Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0305
DOI Heft:
Nr. 38 (November 1910)
DOI Artikel:Friedlaender, Salomo: Menschliches Allzumenschliches
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0305
Umfang acht Seiten
Einzelbezug: 10 Pfennlg
WOCHENSCHRIFT FÜR KULTUR UND DIE KÜNSTE
Redaktion und Verlag: Berlin-Halensee, Katharinenstrasse 5
Fernsprecher Amt Wilmersdorf 3524 / Anzeigen-Annahme und
Geschäftsstelle: BeriinW35, Potsdamerstr. 111 / AmtVI 3444
Herausgeber und Schriftleiter:
HERWARTH WALDEN
Vierteljahresbezug 1,25 Mark Halbjahresbezug 2,50 Mark /
Jahresbezug 5,00 Mark / bei freier Zustellung / Insertions-
preis fiir dle fiinfgespaltene Nonpareillezeile 60 Pfennig
JAHRGANO 1910
BERLIN/DONNERSTAG DEN 17. NOVEMBER 1910/WIEN
NUMMER 38
INHALT: Dr. S. FRIEDLÄNDER: Menschliches Allzumenschliches / PETER HILLE: Das Mysterium Jesu / PAUL SCHEERBART: Die Kiihnsten / Eine Emanzipations-
Novellette / MYNONA: Das interessante Gespräch / TRUST: Wieder eine Woche: Der Meisterepigone / Die neue Generation / Theaterausstellung / Der neue Compagnon /
Lebensfreude / J. A.: Aus den Zeitungen / ELSE LASKER-SCHÜLER: Im neopathetischen Cabaret / OSKAR KOKOSCHKA: Zeichnung
Friss, Vogel, oder stirb! Zeichnung von Oskar Kokoschka
Menschliches
Allzumenschliches
Von Dp. S. Friedlaender
Die Praktische Vernunft Kants, der
,Wille Schopenhauers, das Leben, diese diony-
sische Macht Nietzsches — allen drei Prinzipien
gemeinsam ist das Wegweisen vom Theoretischen
auf das praktisch-sittlich Empirische. Sie betonen
alle drei den Primät des Willens, der Tatkraft:
aber die Verschiedenheit der Betonungen ist schrei-
end. Ja, man kann gagen, daß der Ton Kants
als zu hoch, der Schopenhauers als zu tief, un-
serem wirklichen Qehör entgehen müssen, während
Nietzsche, beide zur natürlichen Lautstärke korri-
gierend, unser Ohr nicht nur wirklich trifft, son-
dern zugleich auch die Fassungskraft unseres Qe-
hörs in das Ungemessene steigert. Kant hatte die
metaphysische Theorie durch seine Kritik ver-
nichtet; Schöpenhauer verfliichtigte durdi' pessi-
mistische Kritik die iibriggebliebene metaphysische
Praxis zur metaphysischen Verneinung aller
Praxis, geschweige der Theorie: Schopenhauer hin-
terläßt ein metaphysisches Nichts! Nun, man
vergißt gemeiniglich iiber das Exoterische, iiber
die kleinen Mysterien der „Werke“, die großen der
Autoren, in denen Kritik und Skepsis viel tiefer
schwiegen, als sie laut wurden. Was Philosophen
verschweigen, wiirde hinreichen, mindestens jhre
Einzelbezug: 10 Pfennlg
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preis fiir dle fiinfgespaltene Nonpareillezeile 60 Pfennig
JAHRGANO 1910
BERLIN/DONNERSTAG DEN 17. NOVEMBER 1910/WIEN
NUMMER 38
INHALT: Dr. S. FRIEDLÄNDER: Menschliches Allzumenschliches / PETER HILLE: Das Mysterium Jesu / PAUL SCHEERBART: Die Kiihnsten / Eine Emanzipations-
Novellette / MYNONA: Das interessante Gespräch / TRUST: Wieder eine Woche: Der Meisterepigone / Die neue Generation / Theaterausstellung / Der neue Compagnon /
Lebensfreude / J. A.: Aus den Zeitungen / ELSE LASKER-SCHÜLER: Im neopathetischen Cabaret / OSKAR KOKOSCHKA: Zeichnung
Friss, Vogel, oder stirb! Zeichnung von Oskar Kokoschka
Menschliches
Allzumenschliches
Von Dp. S. Friedlaender
Die Praktische Vernunft Kants, der
,Wille Schopenhauers, das Leben, diese diony-
sische Macht Nietzsches — allen drei Prinzipien
gemeinsam ist das Wegweisen vom Theoretischen
auf das praktisch-sittlich Empirische. Sie betonen
alle drei den Primät des Willens, der Tatkraft:
aber die Verschiedenheit der Betonungen ist schrei-
end. Ja, man kann gagen, daß der Ton Kants
als zu hoch, der Schopenhauers als zu tief, un-
serem wirklichen Qehör entgehen müssen, während
Nietzsche, beide zur natürlichen Lautstärke korri-
gierend, unser Ohr nicht nur wirklich trifft, son-
dern zugleich auch die Fassungskraft unseres Qe-
hörs in das Ungemessene steigert. Kant hatte die
metaphysische Theorie durch seine Kritik ver-
nichtet; Schöpenhauer verfliichtigte durdi' pessi-
mistische Kritik die iibriggebliebene metaphysische
Praxis zur metaphysischen Verneinung aller
Praxis, geschweige der Theorie: Schopenhauer hin-
terläßt ein metaphysisches Nichts! Nun, man
vergißt gemeiniglich iiber das Exoterische, iiber
die kleinen Mysterien der „Werke“, die großen der
Autoren, in denen Kritik und Skepsis viel tiefer
schwiegen, als sie laut wurden. Was Philosophen
verschweigen, wiirde hinreichen, mindestens jhre