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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911

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Nr. 23 (August 1910)
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Laudon, R: Neben der Brüsseler Ausstellung
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Bimini: Louis Foulda
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https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0187

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verständnis, Masdiinen iiber Maschinen zu produ-
zieren, das Nächste und Fernste zugänglich machen,
und das Auge erblinden zu lassen, welches dies
Fernste sehen söll. Ich komme mir vor wie unter
Symbolen und Allegorien, bei denen niemand mehr
die Bedeutung weiß. Vor einem einzigen Satz,
über den ein Mensch lacht oder erschauert, vor
einem ldeinen Takt Musik, unter dem sich'die Hände
fal'ten, wird der Riesenmotor urid das Aeroplan zu
einer Weitschweifigkeit, einer bureaukratischen Be-
mühung, zur Trophäe eines exotischen Qötzen
Vitzlipultzli. Ich werde in Brüssel, so träume ich,
alles sehen: den Wein, seine Bereitung, seine Auf-
nahme seine Wirkungen; ich werde viel'e, mannig-
faltige Weine sehen. — Ich sah zwei Lunaparks
auf einem Terrain, — woran man die Welt-
ausstellung erkennt, — bemalte Indianer tanzten
zahm in einem Buffalo-Bill-Cirkus, das Volk
kreischte auf einigen Rutschbahnen; für zehn Cen-
times konnte jedermann 3as durchaus kleinste Pferd
der Welt sehen. Kneipen, Karussel, Jahrmarkt:
Dorf, Dorf, Dorf — — e'ine „Weltausstellung“!
Schweig still mein trotzges Herz! — Aber überall,
in der Ausstellung, in den Eisenbahnzügen, in den
Städten scholl das Lob Dqutschlands. Wir haben
eine „Ausstellung komplett“ geliefert. Neben den
prächtig aufragenden Bauten der arideren Staaten
Iagert platt ein breites, vollgefressenes Tier, die
deutsche Abteilüng, formlos, stumm, mit einem gut-
mütigen Spott die Nachbarn betrachtend. Niedrige
Halien; tritt man ein, so weiß man schön die Formel
dieser Abteilüng: sie hat’s in sich: gediegen. Aucli
der Deulsche fühlt sich gefesselt; ein Berliner neben
mir grinste vergnügt mit den Worten: ,jUns kann
keener.“ Er trug zwei unglaublich klobige Stiefel,
sogenannte Quadratlatschen, und Wadenhosen; er
bot das vollendete Bild eines Weltreisenden, dessen
Bekanntschaft bereichert. Die Deutschen, das unter-
liegt keinem Zweifel, ’naben mit dieser Ausstellung
ihren Ruf im Ausländ großartig vermehrt; und das
Staunen über ihre Leistungsfähigkeit wird ins
Immense wachsen. Ich sah einen würde-
übersättigten Sitzungssaal für Karlsruhe, ein
mystisches Trauzimmer, goutierte die Finessen un-
serer Präzisionsmechanik, — Leitz und Zeiß sind
ganz vorbildlich; clie belgischen Institute beziehen
aus England nur noch die Stative für die deutschen
Instrumente, — schwefgte im dem Augentrost von
Werken der Lithographie. Beim Verlässen der über-
reichen Pavillons drängte mir der Stolz den
heroischen Gedanken an die Dinge auf, die ich hier
nicht sah und nicht sehen konnte: an unsere Musik,
unsere Philosophie und Medizin; ein patriotisches
Freudegefühl war unabwendbar und vollkommen. —
Draußen in den Qärten erwischte ich nach halb-
stündiger Wanderung einen Platz, wo nur drei
Kapellen zu gleicher Zeit zu hören waren. Uebrigens
will ich bei der Gelegenheit nicht eine BeobaChtung
unterschlagen, die ich auch in den Berliner „Zelten“
öfter gemacht habe: minderwertige Musikschmarren
wc-rden momentan geistreich, wenn sie zu dreien
bis fünfen gleichzeitig gespielt werden; eine Be-
obachtung, die, so interessant sie ist, doch für
Deutschland etwas Neues bedeutet, da bei uns nur
Richard Strauß sie beim Anrichten seiner musi-
ka'lischen Quetschkartoffeln verwertet. — Eine fabel-
haft modtume junge Dame setzte sich bald neben
mich; sie trug einen Miniaturfederhut und spielte
vielversprechend mit ihrem Sonnenschirm; alle Engel
meiner Heimat sangen in mir auf, als die Jungfrau
auf meinen höflichen Gruß entgegnete: „Det
quatsche Französisch kannste dir schenken; wir
haben uns doch ooch sonst janz jut verstanden.“
— Ich erhob mich mit ihr, völlig hingerissen von
deutscher Art.

