nur Liebesgedichte in „Prag“ schreiben, wo so
viele Bögen und Wälle sind; und lauter graue
Figuren treten aus iden alten Häusern hervor —
die Steingespenster führen die Herzen bange zu-
sammen. Ich habe manchlmal Sehnsucht nadh Prag,
schon um mit Max Brod durch die Gewölbe seiner
Hermat zu wandeln, wo die alten Häuser wie
Mumien stelm, zur Rechten und Linken.
E!se LaSker-Schüler
Bei Gelegenheit einer Vorlesung von Max Brod im Neuen Klub
Tbeater, Literatur undReklame
Lob Reinhardts
Auch das Wiener Deutsche Volkstheater brachte
zu Schillers Geburtstag eine Neuinszenierung der
Wallenstein-Trilogie heraus. Im Lager wurden
reichlich viel Statisten verWendet. Deshalb lobte
ein Kritiker die „Schhle nach Reinhardt“. Aber sein
Kollege Stefan Großmann, Sozialist und Korre-
spondent des Tageblatts, lacht ihn aus. „Was man
in Wien für eine Reinhärdt-Vorstellung hält. So
wie etwa meine Tante in Görlitz überzeugt ist,
daß sie sich nach der neuesten Pariser Mode kleidet.
Auch gut, Tantchen.“
Was frommt es, daß der eine in dem Massen-
aufgebot von Statisten die Reinhardtsche Marke zu
erkennen glaubt, wenn der andere in Görlitz pine
Tante hat, die überzeugt ist, daß sie sich nach der
neuesten Pariser Mode kleidet.
Schon hat Reinhardt einen Zirkus in Wien ge-
hiietet, denn: „Ernst ist der Anblick der
N o t w e n d i g k e i t“.
Spekulative Buchkritik
Im FastnaChtsprozeß gegen die „Wahrheit“ im
besonderen und gegen die Lüge im allgemeinen fiel
die heitere Behauptung, daß bei einer anständi-
gen Zeitung die Redaktion und die Annoncen-
annahme zwei streng von einander ge-
trennte Teile sind. Das Tageblatt er-
brachte letzthin in unzweideutiger Form den Beweis
hferfür. Es ließ sich eine Buchbesprechung ihres
Kopenhagener Korrespondenten am übernächsten
Tage als „Urteil (der Presse“ bezahlen. Ja,
es fügte sogar noch zu dessen Vervollständigung
den Wortlaut eines IBriefes hinzu, den die Ver-
fasserin des Buches, Karin MichäeLiS, an den
Redakteur des Zeitgeist gerichtet hat.
„Ich werde gebissen und zerrissen“, schrieb
sie ihm, „wir sind hier gegeneinander wie die
Wölfe; bald bin ich gestorben.“
Das Tageblatt gab dieser beängstigenden Klage
einen trostreichen Widerhall in dem schönen Silber-
klang des Geldes, mit dem jedes ihrer Worte jdie
Verlagsgesellschaft „Concordia“ bezahlte.
In Dänemark zerreißt man Karin Michaelis, weil
ihr Werk, laut (Bericht des Kopenhagener Korre-
spondenten vom Tageblatt, ein offenes sexuelles
Bekenntnis einer Dame, nein, die Enthüllung der
krankhaften Erotik einer F r a u ist, die bisher
eine exemplarische Gattin und Mutter war. Aber
hferzulande ist das [Buch für Rudolf Lothar
eine uns in Iden letzten Tagen zugekommene er-
Schütternde Antwort auf die Frage: in welchem
Alter dfe Frau sich selbst am gefährlichsten ist.
„Und wenn man, so versichert er, die Ant-
wiort lfest, packt einen das Grauen.“
Seit Ewers und anderen Poeetastern des Un-
heimlichen ist uns das Gruseln zur AlltagsSpeise
geworden. Es vvird uns nicht an Mut fehlen, ohne
Sensationsgier und Genitalienspannung zu dem
jüngsten Werk der Karin Michaelis zu greifen, das
der Schmock an einem seiner Bruhnsttage,
Wenn er sich sel'bst und uns am gefährlichsten wird,
zum B u c h d e r S a i s o n herab annonciert hät.
