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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911

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Nr. 30 (September 1910)
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Adler, Joseph: Richard Voss in Montenegro
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Walden, Herwarth: Theater und Kunst
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Wochen-Spielplan der Berliner Theater
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https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0246

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Montenegriner handelt nun einmal nach einem Her-
zensgebot.

Voßens Traum von einem homerischen König-
reich bleibt, selbst als Voß lange nadh einem Laden
suchen muß, in dem Ansichtskarten zu haben sind.
Es gereicht ihm zum Trost, daß „von Ansichtskarten
ja auch Homer nichts zu singen weiß.“

Aber ein Grand Hotel 1 gibt es in Cettinje. „Der
Wirt, ein kriegerischer, waffentragender Mann,
spridht zu dem Fremdling von seinem Fürsten
und Herrn, ganz Feuer und Flamme dabei werdend.
Ein Dichter ist unser Fürst, eiir Sänger seines Volkes.
Kommen Sie in unser Theater, wenn unseres Fürsten
Nikita, „Königin vom Bal'kan“, aufgeführt wird.
Dann werden Sie selbst hören. Oh, Sie werden
schon sehen! Bfeiben Sie bei uns, Herr; oder kom-
men Sie wieder!“

Voß wollte nicht bleiben, und er will auch nicht
wiederkommen. Er beeilt sich, nach Cattaro zu-
rückzufahren, „wie im Wolkenflug, sturmumheult
und von Nebelnacht umdunkelt ging es' pfeilschnell
durch schwarzes Gewölk hinunter“, er erkannte
nicht einmaf den Abgrund, jn den er hinabstürzen
konnte.

Von neuem in die Welt aller Wirklichkeiten zu-
rückgekehrt (sol'I heißen: in Cattaro wieder glück-
lich angelangt), hört er, daß Montenegro Königreich
werden soll. In Montenegro wußte noch kein
Hammel daVon? Voß nennt die Botschaft seltsam,
aber für ihn war Montenegro schon lange ein König-
reich.

Dem Fürsten Nikita erzählte der Grand Hotel-
wirt, eine waffentragende, kriegerische Gestalt, von
dem seltsamen Besuch eines träumenden Reichs-
deutschen in Cettinje.

„Wie hieß der Edle?“

„Richard Voß.“

,Aha!“

„Er soll ein Dichter sein.“

„Für rnich war er das schon länge“, bestätigte
dcr Fürst. J. A.

Theater und Kunst

Im Modernen Theater unterhielt man sich über
dcn „Wert des Lebens“. Das Stück ist so schlecht,
daß es 1 gleichfalls von Rudolf Lothar sdin könnte.
Man behauptet aber, daß es ein anderer Autor ver-
faßt hat. Jedenfalls war es widerlich. Die trau-
rigen Schauspieltr dieses Institutes benahmen sich
offenbär dank der Regie William Wauers' etwas
gebildeter. ,Herr Alwin Neuß, der bekannte fade
Virtuose, vervollständigte glücklich das „Ensemble“,
das ! nur ein Talent aufwies: Herrn Hermann Pfanz.
Ich möchte endlich nächstens wissen, was William
Wauer kann.

Im Residenz-Theater unterhielt man sic'h. Werte
wurden Gottseidank ausgeschaltet und das Leben
durch Richard Alexander verkörpert. Lieber
ein wahnsinniger Blödsinn als einen blödsinnigen
Wahnsinn. Altx,ander wirkt durch Tonfall und

Gestik. ICh halte ihn für einen Humoristen. Leider
bieten Seine Roflen nie Gelegenheit, festzustellen,
ob er gestalten kann. Man giaubt es fast.

Uebrigens: Ich fürchte, daß man die herrlichen
TitelzeiChnungen nie ordentlich ansieht, mit denen
die Herren Direktoren ihre Programme Schmücken
lassen, und die jetzt bei dem erhöhten Preis ein
doppeltes Interesse gewinnen. Ich will diese be-
scheidenen Schöpfungen von Künstlerhand endlich
aus dem Theaterdunkel ans TagesliCht ziehen, damit
man weiß, wie eng unslere Bühnen mit der Kunst
zusammenhängen. Hier zunächst einmal eins. Es
hät den Vorzug, verständfiCh zu sein. Und der
Herr Baurat, der sich mit rührender Geduld den
Sturm kauft und nach dem 1 ErsCheinen jeder
Nummer telefonisCh Aufklärung über den „Inhalt“
der ZeiChnungen yon Oskar KokosChka verlängt,
wird endfich leinmal auf seine Kosten kommen.

