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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911

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Nr. 38 (November 1910)
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Adler, Joseph: Aus den Zeitungen
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Lasker-Schüler, Else: Im neopathetischen Cabaret
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Beachtenswerte Bücher und Tonwerke / Wochen-Spielplan der Berliner Theater
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https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0310

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In Wirklichkeit dreht es sich’ in dem Stück nur
um die Heirat eines Bühnensterns. Der The-
aterreferent der B. Z. a. M., der F. R. zeichnet,
läßt mich das Beschämende jener falschen Ver-
mutung vergessen. Gleich der erste Satz seiner
Kritik über die Erstaufführung des Lustspiels, dem
Bisson, wie Kirstein orakelt, wohl n u r a u s
Freundschaft seinen berühmten Au-
tornamen 1 i e h, rehabiliert mich in dieser Form:
„Ein kundiger Thebaner hat dem Dreiakter Mariage
d’etoile von Alexandre Brisson und George
Thurner den deutschen Titel „Narrenhoch-
zeit“ gegeben. Das klingt schön und
m y s t i s c h, gibt aber keinen Sinn, weil es falsch
übersetzt ist.“

Sehr richtig!

Der hingerissene S. Mg.

Solange wir Glücklichen kein Leinwandzelt
haben, „können wir nicht viele, schöne Sonnentage
im Amphitheater sitzen, Ibsen oder Shaw hören
und dabei doch die frische Luft genießen“, sondern
wir Armen müssen uns den „König Oedipus des
Sophokles“ im Zirkus vorführen lassen.

Ibsen und Shaw unter einem Leinwandzelt.
Mir wird, wenn ich daran denke, schon warm.
Aber Sie sollen auch das noch erleben, Felix Lorenz.

Vorläufig geben sie sich mit der Tatsache be-
scheiden, daß man auch in einer Arena, die eigent-
lich für „hyppologische Künste“ errichtet jst, von
einem Sophokles ganz hingerissen werden kann.
Sigmar Mehring singt in der Volks-Zeitung davon.

„Groß war das Wagnis, das Reinhardt gestern
unternommen, über Erwarten stark der Sieg, hoch
der Gewinn. (Wie hoch?) Ein Griechendrama hat
er hervorgeholt und im Theater der Griechen
ließ er es zu neuem Leben erwachen.“ An die
Olympier im Zirkus Schumann sei hier nicht ge-
dacht. „Was der sechsundsechzigjährige Griechen-
dichter zu des Perikles Zeiten auf die Bühne brachte,
hat zwei Jahrtausende hindurch seine welterschüt-
ternde Kraft nicht verloren, und war noch in dem
späten Nachhall überwältigend, der in Schillers
„Braut von Messina“ donnernd dahinrollt und dann
noch einmal in Anzengrubers ergreifendem Trauer-
spiel Hand und Herz auftönt“. Kundiger
Thebaner, ich hätte ohnehin nicht vergessen, daß
Du der Verfasser einer Verslehre bist, deren eifriges
Studium selbst einen Sophokles zur Verzweiflung
bringen könnte. Es wetteifern Deine schönen Worte
mit dem hellen JKIange der Trompetenstöße, die
den Anfang der Vorstellung verkündeten.

„In die freie Arena ergießt sich ein endloser
Schwall wankender Gestalten, der Thebaner, die
zum Königspalast stürmen, um vor den Schrecken
der Pest Schutz zu erbeten. Waren es Hun-
derte? Waren es Tausende?“

Wie hoch war der Gewinn? Waren es Hun-
derte? Waren es Tausende? Wirres, dummes
Fragen angesichts der einfachsten (aber wür-
digen) Dekoration. „Der listige Meister der Regie,
die Reinhardt selber leitete“, ließ die heitere Schick-
salstragödie einfaCh in einem grauenvollen Rah-
men aufsteigen. Und „den dunkeln Hintergrund

bildete die in den Schatten der Nacht getauch'te
Masse des Publikums, das die amphitheatra-
lisch bis zum Dach aufsteigenden Sitzreihen mit
tief erregten Zuschauern füllte.“