Rache
Der Edelste aller Sanssoucier wütet gegen uns * 1
in einer rührenden Anpreisung eines schhell rosten-
den SChlüsselromans. Er sieht in ihm, uns zum
TrotZ, „ein KunstWerk, davon ein einziges Satyr-
kapitel eine ganze Serie ernste Leitartikel über-
ragt.“ Solche nämlich, mit denen in ernsten
Zeitungen und Zeits chr i f ten „gegen
jene Dinge angekämpft, die eben der Roman glos-
siert“. Die Dinge, es kennt sie jeder, sind
Auswüchse unserer Zeit. VersChuldet werden sie
von Leuten, die „b e i m b e s t e n W i 11 e n d e n
natü r 1 ich en La uf des Lebens nicht
mehr sehen können. Sie sondern ihren Spei-
chel auf dfe minderwertige Menschheit ab und
sChreien, wenn man ihnen mit den Scheuerlappen
um die Ohren wischt. Wer lacht da?“
Der ehemalige Maler Edel sChreibt Reklame-
bilder, weil er keine malen kann. Er wählte die
Zeitung zur AnsChlagsäule, und sie gewährte ihm
auch ein bescheidenes Plätzchen. Aber sehr bald
Wurde es ihm zu klein, er vergrößerte es, wodurch
die Bedeutung der Anschlagsäule nicht wuchs.
DoCh die Welt ruht nun einmal nicht auf hohlen
AnsChlagsäulen, der natürliche Lauf des Lebens ist
nicht das Rinnsal, das durch Zeitungslspalten sickert.
Viel wichtiger scheint mir schon die Notwen-
digkeit, an einer der zahlreichen aufreizenden Ecken
jener Säulen, an welchen täglich gemeine Anschläge
auf die Wahrheit und Vernunft verübt werden,
einen servilen Edelknecht der hysterischen Kokotte
„OeffentliChkeit“ zu stellen. Und wenn dieser dann
sich wieder erhebt, über die Auswüchse unserer
Zeit klagt und sich mit einem Zipfel der ausge-
fransten, kotbespritzten Kulterschleppe, die man
ihm aus den Händen geschlagen hatte, die Ver-
klebten Augen wischt, so ist das! ein Bild, wie es
die Neunmalklugen selbst im Okkultistenspiegel
eines Schlüsselromans nicht zu sehn bekommen.
Wer 1 acht da? J. A.
Vermischtes
Der Fremde
Das sehr hübsChe Ausstellungstheater spfelte
eine Jeromiade. Herr Jerome K. Jerome gab bis-
her Lustspiele zum Besten. Zum BeSsern soü sein
Missionsspiel erziehen. Die Absicht ist so deut-
lich, daß man keine böse Miene zum guten Spiel
machCn braucht. Der Heiland im Gehrock (Der
Fremde) wirkt höchst erzieherisch auf die Bewoh-
ner eines Boardinghöuse. DurCh Blick und sanfte
Reden. Hyänen werden zu Menschen. Aber merk-
würdig: was bei einem deutschen Autor kitschig
schien, wirkt bei dem Engländer religiös, fast
schlicht. EthisCher Impetus. Ich kann mir
denken, daß mancher Besucher nach Schlußi der
Vorstellung eine anständige Handlung vorhätte.
Was gegen den ästhCtischCn Wert, aber für die
Reinheit der Gesinnung des Autors spricht.
Gespfelt Wurde überrasChend gut. Nur das
DienstmädchCn, die Magdalene, war mehr für die
Jungfrau von Orleans. Was gleichfalls für ihie
edle Seele spricht.
Lyrik für Maler
Ich will nicht ohne Weiteres annehmen, daß
die Herren Liebermann, Slevogt, Corinth, Th. Th.
