man inöchte auf diese gekräuselten Kom-
miS' niederfahren, die das liebe GesChöpf auf Ver-
anfassung der Direktion zu umwedeln haben und
die gute Luft mit ihrem Warenhausparfüm ver-
pesten. Die Massary schwebt, die Lessing fliegt.
(Ohne Apparate.) Und Giampietro steht fest auf
dem Boden, ein Könner und Gestalter.
Das Publikum. Wenn man nicht die Entscliuldi-
gung der „Pres'se“ hätte, wäre das Geständnis des
„Dagewesenseins“ peinlich. Diese satten und
platten Menschen bilden also die „Creme“ (oder
werden Von der Direktion dafür gehalten). Diese
HerrsChäften wagen über Kunst zu urteilten und
erschauern vor Ehrfurcht beim Anblick eines leben-
den Bildes mit Scheinwerferbeleuchtung. Diese
guten Bürger lächen taktlos über seltene und große
MensChen, und geraten in Verzückung, wenn ein
Friseur irgend eine Seichtheit über Gott und die
Welt hinausschmettert. Diese Hütcr der Familie,
diese „Mütter“ werden geil, (sie nennen es „frei“),
wenn man ihnen ordinäre Zoten in die Ohren brüllt.
Und dieste Spießer halten siCh für die große Welt,
weil sle der Baruchiade beiwohnen durften.
T r u s t
Verantwortlich fiir die Schriftleitung:
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE
Wochen-Spielplan der Berlinsr Theater
September
Dienstag
20.
Mittwoch
21.
Donnerstag
22.
Freitag
23.
Sonnabend
24.
Sonntag
25.
Montag
26.
Theater mit gleichbleibendem
Spielplan:
Deutsches Theater
Schumannstrasse 13 a
Fanst
Premiere
D. Romantischen
Der Wider-
spenstigen
Zähmung
Die
Romantischen
Die
Romantischen
Die
Romantischen
Amphitryon
Berliner Theater
Charlottenstr. 93
Gastspiel Hansi Niese:
Das Musikantenmädel
Kammerspiele
Schumannstrasse 14
Der gute König
Dagobert
Gawan
Frühlings-
erwachen
Premiere
Das Kloster
Gawan
Das Kloster
Simson
und Delila
Kleines Theater
Unter den Linden 44
Die verflixten Frauen
zimmer / Erster Klasse
Lessingtheater
Friedrich Karlufer 1
Einsame
Menschen
Kosmersholm
Einsame
Mensehen
Das Konzert
Einsame
Menschen
Einsame
Menschen
Hedda Gabler
Neues Theater
Schlffbauerdamm 4a|5
Bis Freitag: Die goldene
Ritterszeit. Sonnabend u.
Sonntag: Das Alter.
Koraische Oper
Friedrichstr. 104|104a
Der Arzt wider
Willen
Der Arzt wider
Willen
Der Arzt wider
Willen
Hoffmanns
Erzählungen
Tosca
Der Arzt wider
Willen
Der Arzt wider
Willen.
Residenztheater
Blumenstr. 9a
Noblesse oblige
Neues königliches
Operntheater
Königsplatz 7
Manfred
Gastsp. Farrar
Manon
Lohengrin
Cavalleria Rnsti-
eana. DerBarbier
von Sevilla
Gastsp. Farrar
Madame Butterfly
Tannhäuser
Boheme
Trianontheater
Pr. Friedr. Karlstr. 7
Pfade der Tugend
Neues
Schauspielhaus
Nollendorfstrasse 11|12
Der Tarttiff.
Der Herr von
Pourceaugnac
Der Tartüff.
Der Herr von
Pourceaugnac
Der Tartüff.
Der Herr von
Pourceaugnac
Raffles
Wann kommst
Du wieder?
Wann kommst
Du wieder?
Unbestimmt
Nenes
Operettentheater
Schiffbauerdamm 25
Der Graf von Luxemburg
Modernes Theater
Königgrätzerstr. 57| 58
Die Wespe
Der Wert
des Lebens
Der Wert
des Lebens
Die Wespe
Premiere
Die beste der
Frauen
Die beste der
der Frauen
Unbestimmt
Theater des
Westens
Kantstrasse 12
Die sehönste Frau
Künigliehes
Schauspielhaus
Gensdsirm«nmarkt
Der
eingebildete
Xranke
Die ßaben-
steinerin
Moliere und die
Seinen / Tartüfie
Wilhelm Tell
Moliere und die
Seinen / Tartüffe
Die
Journalisten
Moliere und die
Seinen / Tartüffe
Metropoltlieater
Behrenstraäse 55|50
Hurrah — Wir leben noch!
340