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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911

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Nr. 21 (Juli 1910)
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Friedlaender, Salomo: Zur Tödlichkeit des Sächselns
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Von Erfolg österreichischer Literatur
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Vogt, Karl: Der Fall Nissen
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https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0172

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Äbendzeit in sein Gesehäftslokal zurück. Er über-
deckte die Käfige der Vögel mit Gaze und Tüchern
und setzte sich vor sein Pult, um zu rechnen. Gleich
darauf ließ er die Läden herunter und verschloß
die Türe. Als er nun mit seiner kleinen Lampe
in der Hand sein Schlafzimmer aufsüchen wöllte,
krächzte ein Vogel im sächsischen Tonfall seiner
verstorbenen Frau: „W i 11 i w a c h a u f! ’si i s t
Zeit!“ Willi Ohnemann fuhr der Schredc so in
die Glieder, daß er die Lampe niedersetzen mußte.
Der taktlose Papagei hing, ohne Käfig, nur an
einer Kette befestigt, in einerü Ringe. „Willi
wa — —“ — „Ruhe!“ brüllte Willi ihn an, es
ergriff ihn eine furchtbare Wut; wie denn die
Natur zuweilen Zorn mit Tränen, wie Feuer mit
iWasser gern kämpfen läßt. Ob nun hier die
Tränen, also das' Wasser, siegte? — Willi kettete
Papchen los und nahm ihn mit in sein Sdhlafgemach 1.
Solche rühfenden Züge an starken Geschäftsleuten
sind recht selten, bedürfen wahrlich der Aufzeich-
nung. Der nächste Vormittag brachte ein recht
scheckiges Aprilwetter, das Sonnenlicht spielte
Kuckuck mit den treibenden Wolken, der Regen
klatschte bald nieder, bald schien er wie naCh oben
gesprüht in der Luft hängen zu bleiben. Ohne-
manns Läden blieb gesChlossen, die Vögel hörte
män drinnen konzertieren. Ein gewisser Blaffke
verlangte durchaus Einlaß und pochte dringend
gegen die Läden! Die Vögel kreischten. Blaffke
ging durch den Flur nach hinten und klingelte
am Privateingang. Ohnemann blieb stumm.
ßlaffke wurde gedankenvoll und ging zur Polizei.
Man öffnete. Am Fensterriegel des Schlafzimmers
hing Ohnemanns Leiche. Im Bett zur rechten Hand
regte sich 1 etwas mit einer Schlafhaube. Das war
Papchen, der Frau Ohnemänns (stelig) Schlafhaube
um den Kopf gewickelt trug und ihr Hemd anhatte.
Als Blatfke ihn von diesen ihm 1 nicht anstehenden
W’äschestücken befreit hütte, rief der Papagei mit
einer Energie, die gar nicht schlecht war: „Willi!
W'ach auf! ’s ist Zeit!“ Er sächselte so
natürlich', daß alles in den April geführt wurde,
zwischen Lachen und Weinen.

Von Erfolgen österreichischer
Literatur

Vor etwa yierzehn Jahren schickte ich zwei
Gedichte an Auguste Groner, die damals eine
jugendzeitung, eine Wochenbeilage eines Wiener
ßlattes, redigierte. S ie hat die Gedichte nicht ver-
öffentlicht, ernannte mich aber zu ihrem Mitarbeiter.
So viele auch 1, alles erwachsene MensChen, ihf
Schreiben lesen mußten, keinem war der Wiener
weibliche Conan Doyl bekannt. Das war vor
vierzehr: Jahfen. Heute wird sChon »hf Name in
OesterreiCh in jedes 1 Kindes Mund sein. Ohne
Zweifel, wird docti jetzt ihr jüngstes' Werk, „Mene
tekel — eine seltsame Gesdrichte“, in nicht weniger
als drei fremde SpraChen übersetzt. Und es sind
schön mehrere ihrer Werke ins Dänische übertragen
worden. Aber das spricht wohl nicht nur für deren

Wert, sondern gewiß auCh 1 für den Bildungsdrang
der Dänen. Vor vierzig Jahren vermittelte ihnen
Jacobsen eine genaue Kenntnis Darwins, indem er
diesen in ihfe SpraChe übertrug, heute lesen sie
schon die Kriminalromane der Auguste Groner.