Louis Foulda

Der BerlinCr Lokal-Anzeiger will’s nicht be-
greifen. Noch immer hält er Herrn Ludwig Fulda
für einen Dichter, sogar für einen sympathischen
und erteilt ihm den ernstgemeinten Rat, nach Frank-
reiclf zu ziehen und statt über Moliere und Rostand
Vorträge über den „deutschen Dichter Ludwig
Fulda“ zu halten. Niemals hätte ich’s mir so schwer
vorgestellt, den Berliner Tokal-Anzeiger darüber
aufzuklären, daß es in puncto „Dichten“ mit dem
Reimen nicht getan ist. Daß Ludwig der Reimer
einmal für den Schillerpreis in Vorschlag gebracht
wurde, beweist »doch genug gegen die

Neben derBrüsseler Ausstellung

Von R. Laudon

I

13ei einem natürlichen Haß gegen Museen, Aus-
stellungen und ähnliche spanisChe Stiefel mied ich
in Brüssel nach ein paar flüchtigen BesuChen diesen
Ort einer ungeheuren Arbeit. Eine Weltausstellung
hat etwas Peinliches, Ungesundes, wie Volapük,
Esperanto; man muß alles anerkennen, aber es hilft
nichts, es ist sinnlos, völlig überflüssig, Gelehrten-
arbeit. Brasilien ist gewiß im Reich von immenser
Ausdehnung; es hat in sich große Wüsteneien und
größeren "Wunsch naöh Belebtheit, es ist ein zukunft-
volles, sehr besonderes Land; aber Brüssel gibt
von ihm den Eindruck eines riesigen Kaffeesackes.
Man fällt in Schwermut, wenn man Argentinien
sucht und nur Reitstiefel findet. Wir haben alle die
mächtigsten Einflüsse erfahren, von dem Rußland
Tugernjews und des fabelhaft hellsidhtigen Dosto-
jewski; die Revolution ist in frischer Erinnerung; das
unheimliche Land verhaucht auf der Weltausstellung
in Pfeifenköpfen und eingelegten Spazierstöcken.
Ich schreite ungeduldig nach dem Abteil der Türkei;
es muB ein ganz phantastisches GlüCk se'in, denk’
ich mir, dort zu leben, jetzt, wo die tiefen Weisheiten

Mohämeds von westlichen Zweifeln angefressen
werden, wo Asien wehklagend in denselben
Bosporus gedrängt wird, in den es bisläng liebevoll
seine jungen Angreifer versenkt hatte. Wie sonder-
bare Gedankenmischungen mögen da entstehen,
welehe appetitliche Fülle von Paradoxen, west-
östlichen Tragikomödien. Es beschwert mich nicht
mehr, daß ich statt dessen nur Glasperlen und
Tabak antreffe. Auf der Reise wiegte ich mich
manchmal in dem Gedanken: an Vergnügungen,
Späßen und Lüsten wird diese Ausstellung ihres-
gleichen suchen. In dem kecken Brüssel erbaut,
wird sie dem Fremden eine sorgfältige Auswahl
einheimischer und ausländischer Vergüngungsart
geben; in dieser eleganten lebenslustigen Stadt hat
man es längst erkannt, daß Industrie und Handel
wertvoll ist, aber nicht minder wichtig, sich ihrer
zu bedienen. Was gehen mich die Tänze der
Senegatneger ,an, die Sprünge dressierter Affen?
Kein Aufschwung in Handel und Industrie, ohne daß
die Menschen bedürftiger, anspruchsVoller, genuß-
süChtiger geworden wären; man zeige mir nun den
Genriß all dieser Gegenstände, man zeige mir die
Verwertung dieser Industrien, man belehre mich,
maChe mich begieriger; weise mir den Boden, aus
dem diese Früchte gewachsen sind, und den Mund,
der sie essen soll. Es wäre ja ein aberwitziges Miß-

Schlechte Dichter / II! / Gustav Frenssen

Verfasser von Jörn^Uhl / Hilligenlei

Samnel Fridoli-i r

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