Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0151
DOI Heft:
Nr. 19 (Juli 1910)
DOI Artikel:Laudon, R: Wider die rote Flut
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0151
Umfang acht ’Seiten Einzelbezug: tO Pfennlg
WOCHENSCHRIFT FÜR KULTUR UND DIE KÜNSTE
Redaktion und Verlag: Berlin-Halensee, Katharinenstrasse 5
Fernsprecher Amt Wiimersdorf 3524 / Anzeigen-Annahme und
Geschäftsstelle: BerlinW35, Potsdamerstr. 111/AmtVI 3444
Herausgeber und Schriftleiter:
HERWARTH WALDEN
Vierteljahresbezug 1,25 Mark ) Halbjahresbezug 2,50 Mark/
Jahresbezug 5,00 Mark / bei freier Zusteilung / Insertions-
preis fiir die fiinfgespaltene Nonpareillezeiie 60 Pfennig
JAHROANO 1910 BERLIN/DONNERSTAG DEN 7. JULI 1910/WIEN
NUMMER 19
INHALT: R. LAUDON: Wider die rote Flut / MAX BROD: Über die Schönheit hässlicher Bilder / FRANK WEDEKIND: Fiorenza / PAUL LEPPIN: Daniel Jesus / Roman
ELSE LASKER-SCHÜLER: Leise sagen — / ALFRED DÖBLIN: Gespräche mit Kalypso über die Musik / KURT HILLER: Oskar Kokoschka / OTTO STÖSSL: Jugend-
fomane / J. A.: Zur subjektiven Heineforschung / KARIKATUREN
3
Deutsche Staatsmänner
Amim
Schorlemer
Wider die rote Fiut
R. Laudon
Zwei neue Sitze sind den Sozialdemokraten zu-
Sefallen, einer an der Ostsee, einer am Main. Und
Jeder weiß: würde man Stichproben machen irgend-
w° sonst in Deutschland, an der Elbe, an der
^ssischen Orenze, selbst am Rhein, so würde man
hberall das gleiche rapide Anwachsen der Regie-
rungsopposition feststellen. Leute, die nie auf
® lhem Wahlgang gesehen wurden, wird man im
ornmenden Jahr an der Urne ein mehr oder
Weniger offenes „Nein“ sprechen hören zur „staats-
erhaltenden' ‘Politik. Die an der Tete wissen das;
aber ihre Not ist groß. Bei dem üppigen Auf-
blühen des Landes, bei einem Uebermaß an
Talenten, großen Begabungen in Technik, Wissen-
schaft, Kunst, Kaufmannschaft und Verwaltung ein
völliges Brachliegen politischer Produktion. Nie-
mand wird all den Herren oben, die wie Zeppelin
stolz anschwirren und wie er kläglich stranden,
den guten Willen absprechen; liebenswürdige Men-
schen meist, tüchtige administrative Funktionäre,
auch feine Köpfe. An der Spitze der ehrenwerte
Herr, der alle paar Wochen einen Minister schlach-
ten muß, lun seiner angeborenen Körperschwäche
nachzuhelfen. Mit geschlossenen Augen tappen sie,
die willigen, so bemühten Herren säcH hin, mit
völlig geschlossenen Augen, und wissen nicht,
warum sie nicht den Weg finden. Schuld ist: es
fehlt der Nachwuchs in Diplomatie und Politik,
es liegt an der geringen Politisierung größerer,
Talente aufbringenden Massen, es liegt an dem
Abschluß dieser Kreise von Politik und Diplomatie.
Dieselben frischen Leute brauchts, die den deutschen
Namen in Technik und Wissenschaft groß gemacht
haben, die dem Leben befreundet und mit ihm
vertraut für die Politik in Neigung und Leidenschaft
gewachsen sind. Man scheint oben nicht zu wissen,
daß die höheren und höchsten Stellen der Ochsen-
tour verschlossen bleiben müssen, daß in dieser
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WOCHENSCHRIFT FÜR KULTUR UND DIE KÜNSTE
Redaktion und Verlag: Berlin-Halensee, Katharinenstrasse 5
Fernsprecher Amt Wiimersdorf 3524 / Anzeigen-Annahme und
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Vierteljahresbezug 1,25 Mark ) Halbjahresbezug 2,50 Mark/
Jahresbezug 5,00 Mark / bei freier Zusteilung / Insertions-
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JAHROANO 1910 BERLIN/DONNERSTAG DEN 7. JULI 1910/WIEN
NUMMER 19
INHALT: R. LAUDON: Wider die rote Flut / MAX BROD: Über die Schönheit hässlicher Bilder / FRANK WEDEKIND: Fiorenza / PAUL LEPPIN: Daniel Jesus / Roman
ELSE LASKER-SCHÜLER: Leise sagen — / ALFRED DÖBLIN: Gespräche mit Kalypso über die Musik / KURT HILLER: Oskar Kokoschka / OTTO STÖSSL: Jugend-
fomane / J. A.: Zur subjektiven Heineforschung / KARIKATUREN
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Deutsche Staatsmänner
Amim
Schorlemer
Wider die rote Fiut
R. Laudon
Zwei neue Sitze sind den Sozialdemokraten zu-
Sefallen, einer an der Ostsee, einer am Main. Und
Jeder weiß: würde man Stichproben machen irgend-
w° sonst in Deutschland, an der Elbe, an der
^ssischen Orenze, selbst am Rhein, so würde man
hberall das gleiche rapide Anwachsen der Regie-
rungsopposition feststellen. Leute, die nie auf
® lhem Wahlgang gesehen wurden, wird man im
ornmenden Jahr an der Urne ein mehr oder
Weniger offenes „Nein“ sprechen hören zur „staats-
erhaltenden' ‘Politik. Die an der Tete wissen das;
aber ihre Not ist groß. Bei dem üppigen Auf-
blühen des Landes, bei einem Uebermaß an
Talenten, großen Begabungen in Technik, Wissen-
schaft, Kunst, Kaufmannschaft und Verwaltung ein
völliges Brachliegen politischer Produktion. Nie-
mand wird all den Herren oben, die wie Zeppelin
stolz anschwirren und wie er kläglich stranden,
den guten Willen absprechen; liebenswürdige Men-
schen meist, tüchtige administrative Funktionäre,
auch feine Köpfe. An der Spitze der ehrenwerte
Herr, der alle paar Wochen einen Minister schlach-
ten muß, lun seiner angeborenen Körperschwäche
nachzuhelfen. Mit geschlossenen Augen tappen sie,
die willigen, so bemühten Herren säcH hin, mit
völlig geschlossenen Augen, und wissen nicht,
warum sie nicht den Weg finden. Schuld ist: es
fehlt der Nachwuchs in Diplomatie und Politik,
es liegt an der geringen Politisierung größerer,
Talente aufbringenden Massen, es liegt an dem
Abschluß dieser Kreise von Politik und Diplomatie.
Dieselben frischen Leute brauchts, die den deutschen
Namen in Technik und Wissenschaft groß gemacht
haben, die dem Leben befreundet und mit ihm
vertraut für die Politik in Neigung und Leidenschaft
gewachsen sind. Man scheint oben nicht zu wissen,
daß die höheren und höchsten Stellen der Ochsen-
tour verschlossen bleiben müssen, daß in dieser
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