Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911

DOI Heft:
Nr. 44 (Dezember 1910)
DOI Artikel:
Der fliegende Holländer: und Der starke englische Stahlbohrer
DOI Artikel:
Walden, Herwarth: "Bücher zu Geschenkzwecken", [3]
DOI Artikel:
Crotalus: Die Rechnung mit dem Wirth
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0358

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
damit habe ich dem Wasser einen Abzug geschaffen“.
Such is sketch. Dagegen verblassen alle Schillerschen
Sketche. Denn als jene Qertrud Mangelsdorff einiges
von ihrer Kleidung ablegt, um den vermeintlichen
Fürsten zu ködern und dabei an ihren Strümpfen
einige sehr wertvolle Nesteleien vorzunehmen, konnte
sich mein Nachbar nicht enthalten mir zuzuflüstern:
„Ich glaube, sie sind beide von Adel.“ Such is sketch.
Nie wieder will ich etwas wissen von psychologisch
notwendigen Damenstrümpfen und Fischmayonaisen.
Sollte ich doch noch einmal daran erkranken, werden
mir ein halbes Dutzend unmotivierter Revolverschüsse
im blauen, roten oder grünen Licht, einige Entkleidungen,
die ihren Zweck in sich tragen, und im äussersten
Notfalle ein starker englischer Stahlbohrer wieder zur
Genesung dienen.

K. M.

„Bücher zu Qeschenk-
zwecken“

II

Ungleich härter, bewusster tritt Thackerey in eine
Literatur ein, die eben die beruhigte Lebensstimmung
eines Dickens in sich aufgenommen hat, die Neigung
zur heiter oder trüb beleuchteten Idylle. Mit gelassenem
Hohn ruiniert er die Idylle durch die Praxis und das
Sentiment durch den Willen zum business. Viel be-
wusster als Qögol treibt auch Thackerey jene gefährlichste
Form der Verachtung die gestaltende Kraft in die
Fingerspitzen: jenes starke Künstlergefühl, dass der
Kot der Weltgeschichte die Mittelmässigkeit ihrer Qe-
schöpfe, undj dass das Format in jeder Gestalt
wertvoller ist. Flaubert zieht die schärfste Konsequenz
aus diesem Gefühl: er deduziert hieraus gleichsam
seine Stilgesetze. Thackerey bringt die grandiose Ver-
achtung einer starken Persönlichkeit mit, der auch die
wohlmeinende Mediokrität nicht minder degoutant ist:
und wenn das Inferno plötzlich aufstrahlt, um eine
rührende Ehe zu beleuchten — so lauert Bitterkeit
und Ironie im Hintergrunde und entblösst bestenfalls
'wenschliches Mitleid., das sich der Formung, ent-
zogen hat. So ist es im Jahrmarkt des Lebens: aber
im Pendennis spielen schon andere Lichter, trübere und
fahlere. Und zwischen diesen klirrenden Messern blitzen
Humore auf, so grausam und mitreissend, dass man
hinter ihnen schon den ganz grossen Dichter spüren
muss, um sie zu ertragen. Wenn man in seinem
Licht einen seiner Erben, selbst einen so fruchtbaren
Kopf wie Shaw sieht, fühlt man erst, wie gewaltig die
Erscheinung dieses Ahnherrn war.