Nachdem die Masse die amphitheatralisch bis
zum Dach aufsteigenden Sitzreihen mit tief erregten
Zuschauern gefüllt hatte, „war das Publikum hin-
gerissen und gab seiner Stimmung jn einem Sturm
von Beifallsrufen Ausdruck“. Aber S. Mg. be-
drückt trotzdem die Frage, ob Sophokles auch bei
uns nachgriechischen Verehrern die Feldherrnwürde
erlangt hätte. Womit wir nach griechischen Ver-
ehrern Sophokles nicht auszeichnen können, sollten
wir Reinhardt ehren. Er könnte deutsche Truppen
siegreich gegen England iin hinreißenden Shake-
speareaufführungen verwenden. Er braucht ein
großes Feld. Der Zirkus Schumann kann ihm so
gewiß zur Enge der Kammerspiele werden, „als
der Aufschrei aus blutender MensChenbrust tönen
wird, solange es iMensChen gibt“. Nämlich der
des unglücklichen Oedipus: „Wer spielt das Spiel
mit mir!“ AIs er im Zirkus SChumann diese ver-
zweiflungsvollen Worte ausstieß, rief keiner mit-
leidig zurück: Reinhardt!

Lernt richtig zitieren

In dem neuen Montagsblättchen schwang sich
der eifernde Ilgenstein auf die Zitatenrosinante, um
einen scharfen Ritt zu tun gegen „die sogenannten
Aestheten und dekadenten Kaffeehausliteraten, die
in dem politisch interessierten Menschen ein Wesen
niedriger Ordnung sehen“.

Die bedeutendsten Männer, selbst Goethe,
Schiller und Hebbel, waren politisch interessiert.
Ilgenstein ist es auCh. Und in der Wahl seiner
Zitate beweist er auCh !, wie dem politisch Inter-
essierten sogar das ParteimensChliChste widerfahren
kann. Mit dem Trostruf „Wr igh t on wrong,
my country“ empfiehlt er ailen, d ie noch n ich t
vertrottelt sind, der konservativen Partei sich
anzuvertrauen, gleichviel, ob sje ReCht oder Un-
reCht hat.

Welchen der Brothers Wright meinten Sie,
Mister Ilgenstein ?

J. A.

Im neopatbetiscben Cabaret

Tausend und Einer. Ich habe mich nicht ver-
zählt, las auch, während ich die Köpfe zählte, Armm
Wassermann Verse seiner Herzensdichter. Weich
und herb, reich und superbe jst seine Sprache;
dazu sein sChwärmerisches, knabenhaftes Savoyar-
dengesicht! — Ich suche naCh einem Stuhl, der im
Verborgenen blüht — endlich finde ich so ein Veil-
chen abseits am Tapetenrand; ich setze mich. Meine
Tänzerin Zobeide, die sehr neugierig auf das
Cabaret der Neopathetik ist, ruht schon lange müde
zwischen weißen, lilagelben, roten und himmel-
blauen Mädchen; ein Dichter mit Honiglippen und

zwei Augen, naschhafte Bienen, als einziger Tasso
ndien ihr und ihren bräutlichen Schwestern. Es
betritt jemand den Oelberg des Saals und predigt
über Kunst. Der Vortrag ist geistvoll, wenn man
sich auch durch Mimik und Brille in die Schule
zurückversetzt glaubt. Noch immer höre ich keine
Gedichte von mir — warum lud man mich ein,
zumal ich keineswegs objektiv bin? Auf einmal
flattert ein Rabe auf, ein schwarzschillernder Kopf
blickt finster über die Brüstung des Lesepulte.
Jakob van? Er spricht seine kurzen Verse trotzig
und strotzend, die sind so blank geprägt, man
könnte sie ihm stehlen. Vierreiher — Inschriften;
rund herum müßten sie auf Thalern geschrieben
stehn in einem Sozialdichterstaat. Ich muß itnmer
ans Geld denken; wie man so runterkommt —
wenn Zobeide, meine Tänzerin, ein Portemonnaie
bei sich hätte, würde jch zu der Menschenhitze
ein Glas Limonade trinken. Ich höre, wie ein Vor-
tragender mit triumphierendem Gesicht Stefan
Georges Dichtungen als Ruhepunkt bezeichnet. Das
muß iCh wiederlegen. Stefan Georges Gedichte
wandeln allerdings, ohne inüde zu werden; nicht
bunte Karawanen über Sandwege; aus ihnen weht
die Kühle endloser Prozessionen zwischen from-
men SChlössern und himmelhohen Domen. Die
Orthographie der Georgeverse erinnert in jhrer
GleiChtönigkeit leicht an englische Sonntagsruhe.
Wars das, lieber Vortragender ? Gern hätte ich
die Rede von Kurt Hiller, dem Präsidenten des
neopathetisdien Cabarets, gehört.