Heine, Walser, in Gemeinschaft mit Herrn Heile-
mann „u. A.“ ein Buch illustrieren, zu dem sie
keine seelischfen öder künstleriSchfen Beziehungen
haben. Ein Verlag teilt mit, daß diese Herrcn
„in kaum gehoffter Einmütigkeit vollwertige Doku-
mente ihres Schaffens beisteuerten“, um den regen
Wunsch nach einer illustrierten Ausgabe der Gc-
dichtsammlung „Auf Kypros“ von Marie Madeleine
zu stillen. Dieser böse, süßliche, gemacht erotische
HeinekitsCh wird nur noch in den östlichsten Pro-
vinzen ernst genommen. Und höChstens der Ver-
leger findet in dem Buch noch „grieChisChe Schön-
heitsfreude mit südliCher Liebesglut und deutscher
SehnsuChtsstimmung“ vereint. Bleibt nur zu hof-
fen, daß die Maler diese GediChte nie gelesen
haben. Sie hätten dann aber so vorsichtig Bein
müssen, sich bei irgend einem MensChen zu cr-
kundigen. Sie hätten zum Beispiel in der ver-
dienstvollen Anthölogie von Hans Bethge schon
richtigen Aufschluß gefunden. „Diesen Gedichten
den entsprechenden Bildschfnuck zuzugesellen, war
keine leichte Aufgabe“, seufzt der Verlag. Nun,
die oben genannten Herren häben es gekonnt. Ein
guter Verleger kann aucb bei schlechter „Poesie“
anregen. Trust
Beachtenswerte Bucher und Tonwerke
Ausführllche Besprechung: vorbehalten
Rücksendung findet in keinem Fall statt
KARL KRAUS
Heine und die Folgen
Verlag Albert Langen München
KARIN MICHAELIS
Das gefährliche Alter / Tagebuchaufzeichnungen
und Briefe
Concordia Deutsche Verlagsanstalt Berlin
Verantwortlich für die Schriftleitung:
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE
Verantwortlich für die Schriftleitung in Oesterreich-Ungai n
I. V.: Oskar Kokoschka
Wochcn-Spiclplan der Berlmer Theatcr
Dienstag
29. November
Mittwoch
30. November
Donnerstag
1. Dezember
Freitag
2. Dezember
Sonnabend
3. Dezember
Sonntag
4. Dezeraber
Montag
5. Dezember
Theater mit gleichbleibendem Spielplan:
Deutsches Theater
Schumannstrasse 13 a
Hamlet
Judith
iHamlet
Herr und Diener
Herr und Diener
Hamlet
Herr und Diener
Kleines Theater
Unter den Linden 44
Verfi. Franenzimmer / I.Kl.
ab Freitag : Varietö / Com-
tesse Clo /1. Klasse
Karamerspiele
Schumannstrasse 14
Der gnte König
Dagobert
Der verwundete
Vogel
Der verwundete
Vogel
Komödie der
Irrungen / Heirat
wider Willen
Komödie der
Irrungen Heirat
wider Willen
Der verwundete
Vogel
Komödie der
Irrnngen / Heirat
wider Willen
Modernes Theater
Könlggrätzerstr. 57| 58 Der Doppelmensch
Lessingtheater
Friedrich Karlufer 1
Wenn der jnnge
Wein bliiht
Ibsenzyklus:
Die Prau vom
Meere
Wenn der junge
Wein blüht
Wenn der junge
Wein blüht
Premiere
Anatol
Anatol
Wenn der jnnge
Wein bliiht
Nenes Theater
Schlffbauerdamm 4a|5
Der G. m. b. H.-Tener
Komische Oper
Friedrichstr. 104|104a
Die Boheme
Abbö Mouret
Die Boheme
Abb6 Mouret
Tosca
Die Boheme
Hoffmanns
Erzählnngen
Residenztheater
Blumenstr. 9a
Der Unterpräfekt
Opernhaus
Am Franz Joseph-Platz
Tristan nnd
Isolde
Der
Waffenschmied
Meistersinger
von Nürnberg
Fidelio
Der Prophet
Mignon
Loheugrin
Trianontheater
Pr. Friedr. Karlstr. 7
Der heilige Hain
Neues
Schauspielhans
Nollendorfstrasse 11|12
Genoveva
Ueber unsre
Kraft
Jungfrau von
Orleans
Genoveva
Premiere
Der Zerrissene
Der Zerrisseue
Wann kommst
Du wieder?
Neues
Operettentheater
Schiff oauerdamm 25
Der Graf von Lnxembnrg
Berliner Theater
Charlottenstr. 93
Der scharfe
Jnnker
Taifnn
Der scharfe
Junker
Der scharfe
Junker
Der seharfe
Junker
Der scharfe
Junker
Taifun
Theater des
Westens
Kantstrasse 12
Das Puppenmädel
Königliehes
Schauapielhans
Gensdarmenmarkt
W allensteins
Lager
Die Piccolomini
Wallensteins
Tod
Der Krampus
Die Joumalisten
Jnlius Caesar
Wallensteins
Lager
Die Piccolomini
Wallensteins
Tod
Metropoltheater
Behrenstrasse &5|56
Hurrah — Wir leben noch!
