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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911

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Nr. 40 (Dezember 1910)
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Lasker-Schüler, Else: Max Brod
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Adler, Joseph: Theater, Literatur und Reklame
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Walden, Herwarth: Vermischtes
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Beachtenswerte Bücher und Tonwerke / Wochen-Spielplan der Berliner Theater
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https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0326

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nur Liebesgedichte in „Prag“ schreiben, wo so
viele Bögen und Wälle sind; und lauter graue
Figuren treten aus iden alten Häusern hervor —
die Steingespenster führen die Herzen bange zu-
sammen. Ich habe manchlmal Sehnsucht nadh Prag,
schon um mit Max Brod durch die Gewölbe seiner
Hermat zu wandeln, wo die alten Häuser wie
Mumien stelm, zur Rechten und Linken.

E!se LaSker-Schüler

Bei Gelegenheit einer Vorlesung von Max Brod im Neuen Klub

Tbeater, Literatur undReklame

Lob Reinhardts

Auch das Wiener Deutsche Volkstheater brachte
zu Schillers Geburtstag eine Neuinszenierung der
Wallenstein-Trilogie heraus. Im Lager wurden
reichlich viel Statisten verWendet. Deshalb lobte
ein Kritiker die „Schhle nach Reinhardt“. Aber sein
Kollege Stefan Großmann, Sozialist und Korre-
spondent des Tageblatts, lacht ihn aus. „Was man
in Wien für eine Reinhärdt-Vorstellung hält. So
wie etwa meine Tante in Görlitz überzeugt ist,
daß sie sich nach der neuesten Pariser Mode kleidet.
Auch gut, Tantchen.“

Was frommt es, daß der eine in dem Massen-
aufgebot von Statisten die Reinhardtsche Marke zu
erkennen glaubt, wenn der andere in Görlitz pine
Tante hat, die überzeugt ist, daß sie sich nach der
neuesten Pariser Mode kleidet.

Schon hat Reinhardt einen Zirkus in Wien ge-
hiietet, denn: „Ernst ist der Anblick der
N o t w e n d i g k e i t“.

Spekulative Buchkritik

Im FastnaChtsprozeß gegen die „Wahrheit“ im
besonderen und gegen die Lüge im allgemeinen fiel
die heitere Behauptung, daß bei einer anständi-
gen Zeitung die Redaktion und die Annoncen-
annahme zwei streng von einander ge-
trennte Teile sind. Das Tageblatt er-
brachte letzthin in unzweideutiger Form den Beweis
hferfür. Es ließ sich eine Buchbesprechung ihres
Kopenhagener Korrespondenten am übernächsten
Tage als „Urteil (der Presse“ bezahlen. Ja,
es fügte sogar noch zu dessen Vervollständigung
den Wortlaut eines IBriefes hinzu, den die Ver-
fasserin des Buches, Karin MichäeLiS, an den
Redakteur des Zeitgeist gerichtet hat.

„Ich werde gebissen und zerrissen“, schrieb
sie ihm, „wir sind hier gegeneinander wie die
Wölfe; bald bin ich gestorben.“

Das Tageblatt gab dieser beängstigenden Klage
einen trostreichen Widerhall in dem schönen Silber-
klang des Geldes, mit dem jedes ihrer Worte jdie
Verlagsgesellschaft „Concordia“ bezahlte.

In Dänemark zerreißt man Karin Michaelis, weil
ihr Werk, laut (Bericht des Kopenhagener Korre-
spondenten vom Tageblatt, ein offenes sexuelles
Bekenntnis einer Dame, nein, die Enthüllung der
krankhaften Erotik einer F r a u ist, die bisher

eine exemplarische Gattin und Mutter war. Aber
hferzulande ist das [Buch für Rudolf Lothar
eine uns in Iden letzten Tagen zugekommene er-
Schütternde Antwort auf die Frage: in welchem
Alter dfe Frau sich selbst am gefährlichsten ist.

„Und wenn man, so versichert er, die Ant-
wiort lfest, packt einen das Grauen.“

Seit Ewers und anderen Poeetastern des Un-
heimlichen ist uns das Gruseln zur AlltagsSpeise
geworden. Es vvird uns nicht an Mut fehlen, ohne
Sensationsgier und Genitalienspannung zu dem
jüngsten Werk der Karin Michaelis zu greifen, das
der Schmock an einem seiner Bruhnsttage,
Wenn er sich sel'bst und uns am gefährlichsten wird,
zum B u c h d e r S a i s o n herab annonciert hät.