Zobeide, meine Tänzerin, will noch nicht mit
nach Hause kommen.

E1 s e ,L a s k e r - S c h ü 1 e r

Beachtenswerte Bilder

Auswahl nach 1870

MAX LIEBERMANN
Simson und Delila

VINCENT VAN GOGH
Selbstporträt

EDVARD MUNCH
Norwegische Sommernacht

HENRI MATISSE
Blumenstück

GUSTAV KLIMT
Die Schwangere

FERDINAND HODLER
Wilheim Tel!

EDOUARD MANET
Im Cafe

Verantwortlich fiir die Schriftleitung:

HERWARTH WALDENj BERLIN-HALENSEE

Verantwortlich für die Schriftleitung: in Oesterreich - Ungarn:
I. V.: Oskar Kokoschka

Wochen-Spielplan der Berliner Theater

November

Dienstag

15.

Mittwoch

16.

Donnerstag

17.

Freitag

18.

Sonnabend

19.

Sonntag

20.

Montag

21.

Theater mit gleichbieibendem Spielplan :
(Am Bnsstag geschlossen)

Deutsclies Theater

Schumannstrasse 13 a

Herr und Diener

Geschlossen

Judith

Sumurun

Faust

Herr und Diener

Herr und Diener

Kleines Theater Donn, Freitag u Sonnt-:
Unter den Linden 44 Joachim von Brandt. An and.

Tag- Verfl. Frauenz. / I.Kl.

Modernes Theater j)er Donpelmensch
Könifrgrätzerstr. 57| 58

Kammerspiele

Schumannstrasse 14

Komödie der
Irrungen / Heirat
wider Willen

Geschlossen

Scherzo

TänzeWiesenthal

Premiere

Der verwundett
Vogel

Komödie der
Irrungen ' Heirat
wider Willen

Der verwundete
Vogel

Komödie der

Irrungen / Heirat
wider Willen

Lessingtlioater

Friedrich Karlufer 1

Wenn der junge
Wein bltiht

Geschlossen

Wenn der junge
Wein blliht

Premiere

Das zweile
Leben

Wenn der junge
Wein bliiht

Das zweite
Leben

Wenn der junge
Wein blüht

»t Kean. Am 20. u. 21. Nov.:

sSauldamm 4a|5 Schauspieler des Kaisers
Abschied vom Regiment

Komische Oper
Friedrichstr. 104|104a

j Die Boheme

Gesehlossen

Tiefland

Die Bohbme

Tosca

Die Boheme

HofEmanns

Erzählungen

Residenztheater ,u:„.

Blumenstr. 9a Noblesse obllge

Nenes königliches
Operntheater

Königsplatz 7

MadameButterfly

Geschlossen

Geschlossen

Geschlossen

Geschlossen

Der

Evangelimann

Geschlossen

. Der heilige Hain

1 rianontheater 20. November: Monsieur

Pr. Friedr. Karlstr. 7 Alphonse

Neues

Schauspielhaus

Nollendorfstrasse 11 [12

Paust I. Teil

Geschlossen

Jnngfrau von
Orleans

Der Tartiiff

Wann kommst
Du wieder?

Jungfrau von
Orleans

Ueber unsere
Kraft

Neues Der Graf von Lnxemburg

Operettentheater 20. Nov : Wenn der junge
Schiff nauerdamm 25 Wem bltiht. (Lessing-Th.)

Berliner Theater

Charlottenstr. 93

Der neue
Kompagnon

Geschlossen

Der scharfe
Junker

Der neue
Kompagnon

Der neue
Kompagnon

Taifun

Der scharfe
Junker

Theater des

VVestens Pie schönste Frau

Kantstrasse 12

Königiirhes

Schauspielhaus

Gensdarmenmarkt

Der Krampus

Geschlossen

Maria Stuart

Der Krampus

Wallensteins

Lager

Die Piccolomini

Wallensteins

Tod

Rabensteinerin

SÄ Hnrrah - Wir leben noch!

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