320
viele Bögen und Wälle sind; und lauter graue
Figuren treten aus iden alten Häusern hervor —
die Steingespenster führen die Herzen bange zu-
sammen. Ich habe manchlmal Sehnsucht nadh Prag,
schon um mit Max Brod durch die Gewölbe seiner
Hermat zu wandeln, wo die alten Häuser wie
Mumien stelm, zur Rechten und Linken.
E!se LaSker-Schüler
Bei Gelegenheit einer Vorlesung von Max Brod im Neuen Klub
Tbeater, Literatur undReklame
Lob Reinhardts
Auch das Wiener Deutsche Volkstheater brachte
zu Schillers Geburtstag eine Neuinszenierung der
Wallenstein-Trilogie heraus. Im Lager wurden
reichlich viel Statisten verWendet. Deshalb lobte
ein Kritiker die „Schhle nach Reinhardt“. Aber sein
Kollege Stefan Großmann, Sozialist und Korre-
spondent des Tageblatts, lacht ihn aus. „Was man
in Wien für eine Reinhärdt-Vorstellung hält. So
wie etwa meine Tante in Görlitz überzeugt ist,
daß sie sich nach der neuesten Pariser Mode kleidet.
Auch gut, Tantchen.“
Was frommt es, daß der eine in dem Massen-
aufgebot von Statisten die Reinhardtsche Marke zu
erkennen glaubt, wenn der andere in Görlitz pine
Tante hat, die überzeugt ist, daß sie sich nach der
neuesten Pariser Mode kleidet.
Schon hat Reinhardt einen Zirkus in Wien ge-
hiietet, denn: „Ernst ist der Anblick der
N o t w e n d i g k e i t“.
Spekulative Buchkritik
Im FastnaChtsprozeß gegen die „Wahrheit“ im
besonderen und gegen die Lüge im allgemeinen fiel
die heitere Behauptung, daß bei einer anständi-
gen Zeitung die Redaktion und die Annoncen-
annahme zwei streng von einander ge-
trennte Teile sind. Das Tageblatt er-
brachte letzthin in unzweideutiger Form den Beweis
hferfür. Es ließ sich eine Buchbesprechung ihres
Kopenhagener Korrespondenten am übernächsten
Tage als „Urteil (der Presse“ bezahlen. Ja,
es fügte sogar noch zu dessen Vervollständigung
den Wortlaut eines IBriefes hinzu, den die Ver-
fasserin des Buches, Karin MichäeLiS, an den
Redakteur des Zeitgeist gerichtet hat.
„Ich werde gebissen und zerrissen“, schrieb
sie ihm, „wir sind hier gegeneinander wie die
Wölfe; bald bin ich gestorben.“
Das Tageblatt gab dieser beängstigenden Klage
einen trostreichen Widerhall in dem schönen Silber-
klang des Geldes, mit dem jedes ihrer Worte jdie
Verlagsgesellschaft „Concordia“ bezahlte.
In Dänemark zerreißt man Karin Michaelis, weil
ihr Werk, laut (Bericht des Kopenhagener Korre-
spondenten vom Tageblatt, ein offenes sexuelles
Bekenntnis einer Dame, nein, die Enthüllung der
krankhaften Erotik einer F r a u ist, die bisher
eine exemplarische Gattin und Mutter war. Aber
hferzulande ist das [Buch für Rudolf Lothar
eine uns in Iden letzten Tagen zugekommene er-
Schütternde Antwort auf die Frage: in welchem
Alter dfe Frau sich selbst am gefährlichsten ist.
„Und wenn man, so versichert er, die Ant-
wiort lfest, packt einen das Grauen.“
Seit Ewers und anderen Poeetastern des Un-
heimlichen ist uns das Gruseln zur AlltagsSpeise
geworden. Es vvird uns nicht an Mut fehlen, ohne
Sensationsgier und Genitalienspannung zu dem
jüngsten Werk der Karin Michaelis zu greifen, das
der Schmock an einem seiner Bruhnsttage,
Wenn er sich sel'bst und uns am gefährlichsten wird,
zum B u c h d e r S a i s o n herab annonciert hät.