Sonst empfehl'e iCh ihm 1 noch, ins MetropoL
theater zu gehen. Die neue Revue ist *das fetzte
an Geschmack- und Talentlosigkeit. Welches In-
teresse hat ’die gesamte Tagespresse, über diesen
Schmarren spaltenlange, jubelnde Berichte zu brin-
gen ? Man liest von dem „verbürgten, sensätionellen
Erfolg“, trotzdem wiederholt sögar erhebliCh ge-
zisCht wurde. (Von mir.) Der Text wird gepriesen.
Mit demselben Recht könnte man jede Nummer
der „Fliegenden Blätter“ glänzend besprechen. Der
„HausdiChter“ lebt nur von den dümmsten Wort-
witzen. NiCht einmal zur Situationskoimik reicht es.
In früheren Jahren hatte er wenigstens noCh jden
Mut zur Banafität, sein Geistreicheln ist unerträg-
l'ich. Der Hausmusiker besitzt die Frechheit, ohne
weiteres Wagnersche Motive zu den angebliCh' paro-
distisdhen Zwecken des Hausdichtersi spielen zu
läsisen. Was sogar das „elegante“ Premierenpubli-
kum stutzig madhte. Die gesamte übrige Musik
kann an tötlicher Langeweile nicht mehr unter-
boten werden. Oedester, stümperhafter Dilettantis-
mus. So etwas wagt man als „Lebensfreude“ aus-
zubieten. Und dazü die vielgerühmte „Ausstattung“
für zweihundert „Mille“. BaruChträume mit AsChin-
gerphantasie. Die Direktion hält offenbar das Teuer-
bezahlte für das ; beste. Ich glaube, daß kein anderes
Berliner Theater den Herren BaruCh diese üb'el-
bemalte Leinwand abnehmen würde. Wenn eS noch
herzhafter KitsCh wäre. Aber die Firtna läßt ihre
„Phantasie“ lös und ihren ParvenugesChmack. Prin-
zip: möglichst viel falsches Gold und Glühbirnen.
Und es gibt tatsächlich englisch angezogene Men-
sChen, denen das imponiert. Die wirkWCh guten
Roben (slie sind nicht von Baruch) wirken peinfich,
weil man merkt, daß sie den Damen zur leihweisen

Benutzung überlasSen sind. Eigentum der Direktion.
Wo treibt sie nur diese SchunkehnädChen auf. Man
wäre sc'hon Von WaChsfigurenschönheit begeistert.
Auch gegen Gemeinheit wäre nichts einzuwenden.
Aber das Gewöhnliche empört. Die mäßigste
englisChe Truppe wäre dagegen ein adliges Damen-
institut. Bei solChem Menschenmaterial bleibt nichts
weiter übrig, alS die Revuen in die alte Türkei zu
verlegen und seidene Trikotbeine mit verschleierten
GeSichtern zur Schau zu stellen.

Die Solisten. Der Ruf Kettners ist ein Rätsel.
Der Herr kann gar nichts. Thielscher ein Defekt-
schauspieler. (Ich erwähnte dieses gute Wort Von
Karl Krausi schon einmal.) Seine Komik: der Kör-
per, wie ihn ein Gott im Zorn erscbuf. Und nun
das erstaunliChste: drei Künstler sind an dieser
Bühne: Fritzi Massary, Madge Lessing,
Josef Giampietro. Ueber die Massary läßt
sich nichts besseres sagen, al's was ein Freund vor
einem Jahr über sie schrieb: „Wie ein Wunder
lößt sich aus diesem Chor gleichgültiger Glieder
die Massary, die ich Sie durchaus zu den fröh-
lichen Göttinnen zu zählen bitte, die unser Dasein
mit Heiterkeit erfüflen. Wie beherrscht sie den
ungeheuren l'eeren Raum der Bühne. Sie tritt auf,
eine heitere Geberde, sie ist in vollkommener Be-
wegung, sie erobert die Bühne, sie beugt sich,
kokettiert mit ihrem Röckchen, wirft ein paar be-
länglolste Verse hin: unsere lärmvoll irritierten Nerven
beruhigen sich' unter sanftem Streichefn, ganz leichte
Reize durChfließen unster Blut. Sie tanzt, sie sCh'webt
fast, ihre großen Kurven berühren kaum die Bühne,
bezaubert empfinden wir die subtiMe Aufhebung
der Schwerkraft. Trivialte Kouplets entlarven sich
als Träume holdester Grazie. Was sie berührt, be-
seelt siCh durch ihr Temperament.“ Madge Lessing
entzückt durch die Grazie ihres Körpers und ihres
TanzeS. Sie reinigt die Atmosphäre mit ihrer Kind-
haftigkeit. Man inöchte auf diese gekräuselten Kom-
miS' niederfahren, die das liebe GesChöpf auf Ver-
anfassung der Direktion zu umwedeln haben und
die gute Luft mit ihrem Warenhausparfüm ver-
pesten. Die Massary schwebt, die Lessing fliegt.
(Ohne Apparate.) Und Giampietro steht fest auf
dem Boden, ein Könner und Gestalter.