Rache

Der Edelste aller Sanssoucier wütet gegen uns * 1
in einer rührenden Anpreisung eines schhell rosten-
den SChlüsselromans. Er sieht in ihm, uns zum
TrotZ, „ein KunstWerk, davon ein einziges Satyr-
kapitel eine ganze Serie ernste Leitartikel über-
ragt.“ Solche nämlich, mit denen in ernsten
Zeitungen und Zeits chr i f ten „gegen
jene Dinge angekämpft, die eben der Roman glos-
siert“. Die Dinge, es kennt sie jeder, sind
Auswüchse unserer Zeit. VersChuldet werden sie
von Leuten, die „b e i m b e s t e n W i 11 e n d e n
natü r 1 ich en La uf des Lebens nicht
mehr sehen können. Sie sondern ihren Spei-
chel auf dfe minderwertige Menschheit ab und
sChreien, wenn man ihnen mit den Scheuerlappen
um die Ohren wischt. Wer lacht da?“

Der ehemalige Maler Edel sChreibt Reklame-
bilder, weil er keine malen kann. Er wählte die
Zeitung zur AnsChlagsäule, und sie gewährte ihm
auch ein bescheidenes Plätzchen. Aber sehr bald
Wurde es ihm zu klein, er vergrößerte es, wodurch
die Bedeutung der Anschlagsäule nicht wuchs.
DoCh die Welt ruht nun einmal nicht auf hohlen
AnsChlagsäulen, der natürliche Lauf des Lebens ist
nicht das Rinnsal, das durch Zeitungslspalten sickert.

Viel wichtiger scheint mir schon die Notwen-
digkeit, an einer der zahlreichen aufreizenden Ecken
jener Säulen, an welchen täglich gemeine Anschläge
auf die Wahrheit und Vernunft verübt werden,
einen servilen Edelknecht der hysterischen Kokotte
„OeffentliChkeit“ zu stellen. Und wenn dieser dann
sich wieder erhebt, über die Auswüchse unserer
Zeit klagt und sich mit einem Zipfel der ausge-
fransten, kotbespritzten Kulterschleppe, die man
ihm aus den Händen geschlagen hatte, die Ver-
klebten Augen wischt, so ist das! ein Bild, wie es
die Neunmalklugen selbst im Okkultistenspiegel
eines Schlüsselromans nicht zu sehn bekommen.

Wer 1 acht da? J. A.

Vermischtes

Der Fremde

Das sehr hübsChe Ausstellungstheater spfelte
eine Jeromiade. Herr Jerome K. Jerome gab bis-

her Lustspiele zum Besten. Zum BeSsern soü sein
Missionsspiel erziehen. Die Absicht ist so deut-
lich, daß man keine böse Miene zum guten Spiel
machCn braucht. Der Heiland im Gehrock (Der
Fremde) wirkt höchst erzieherisch auf die Bewoh-
ner eines Boardinghöuse. DurCh Blick und sanfte
Reden. Hyänen werden zu Menschen. Aber merk-
würdig: was bei einem deutschen Autor kitschig
schien, wirkt bei dem Engländer religiös, fast
schlicht. EthisCher Impetus. Ich kann mir
denken, daß mancher Besucher nach Schlußi der
Vorstellung eine anständige Handlung vorhätte.
Was gegen den ästhCtischCn Wert, aber für die
Reinheit der Gesinnung des Autors spricht.

Gespfelt Wurde überrasChend gut. Nur das
DienstmädchCn, die Magdalene, war mehr für die
Jungfrau von Orleans. Was gleichfalls für ihie
edle Seele spricht.

Lyrik für Maler

Ich will nicht ohne Weiteres annehmen, daß
die Herren Liebermann, Slevogt, Corinth, Th. Th.
Heine, Walser, in Gemeinschaft mit Herrn Heile-
mann „u. A.“ ein Buch illustrieren, zu dem sie
keine seelischfen öder künstleriSchfen Beziehungen
haben. Ein Verlag teilt mit, daß diese Herrcn
„in kaum gehoffter Einmütigkeit vollwertige Doku-
mente ihres Schaffens beisteuerten“, um den regen
Wunsch nach einer illustrierten Ausgabe der Gc-
dichtsammlung „Auf Kypros“ von Marie Madeleine
zu stillen. Dieser böse, süßliche, gemacht erotische
HeinekitsCh wird nur noch in den östlichsten Pro-
vinzen ernst genommen. Und höChstens der Ver-
leger findet in dem Buch noch „grieChisChe Schön-
heitsfreude mit südliCher Liebesglut und deutscher
SehnsuChtsstimmung“ vereint. Bleibt nur zu hof-
fen, daß die Maler diese GediChte nie gelesen
haben. Sie hätten dann aber so vorsichtig Bein
müssen, sich bei irgend einem MensChen zu cr-
kundigen. Sie hätten zum Beispiel in der ver-
dienstvollen Anthölogie von Hans Bethge schon
richtigen Aufschluß gefunden. „Diesen Gedichten
den entsprechenden Bildschfnuck zuzugesellen, war
keine leichte Aufgabe“, seufzt der Verlag. Nun,
die oben genannten Herren häben es gekonnt. Ein
guter Verleger kann aucb bei schlechter „Poesie“
anregen. Trust