Welch eine Ehre für die österreichische
Literatur. Und die Hoffnung steigt, daß sie,
gleich dem österreichischen Kellner und Schneider,
in aller Welt zu großer Popularität gelangen wird;
hat doch die jamerikanische Schfiftstellerin Grace
Isabel Colbron in einem jüngst in der Newyorkef
Zeitschrift „The ßookman“ erschienenen Artikel
„Der Kriminalroman in DeutsChland“ der Groner
den ersten Platz angewiesen. Mehr noch, die New-
Yorker Verleger Duffield and Cie., angeregt durchi
diesen Artikel, haben den Entschlußi gefaßt, einen
Band Gronerscher Kriminalromane unter dem Titel
„Joe Müller, Detektive“ herauszugeben. Darüber
große Freude imi Lager all der guten Deutsch-
Oesterreicher, die in gewissen Produkten der
schwarzgelben Literatur die nationale Eigenart und
das Delikate eines! Rahmstrudels oder eines Wiener
Rostbratens wieder erkennen. NamentliCh ein Pro-
fessor Kopallik, dem gewiß; keine Zeile der Eschen-
bach fremd ist, und der voll der Erwartung wäre,
daß mit BartsCh der österreichischen Literatur eine
Regeneration werde, wenn sie eine sblche notwendig
hätte, .begrüßt in einer Wiener Illustrierten Zeitung
mit tiefer Genugtuung den amerikanischen Er-
folg. Er wünscht jedoch auch, daß eS in Öester-
reich zu einer patriotischen Aufgabe Werde (ge-
wbhnheitsmäßig spricht er von Aufgaben) die
ausländischen Verleger und b e r u f s m ä ß i g e n
Uebersetzer auf die heimatlichen Schriftsteller
aufmerksam zu machCn. Diese hinwider sollen im
Wege der erzählenden Kunst Orientiemng ver-
breiten, Aufklärung sChaffen, Liebe zu ihrem Lande
wecken. Es soll mit der Verbreitung der öster-
reichisChen literatur im Auslande zugleich der so
verbreiteten betrübenden Unkenntnis über die geo-
graphische Lage der Donaufnonarchie, wie auch
der Unterschätzung seiner hohen Kultur der Boden
abgegraben werden. Der Herr Professor findet
es beklagenswert, daß Oesterreich in den trans-
atlantischen Staaten vielfach als; eine Provinz
Deutschlands oder als entlegener Balkanstaat gilt.
— Dieser falsChe Begriff von der geographi-
sChen MisSion der DonaumbnärChie bestätigt
aber die Tatsache, daßi ihre Kultur zum
größten Teil ein Zcrrbild ist — unver-
brauchter germanischer Schwädien und ent-
mannter orientalischer Kräfte. Davon wird man
nur wenige k. k. Professoren überzeugen können.
Ganz gewiß nicht Professor KopaSiik, dessen hohe
Meinung von einer österreichiischen Schriftstellerin
ihren Gegenpol in der allerhöchsten Auszeichnung
findet, die auch' ihrem zwanzigsten Roman zuteil
wurde, seiner EinreihUng in die Familien-Fidei-
kommißbibliothek.

Man mußi gar nicht die Spürnase eines'
Detektives besitzen, um unter den Büchern der zeit-
genössischen österreichischen Literatur eins heraus-
finden zu können, das män einem Deutschen von
GeschmaCk zum Lesen empfehlen kann, man darf

sogar mit ruhigem Gewisscn die Uebersetzung irr
diverse fremde Sprachen propagieren.