Essei demVerlagGeorgMüllernichtvergessen, dasser als
erster eine würdige Ausgabe der Erinnerungen Casanovas
geschaffen hat. Wir besitzen ihren Originaltext nicht:
er verfault in den Keilern des Verlages Breitkopf ad
majorem dei gloriam. Heinrich Conrad hat aus den
vielen Lvorliegenden Texten ein sinngemässes Mittlere
geschaffen, und so ist diese Ausgabe selbstverstänalich
die vollständigste und lesbarste. Casanova hat in
unserer Zeit eine ganz neue Bewertung erfahren, die
ihn meist absichtsvoll stilisiert wiederspiegelt. Hier ist
das Original geboten: ein Schriftsteller von prachtvollem
Temperament, ein geborener Schriftsteller, dem die
Sprache jede Erinnerung zart und willig aufnimmt.
Und es fügt sich in das Bild dieses Mannes gut ein,
dass er sich streng an die Tatsachen hielt, wie die
Forschung nunmehr festgestellt hat: das Zeichen einer
Persönlichkeit, die wohl wusste, dass das Phantastische
eines Lebens die tiefe Erlebnisfähigkeit der dürrsten
Realität ist, dass jedes Erlebnis als historische Er-
scheinung durch seine Verknüpfung mit zahllosen Zeit-
ereignissen eine tiefgreifende Stilisierung erfährt. Die
Erinnerungen Casanovas gehören zu jenen grossen
Werken, die uns einen Menschen erleben lassen: diesen
Begriff in der unabmessbaren Grösse seiner Bedeutung:
als Mikrokosmos, als Sammellinse aller Weltbegeben-
heiten, die seinen Sinnen wahrnehmbar werden. Je
energischer, plastischer sich die Umrisse dieser Per-
sönlichkeit herausarbeiten, um so stärker schwillt das
Gefühl im Leser an, eine Zeit, eine Welt zu erleben,
die wiederum nur da ist, um einer Persönlichkeit zum
stilvollen Ausdruck ihrer selbst zu verhelfen. Es ist die
mächtigste Steigerung des Lebensgefühls: und bei der
allgemeinen Empfindlichkeit für sexuelle Reize, die das
Zentrum dieses Werkes bilden, wird kein Buch dieses
Gefühl leichter, sicherer und unmittelbarer hergeben.
Wer aber am Casanova nur die budapester Nuance
wittert, mag wenigstens in den Denkwürdigkeiten des
Prinzen von Ligne nachlesen (die der Verlag Müller
ebenfalls versprochen hat), wie dieser gegen jeden Be-
trug gefeite, erfahrene Epikuäer von der prachtvollen
Persönlichkeit des Venetianers ergriffen wurde.

Dass das Werk August Strindbergs in diesem Ver-
tag nun endlich gesammelt ist, mag als ein Hinweis
genügen. Die Erziehung durch sein Werk gehört zu
einer Seele, die gegen die Werte unserer Zeit miss-
trauisch geworden ist. Und auch von Villiers de l’lsle
Adam soll nur der Name hier stehen: des grossen
französischen Dichters, dessen Nachtgeschichte von einer
wundervollen Helligkelt ihrer Abenteuer sind. Und dass
das Erscheinen einer Auswahl von Savage Landors
imaginären Gesprächen in Aussicht gestellt ist, muss
hier verzeichnet sein

Dieser flüchtige ganz unvollkommene Querschnitt
durch eine Verlagstätigkeit, die erst wenige Jahre um-
fasst, verspricht viel für die Zukunft dieses Verlages

Um wievie! wären wir ärmer, wenn alle diese Dinge
unterblieben wären. Oder wenn dieser kühne Ge-
schäftsmann nicht meistens von einem ausgezeichnetem
Kulturgefühl dirigiert würde. Und das Mutigste hat er eben
erst insceniert: eine Gesamtausgabe der Werke Goethes
und Schiller, ein Monumentalwerk deutschen Buch-
gewerbes, das unter Vermeidung alles Schmuckes nur
durch den Wert des sachlich behandelten Materials
wirkt. T.