Rache
Der Edelste aller Sanssoucier wütet gegen uns * 1
in einer rührenden Anpreisung eines schhell rosten-
den SChlüsselromans. Er sieht in ihm, uns zum
TrotZ, „ein KunstWerk, davon ein einziges Satyr-
kapitel eine ganze Serie ernste Leitartikel über-
ragt.“ Solche nämlich, mit denen in ernsten
Zeitungen und Zeits chr i f ten „gegen
jene Dinge angekämpft, die eben der Roman glos-
siert“. Die Dinge, es kennt sie jeder, sind
Auswüchse unserer Zeit. VersChuldet werden sie
von Leuten, die „b e i m b e s t e n W i 11 e n d e n
natü r 1 ich en La uf des Lebens nicht
mehr sehen können. Sie sondern ihren Spei-
chel auf dfe minderwertige Menschheit ab und
sChreien, wenn man ihnen mit den Scheuerlappen
um die Ohren wischt. Wer lacht da?“
Der ehemalige Maler Edel sChreibt Reklame-
bilder, weil er keine malen kann. Er wählte die
Zeitung zur AnsChlagsäule, und sie gewährte ihm
auch ein bescheidenes Plätzchen. Aber sehr bald
Wurde es ihm zu klein, er vergrößerte es, wodurch
die Bedeutung der Anschlagsäule nicht wuchs.
DoCh die Welt ruht nun einmal nicht auf hohlen
AnsChlagsäulen, der natürliche Lauf des Lebens ist
nicht das Rinnsal, das durch Zeitungslspalten sickert.
Viel wichtiger scheint mir schon die Notwen-
digkeit, an einer der zahlreichen aufreizenden Ecken
jener Säulen, an welchen täglich gemeine Anschläge
auf die Wahrheit und Vernunft verübt werden,
einen servilen Edelknecht der hysterischen Kokotte
„OeffentliChkeit“ zu stellen. Und wenn dieser dann
sich wieder erhebt, über die Auswüchse unserer
Zeit klagt und sich mit einem Zipfel der ausge-
fransten, kotbespritzten Kulterschleppe, die man
ihm aus den Händen geschlagen hatte, die Ver-
klebten Augen wischt, so ist das! ein Bild, wie es
die Neunmalklugen selbst im Okkultistenspiegel
eines Schlüsselromans nicht zu sehn bekommen.
Wer 1 acht da? J. A.
Vermischtes
Der Fremde
Das sehr hübsChe Ausstellungstheater spfelte
eine Jeromiade. Herr Jerome K. Jerome gab bis-
her Lustspiele zum Besten. Zum BeSsern soü sein
Missionsspiel erziehen. Die Absicht ist so deut-
lich, daß man keine böse Miene zum guten Spiel
machCn braucht. Der Heiland im Gehrock (Der
Fremde) wirkt höchst erzieherisch auf die Bewoh-
ner eines Boardinghöuse. DurCh Blick und sanfte
Reden. Hyänen werden zu Menschen. Aber merk-
würdig: was bei einem deutschen Autor kitschig
schien, wirkt bei dem Engländer religiös, fast
schlicht. EthisCher Impetus. Ich kann mir
denken, daß mancher Besucher nach Schlußi der
Vorstellung eine anständige Handlung vorhätte.
Was gegen den ästhCtischCn Wert, aber für die
Reinheit der Gesinnung des Autors spricht.
Gespfelt Wurde überrasChend gut. Nur das
DienstmädchCn, die Magdalene, war mehr für die
Jungfrau von Orleans. Was gleichfalls für ihie
edle Seele spricht.
Lyrik für Maler
Ich will nicht ohne Weiteres annehmen, daß
die Herren Liebermann, Slevogt, Corinth, Th. Th.