Beachtenswerte Bucher und Tonwerke

Ausführllche Besprechung: vorbehalten
Rücksendung findet in keinem Fall statt

KARL KRAUS
Heine und die Folgen

Verlag Albert Langen München

KARIN MICHAELIS

Das gefährliche Alter / Tagebuchaufzeichnungen
und Briefe

Concordia Deutsche Verlagsanstalt Berlin

Verantwortlich für die Schriftleitung:

HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE

Verantwortlich für die Schriftleitung in Oesterreich-Ungai n

I. V.: Oskar Kokoschka

Wochcn-Spiclplan der Berlmer Theatcr


Dienstag

29. November

Mittwoch

30. November

Donnerstag

1. Dezember

Freitag

2. Dezember

Sonnabend

3. Dezember

Sonntag

4. Dezeraber

Montag

5. Dezember

Theater mit gleichbleibendem Spielplan:

Deutsches Theater

Schumannstrasse 13 a

Hamlet

Judith

iHamlet

Herr und Diener

Herr und Diener

Hamlet

Herr und Diener

Kleines Theater
Unter den Linden 44

Verfi. Franenzimmer / I.Kl.
ab Freitag : Varietö / Com-
tesse Clo /1. Klasse

Karamerspiele

Schumannstrasse 14

Der gnte König
Dagobert

Der verwundete
Vogel

Der verwundete
Vogel

Komödie der
Irrungen / Heirat
wider Willen

Komödie der
Irrungen Heirat
wider Willen

Der verwundete
Vogel

Komödie der
Irrnngen / Heirat
wider Willen

Modernes Theater

Könlggrätzerstr. 57| 58 Der Doppelmensch

Lessingtheater

Friedrich Karlufer 1

Wenn der jnnge
Wein bliiht

Ibsenzyklus:
Die Prau vom
Meere

Wenn der junge
Wein blüht

Wenn der junge
Wein blüht

Premiere

Anatol

Anatol

Wenn der jnnge
Wein bliiht

Nenes Theater

Schlffbauerdamm 4a|5

Der G. m. b. H.-Tener

Komische Oper

Friedrichstr. 104|104a

Die Boheme

Abbö Mouret

Die Boheme

Abb6 Mouret

Tosca

Die Boheme

Hoffmanns

Erzählnngen

Residenztheater

Blumenstr. 9a

Der Unterpräfekt

Opernhaus

Am Franz Joseph-Platz

Tristan nnd
Isolde

Der

Waffenschmied

Meistersinger
von Nürnberg

Fidelio

Der Prophet

Mignon

Loheugrin

Trianontheater

Pr. Friedr. Karlstr. 7

Der heilige Hain

Neues

Schauspielhans

Nollendorfstrasse 11|12

Genoveva

Ueber unsre
Kraft

Jungfrau von
Orleans

Genoveva

Premiere

Der Zerrissene

Der Zerrisseue

Wann kommst
Du wieder?

Neues

Operettentheater

Schiff oauerdamm 25

Der Graf von Lnxembnrg

Berliner Theater

Charlottenstr. 93

Der scharfe
Jnnker

Taifnn

Der scharfe
Junker

Der scharfe
Junker

Der seharfe
Junker

Der scharfe
Junker

Taifun

Theater des

Westens
Kantstrasse 12

Das Puppenmädel

Königliehes

Schauapielhans

Gensdarmenmarkt

W allensteins
Lager

Die Piccolomini

Wallensteins

Tod

Der Krampus

Die Joumalisten

Jnlius Caesar

Wallensteins

Lager

Die Piccolomini

Wallensteins

Tod

Metropoltheater

Behrenstrasse &5|56

Hurrah — Wir leben noch!

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