So segelt unter der trügenden Vignette „öster-
reichische Literatur“ d;ie Massenware einer Unter-
haltungsschriftstellerin nach Amerika, begleitet von
den Segenswünschen eines literaturanalphabeten
Professors.

Beriin und Wien liegen nur so weit auseinander,
daß jemand, der in Wien am frühen Morgen in
seinem Leibblatt den Bericht über eine lumpige
Berliner Premiere liest, am Abend dcs gleiche«
Tages noch! reChtzeitig genug nach Berlin kommen
kann, um jhr auch beiwohnen zu können.

Aber während nahezu ein Jahrzehnt notwendig
war, daß yon Wien naCh Berlin der Name Karl
K r a u s dringe, eines Mannes, der in einem Heft
seiner Zeitschrift mehr Geist und Witz ver-
schwer.det, als die gesamten österreichischen Roda-
tionsliteraten abzusondern imstande sind, genügte
eine gar niCht viel längere Zeit, rnn den Yankees
Kunde zu bringen von Joe Müller, Detektive, dem
Phantom einer Auguste Groner. J. A.

Der Fall Nissen

IDie Erwiderungen, mit denen Herr Nissen die
Anklagen meiner BrosChüre zu beantworten glaubt,
enthalten nichts weiter alS seine beliebte Methode,
sys'tematisch 1 den Gegner durCh’ nebensächliche Ein-
würfe zu verwirren, von den Hauptpunkten abzu-
lenken und im übrigen dreist und gottesfürchtig
abzuicugnen. Ich ! halte es deshalb überflüssig, mich!
in Polemiken über Einzelheiten einzulassen.

Hingegen: die Infinuation, iCh 1 hätte die Bro-
sChüre auf BeSteltung gegen Bezählung geschrieben,
eridäre iCh für eine raffinierte Verleu m dung,
die siCh Herr Nissen glatt aus den Fingem gesogeß
hat. Mit seiner bekannten Gewislsenlosigkeit und
Lügenhaftigkeit suCht Herr Nissen wieder einmal
seinem Gegner die Ehre abzuschneiden, weit er
die eigene sonst nicht länger retten kann.

Ich habe für meine BrosChure weder ein
Honorar oder etwas ähnlicb.es erhalten, noCh 1 bin
ich an ihrem buchhandlerischeri Erfolg pekuniär
interessiert. — Ich denke nun doCh, daß; Herr
Nissten sich! der gerichtlichen Klarstellung
nicht länger entziehten kann.

Einstweilen erklärt Herr Intendanzrat Ledner
an die Zeitungen:

„Ich beziehe mich auf die seinerzeit in der Nummer
Ihres Blattes vom 12. Dezember 1905 veröffentlichte
Erkiärung des Herm Direktors Max Reinhardt, ir. der
es heisst; „. . . Die Direktion des „Neuen Theaters“
kann Herrn Nissen den Vorwurf der bewusster. Unwahr-
heit nicht ersparen und hat den lebhaften Wunsch,
dass Herr Nissen ihr Gelegenheit gibt, diesen Vor-
Wurf Vor Gericht mit Dokumenten zu erhärten . . .“
Diese fiinf Jahre zuriickliegende Erklärung Reinhardts
gegen Nissen mache ich heute zu meiner eigenen.

Emil Ledner.“

Ich 1 untersdircibe mit:

KarI Vogt

Verantwortlieh für die Schriftleitung:
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE







Wenn bas von ü>nen bisl)er gebraudjte COunbwaf|cr 3U
Cnbe ift, fo empfehlen wär Ißnen, an öeffen Stelle einen
Verfud) mit K«smln 3U madjen. Sie weröen finben,
öafe Sie öiefes in gan3 befonöerem CDaße befirieöigt, öenn
Kosmln ßat überaus erfrifd)enöen Wohlgefdjmach,
honferviert öie 351)ne unö hräftigt öas Saljnfleifd).
Slajd>e (T)k. 130, lange ausreidjenö, überall häufüci).
 
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