Heine, Walser, in Gemeinschaft mit Herrn Heile-
mann „u. A.“ ein Buch illustrieren, zu dem sie
keine seelischfen öder künstleriSchfen Beziehungen
haben. Ein Verlag teilt mit, daß diese Herrcn
„in kaum gehoffter Einmütigkeit vollwertige Doku-
mente ihres Schaffens beisteuerten“, um den regen
Wunsch nach einer illustrierten Ausgabe der Gc-
dichtsammlung „Auf Kypros“ von Marie Madeleine
zu stillen. Dieser böse, süßliche, gemacht erotische
HeinekitsCh wird nur noch in den östlichsten Pro-
vinzen ernst genommen. Und höChstens der Ver-
leger findet in dem Buch noch „grieChisChe Schön-
heitsfreude mit südliCher Liebesglut und deutscher
SehnsuChtsstimmung“ vereint. Bleibt nur zu hof-
fen, daß die Maler diese GediChte nie gelesen
haben. Sie hätten dann aber so vorsichtig Bein
müssen, sich bei irgend einem MensChen zu cr-
kundigen. Sie hätten zum Beispiel in der ver-
dienstvollen Anthölogie von Hans Bethge schon
richtigen Aufschluß gefunden. „Diesen Gedichten
den entsprechenden Bildschfnuck zuzugesellen, war
keine leichte Aufgabe“, seufzt der Verlag. Nun,
die oben genannten Herren häben es gekonnt. Ein
guter Verleger kann aucb bei schlechter „Poesie“
anregen. Trust
Beachtenswerte Bucher und Tonwerke
Ausführllche Besprechung: vorbehalten
Rücksendung findet in keinem Fall statt
KARL KRAUS
Heine und die Folgen
Verlag Albert Langen München
KARIN MICHAELIS
Das gefährliche Alter / Tagebuchaufzeichnungen
und Briefe
Concordia Deutsche Verlagsanstalt Berlin
Verantwortlich für die Schriftleitung:
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE
Verantwortlich für die Schriftleitung in Oesterreich-Ungai n
I. V.: Oskar Kokoschka
Wochcn-Spiclplan der Berlmer Theatcr
Dienstag
29. November
Mittwoch
30. November
Donnerstag
1. Dezember
Freitag
2. Dezember
Sonnabend
3. Dezember
Sonntag
4. Dezeraber
Montag
5. Dezember
Theater mit gleichbleibendem Spielplan:
Deutsches Theater
Schumannstrasse 13 a
Hamlet
Judith
iHamlet
Herr und Diener
Herr und Diener
Hamlet
Herr und Diener
Kleines Theater
Unter den Linden 44
Verfi. Franenzimmer / I.Kl.
ab Freitag : Varietö / Com-
tesse Clo /1. Klasse
Karamerspiele
Schumannstrasse 14
Der gnte König
Dagobert
Der verwundete
Vogel
Der verwundete
Vogel
Komödie der
Irrungen / Heirat
wider Willen
Komödie der
Irrungen Heirat
wider Willen
Der verwundete
Vogel
Komödie der
Irrnngen / Heirat
wider Willen
Modernes Theater
Könlggrätzerstr. 57| 58 Der Doppelmensch
Lessingtheater
Friedrich Karlufer 1
Wenn der jnnge
Wein bliiht
Ibsenzyklus:
Die Prau vom
Meere
Wenn der junge
Wein blüht
Wenn der junge
Wein blüht
Premiere
Anatol
Anatol
Wenn der jnnge
Wein bliiht
Nenes Theater
Schlffbauerdamm 4a|5
Der G. m. b. H.-Tener
Komische Oper
Friedrichstr. 104|104a
Die Boheme
Abbö Mouret
Die Boheme
Abb6 Mouret
Tosca
Die Boheme
Hoffmanns
Erzählnngen
Residenztheater
Blumenstr. 9a
Der Unterpräfekt
Opernhaus
Am Franz Joseph-Platz
Tristan nnd
Isolde
Der
Waffenschmied
Meistersinger
von Nürnberg
Fidelio
Der Prophet
Mignon
Loheugrin
Trianontheater
Pr. Friedr. Karlstr. 7
Der heilige Hain
Neues
Schauspielhans
Nollendorfstrasse 11|12
Genoveva
Ueber unsre
Kraft
Jungfrau von
Orleans
Genoveva
Premiere
Der Zerrissene
Der Zerrisseue
Wann kommst
Du wieder?
Neues
Operettentheater
Schiff oauerdamm 25
Der Graf von Lnxembnrg
Berliner Theater
Charlottenstr. 93
Der scharfe
Jnnker
Taifnn
Der scharfe
Junker
Der scharfe
Junker
Der seharfe
Junker
Der scharfe
Junker
Taifun
Theater des
Westens
Kantstrasse 12
Das Puppenmädel
Königliehes
Schauapielhans
Gensdarmenmarkt
W allensteins
Lager
Die Piccolomini
Wallensteins
Tod
Der Krampus
Die Joumalisten
Jnlius Caesar
Wallensteins
Lager
Die Piccolomini
Wallensteins
Tod
Metropoltheater
Behrenstrasse &5|56
Hurrah — Wir leben noch!
320