Das Publikum. Wenn man nicht die Entscliuldi-
gung der „Pres'se“ hätte, wäre das Geständnis des
„Dagewesenseins“ peinlich. Diese satten und
platten Menschen bilden also die „Creme“ (oder
werden Von der Direktion dafür gehalten). Diese
HerrsChäften wagen über Kunst zu urteilten und
erschauern vor Ehrfurcht beim Anblick eines leben-
den Bildes mit Scheinwerferbeleuchtung. Diese
guten Bürger lächen taktlos über seltene und große
MensChen, und geraten in Verzückung, wenn ein
Friseur irgend eine Seichtheit über Gott und die
Welt hinausschmettert. Diese Hütcr der Familie,
diese „Mütter“ werden geil, (sie nennen es „frei“),
wenn man ihnen ordinäre Zoten in die Ohren brüllt.
Und dieste Spießer halten siCh für die große Welt,
weil sle der Baruchiade beiwohnen durften.

T r u s t

Verantwortlich fiir die Schriftleitung:
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE

Wochen-Spielplan der Berlinsr Theater

September

Dienstag

20.

Mittwoch

21.

Donnerstag

22.

Freitag

23.

Sonnabend

24.

Sonntag

25.

Montag

26.

Theater mit gleichbleibendem
Spielplan:

Deutsches Theater

Schumannstrasse 13 a

Fanst

Premiere

D. Romantischen

Der Wider-
spenstigen
Zähmung

Die

Romantischen

Die

Romantischen

Die

Romantischen

Amphitryon

Berliner Theater

Charlottenstr. 93

Gastspiel Hansi Niese:

Das Musikantenmädel

Kammerspiele

Schumannstrasse 14

Der gute König
Dagobert

Gawan

Frühlings-

erwachen

Premiere

Das Kloster

Gawan

Das Kloster

Simson
und Delila

Kleines Theater

Unter den Linden 44

Die verflixten Frauen
zimmer / Erster Klasse

Lessingtheater

Friedrich Karlufer 1

Einsame

Menschen

Kosmersholm

Einsame

Mensehen

Das Konzert

Einsame

Menschen

Einsame

Menschen

Hedda Gabler

Neues Theater

Schlffbauerdamm 4a|5

Bis Freitag: Die goldene
Ritterszeit. Sonnabend u.
Sonntag: Das Alter.

Koraische Oper

Friedrichstr. 104|104a

Der Arzt wider
Willen

Der Arzt wider
Willen

Der Arzt wider
Willen

Hoffmanns

Erzählungen

Tosca

Der Arzt wider
Willen

Der Arzt wider
Willen.

Residenztheater

Blumenstr. 9a

Noblesse oblige

Neues königliches
Operntheater

Königsplatz 7

Manfred

Gastsp. Farrar
Manon

Lohengrin

Cavalleria Rnsti-
eana. DerBarbier
von Sevilla

Gastsp. Farrar
Madame Butterfly

Tannhäuser

Boheme

Trianontheater

Pr. Friedr. Karlstr. 7

Pfade der Tugend

Neues

Schauspielhaus

Nollendorfstrasse 11|12

Der Tarttiff.
Der Herr von
Pourceaugnac

Der Tartüff.
Der Herr von
Pourceaugnac

Der Tartüff.
Der Herr von
Pourceaugnac

Raffles

Wann kommst
Du wieder?

Wann kommst
Du wieder?

Unbestimmt

Nenes

Operettentheater

Schiffbauerdamm 25

Der Graf von Luxemburg

Modernes Theater

Königgrätzerstr. 57| 58

Die Wespe

Der Wert
des Lebens

Der Wert
des Lebens

Die Wespe

Premiere

Die beste der
Frauen

Die beste der
der Frauen

Unbestimmt

Theater des
Westens

Kantstrasse 12

Die sehönste Frau

Künigliehes

Schauspielhaus

Gensdsirm«nmarkt

Der

eingebildete

Xranke

Die ßaben-
steinerin

Moliere und die
Seinen / Tartüfie

Wilhelm Tell

Moliere und die
Seinen / Tartüffe

Die

Journalisten

Moliere und die
Seinen / Tartüffe

Metropoltlieater

Behrenstraäse 55|50

Hurrah — Wir leben noch!

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