Die Rechnung mit dem
Wirth

In München lebt ein Privatdozent, Herr Dr. Albrecht
Wirth, der Mitarbeiter sämtlicher Zeitungen und Zeit-
schriften Deutschlands ist — mit Ausnahme des Sturms.
Dieser Herr, ein Orientalist, der in seinem Fache noch
oberflächlicher ist als Hammer-Purgstall, liess sich in
Nummer 183 des „Tag“ unter der Ueberschrift „Ullsteins
Orient“ also vernehmen:

„Preussen griff mit gewaltiger Hand ein, um sechs-
undzwanzig deutsche Bundesstaaten unter seiner Faust
zu einen und dem Partikularismus ein Ende zu machen.
Aehnlich gehen manchmal in der Gegenwart grosse
Verieger vor, um die Gelehrten ihrem Spezialismus zu
entreissen und ihre Arbeit einem grösseren Ziele
dienstbar zu machen.“ Das stand im „Tag“ aber
besser hätte es „cas“ in der „B Z “ nicht machen
können. „Ullsteins Orient“ - so östlich gebärdet sich
doch die Ullsteinsche Zeitungsfabrik nicht mehr. Auch
gehört ihr der Orient noch nicht. Immer noch gibt
es am Bosporus keine Morgenpostlesehalle, in der die
Haremsdamen ihre Liebesbriefe auf Gratispapier schreiben
und die so schnell beliebt gewordenen Ullsteinbücher
einkaufen könnten. Aber dies hinderte Herrn Dr. Wirth
nicht, in der sonst reinlicheren „Frankfurter Zeitung“
die Ulisteins mit Schiller, York von Wartenberg, Lindner,
Schäfer und Egelhaaf in eine Reihe zu stellen. Wie
billig der Ruhm heute istl Bei Massenabnahme Rabatt.
Nebenbei ist die Rechnung, die der Wirth geinacht
hat, nicht ganz richtig. Das Werk die „Weltgeschichte“
wurde von dem immerhin nicht ganz unbekannten
Historiker von Pflugk-Harttung entworfen. Die Uilsteins
schwangen nur die Reklametrommel für das Werk, das
seltsamerweise etwas taugt Man wird in Zukunft die
Rechnungen genauer zu prüfen haben, die der Wirth
aussteilt Gegen Preisschleuderei darf das Gesetz des
unlauteren Wettbewerbs angewandt werden!

Crotalus

Verantwortlich für die Schriftleitung
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE

Verantwortlich für die Schriftleitung in Oesterreich-Ungarn
I. V.: Oskar Kokoschka

BUCHDRUCKARBEITEN

--— ALLER ART ---—

CARL SCHÜSSLER - HANNOVER

--—— ARTILLERIESTRASSE 15 ——=—

sSss a”n Cafe Continental s“. r

Jeden Abend von 9—4 Uhr Nachts:

GROSSES KUNSTLER-KONZERT

:: Alle bedeutenden Zeitungen und Zeitschriften ::

„Der Forscher“

Illustriertes Zentralblatt für deutsche
Forschung

Herausgeber: Bund deutscher
Forscher,Hannover,unter hoher
Ehrenpräsidentschaft Sr hoch-
fü.stl. Durchlaucht des Prinzen
Bernhard zur Lippe, Redaktion:
Georg August Grote, Hannover
Jährlich zwolf starke Hefte mit Bei-
trägen berühmter Autoren. Ordent-
liche Mitglieder des Bundes deutscher
Forscher erhalten den „Forscher“
unentgeltiich und portofrei gegen
den Jahresbeitrag von Mk. 5.—, bezw.
K. 6.—, fördernde Mitglieder gegen
den Jahresbeitrag von Mk. 6.—, bezw.
K. 7j20. Jahresabonnement Mk. 5,50,
bezw. K. 6.— inklusive Porto
Probenummer gratis und franko
Inserate finden im „Forscher“
.•. wirksamste Verbreitung
Insertionspreis: Die dreimal
gespaltene Petitzeile 30 Pfg.

— Geschäftsstelle: —

Forscher - Verlag, Hannover.

Hänse Herrmann

Künstlerische Lichtbilder
::: Heimaufnahmen :::

BERLIN W. / Potsdamerstrasse 134a
Nähe Potsdamerplatz
Fernsprecher: Amt VI, 14967
 
Annotationen