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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911

DOI Heft:
Nr. 26 (August 1910)
DOI Artikel:
Hiller, Kurt: Über Kultur, [3]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0207

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Umfang acht Seiten

Einzelbezug: 10 Pfennlg

DER STURM

WOCHENSCHRIFT FÜR KULTUR UND DIE KÜNSTE


Redaktion und Verlag: Berlin-Halensee, Katharinenstrasse 5
Fernsprecher Amt Wilmersdorf 3524 / Anzeigen-Annahme und
Qeschäftsstelle: BerlinW35, Potsdamerstr. 111 / AmtVI 3444

Herausgeber und Schriftleiter:

HERWARTH WALDEN

Vierteljahresbezug 1,25 Mark ; Halbjahresbezug 2,50 Mark/
Jahresbezug 5,00 Mark / beä freier Zusteliung / Insertions-
preis für die fünfgespaltene Nonpareiilezeiie 60 Pfennig

JAHRGANG 1910

BERLIN/DONNERSTAG DEN 25. AUGUST 1910/WIEN

NUMMER 26


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Himmlische tind irdische Liebe

Zeichnung von Oskar Kokoschka

INHALT: KURT HILLER: Über Kultur / ARNOLD
OPPEL: Weg im Vorfrühling / ALBERT EHRENSTEIN:
Der Fluch des Magiers Anateiresiotidas / RUDOLF
BLÜMNER: Frank Wedekind als Aesthetiker / HER-
WARTH WALDEN: Simson und Delila / OSKAR KO-
KOSCHKA: Wintergarten / K. H.: Lyrikabende j
ELSE LASKER -SCHÜLER: In der Morgeufrühe /
C. O. E.: Eine Predigt / TRUST: Dem deutsche Schrift-
stellers / MINIMAX: Eriebnisse

Über Kultur

Von Kurt Hiller

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Ich überlege mir, ob es angängig ist, psychische
Fakta zu „widerltegen“... Jedenfalls widerlegt man
jene komplexe Art neumenschliclven Erlebens und
Oestaltens nicht damit, daß man sie „romantisch“
schilt. Und wenn es heute eine Dichtkunst gibt,
welche das Erlebnismäßige und den Gefiihlston in-
teliektischer Problematik zum Qehalt hat, eine Dicht-
kunst, geschaffen von sol'chen und für solche, die
weder ihre Seele aushängen, wenn sie nachdenken,
noch den Relevanzen ihresl geistigen Selbst den
Eintritt in die Reviere des Erlebnisses verwehren —:
so möge man dies al's eine wundervolle Errungen-
schaft begrüßen, als eine göttliche Gabe letzter
Verfeinerungen, ate das glitzernde Zeichen einer ge-
steigerten Kultur.

Pedanten des Systems und Fanatiker der Schach-
telung haben für dergleichen natürlich keine Finger-
spitzen; so wenig, wie sie etwa ein Organ fiir den
Denkstil Nietzsches haben. Gründlichkeit und Aus-
schöpfung einer Sache ist ihnen nichts anderes als
widers'pruchslöse Einordnung ihrer in ein logisches
Sthema; Problteme betraChten sie dann als gelöst,
wenn es ihnen gelungen ist, sie einzuweben in das
Netz ihrer öden Terminolbgie, deren einziger Vorzug
eine gewisse formale Vollständigkeit ist; und
Scharfsinn meinen sie, wenn sie von T i e f e
reden Ihr Denken, das niemate die bewegenden
Inhälte, sondern stets bloß die starren und kate-
goralisch-leeren Fortnen der geistigen Existenz zu
Gegenständen hat, aber anmaßend genug ist, sich
„Philosophie“ zu nennen, spielt sich in der Ober-
schicht ihres Bewußtseins ab, ohne Verbindung mit
dem Zentrum und Mark der selbstbewußten Leben-
digkeit, mit der Seel'e, der Persönlichkeit, dem
Wiilen; spielt sich ! ab 1, fremd unserer gebenedeiten
Panheit, als das lebenslose Surren eines selbsttätigen
Apparates — mechanisch und nicht organisch. —
Sind dies alles Kriterien der Unrichtigkeit jenes
Denkens? Keineswegs. Aber es sind Kriterien seines
spärlichen Belanges!

Und nun die andere Seite des Daseins dieser Re-
flektionsbolde, logisChen Sägemühlen und „wissen-
schiaftlichen“ Philosophäster: das (auch bei ihnen
unvermeidliche) GefühMeben, ihre Relation zu allen

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