Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 1.1910-1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0353
DOI issue:
Nr. 44 (Dezember 1910)
DOI article:Strindberg, August: Zuchtwahl des Journalisten
DOI Page / Citation link: https://doi.org/10.11588/diglit.31770#0353
UmfangC acht Seiten
EinzelbezuglO^Pfennig
WOCHENSCHRIFT FÜR KULTUR UND DIE KÜNSTE
Redaktion und Verlag: Berlin-Halensee, Katharinenstrasse 5
Fernsprecher Amt Wilmersdorf 3524 / Anzeigen-Annahme
Hannover Artilleriestr 15 und Berlin W 35 Potsdamerstr. 111
Herausgeber und Schriftleiter:
HERWARTH WALDEN
Vierteljahresbezug 1,25 Mark / Halbjahresbezug 2,50 Mark /
Jahresbezug 5,00 Mark / bei freier Zusteliung / Insertions-
preis für die fünfgespaltene Nonpareillezeile 60 Pfennig
JAHRGANG 1910 BERLIN/ DONNERSTAG DEN 29. DEZEMBER 1910/HANNOVER NUMMER 44
Offense^erotique /
Zeichnung von Oskar Kokoschka
INHALT: AUGUST STRINDBERG: Zuchtwahl ;des
Journalisten / PAUL SCHEERBART: Der Kaiser von
Utopia / ELSE LASKER-SCHÜLER: Maria / FRITZ
HÜBNER: Nietzsches Bild / OTTO SOYKA: Bücher /
KURT HILLER: Das Cabaret und die Gehirne / K. M :
Der fliegende Holländer / T: „Bücher zu Geschenk-
zwecken“ / CROTALUS: Die Rechnung mit dem
Wirth / OSKAR KOKOSCHKA: Zeichnung
Zuchtwahl
des Journaiisten
Von August Strindberg
Es war ungewöhnlich lebhaft in dem jetzt ver-
lassenen Ritterhaussal von Stockholm. Zwei Scheuer-
frauen gingen umher und wischten Staub, alten, adligen
Staub, der seit 1865 dagelegen hatte, als ihn die bei-
falltrampelnden Edelleute von ihren Füssen schüttelten,
hochgräflichen Staub, der von dem blauen Tuch ge-
rieben wurde, als die Herren des Reiches sich vor
Angst auf den Bänken wanden, freiherrlichen Staub
vom feinsten Uniformtuch. Aber da lag auch unadliger
Schreiberstaub von abgenützten, schwarzen Bonjours
nicht zu sprechen von dem Staub auf der Gallerie,
denn bis dahin waren die Frauen noch nicht gekommen.
Der elfenbeinerne Stuhl des Landmarschalls stand
leer; auf dem Tisch lag der Hammer und einige Auf-
lagen des Wappenbuches; es sah aus, als wäre
Auktion gewesen. Hinter dem Stuhl stand Gustav
Adolf (der Zweite) und warf leere Marmorblicke über
den leeren Saal bis hinauf zum Deckengemälde Ehren-
strahls.
Aber die Sonne schien durch die Fenster der
Fassade und schenkte den Schilden auf der nördlichen
Seite einen erneuernden Glanz
Das sind komische Tapeten, sagte die jüngere
Frau, die noch nicht viel vom Leben gesehen hatte.
Ach, liebes Kind, das sind ihre Schilde, antwortete
die ältere Frau, die noch die alte Staatsverfassung mit-
gemacht hatte.
O, Jesus, sind das Schilde?
Ja, das sind Wappenschilde, Wappen, musst du
verstehen.
Waffen, mit denen sie sich geschlagen haben ?
Nein, nein, Wappen, Wappenschilde, hinter denen
sie sich verbergen, wenn sie sich schlagen.
Und die hängen jetzt hier?
EinzelbezuglO^Pfennig
WOCHENSCHRIFT FÜR KULTUR UND DIE KÜNSTE
Redaktion und Verlag: Berlin-Halensee, Katharinenstrasse 5
Fernsprecher Amt Wilmersdorf 3524 / Anzeigen-Annahme
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Herausgeber und Schriftleiter:
HERWARTH WALDEN
Vierteljahresbezug 1,25 Mark / Halbjahresbezug 2,50 Mark /
Jahresbezug 5,00 Mark / bei freier Zusteliung / Insertions-
preis für die fünfgespaltene Nonpareillezeile 60 Pfennig
JAHRGANG 1910 BERLIN/ DONNERSTAG DEN 29. DEZEMBER 1910/HANNOVER NUMMER 44
Offense^erotique /
Zeichnung von Oskar Kokoschka
INHALT: AUGUST STRINDBERG: Zuchtwahl ;des
Journalisten / PAUL SCHEERBART: Der Kaiser von
Utopia / ELSE LASKER-SCHÜLER: Maria / FRITZ
HÜBNER: Nietzsches Bild / OTTO SOYKA: Bücher /
KURT HILLER: Das Cabaret und die Gehirne / K. M :
Der fliegende Holländer / T: „Bücher zu Geschenk-
zwecken“ / CROTALUS: Die Rechnung mit dem
Wirth / OSKAR KOKOSCHKA: Zeichnung
Zuchtwahl
des Journaiisten
Von August Strindberg
Es war ungewöhnlich lebhaft in dem jetzt ver-
lassenen Ritterhaussal von Stockholm. Zwei Scheuer-
frauen gingen umher und wischten Staub, alten, adligen
Staub, der seit 1865 dagelegen hatte, als ihn die bei-
falltrampelnden Edelleute von ihren Füssen schüttelten,
hochgräflichen Staub, der von dem blauen Tuch ge-
rieben wurde, als die Herren des Reiches sich vor
Angst auf den Bänken wanden, freiherrlichen Staub
vom feinsten Uniformtuch. Aber da lag auch unadliger
Schreiberstaub von abgenützten, schwarzen Bonjours
nicht zu sprechen von dem Staub auf der Gallerie,
denn bis dahin waren die Frauen noch nicht gekommen.
Der elfenbeinerne Stuhl des Landmarschalls stand
leer; auf dem Tisch lag der Hammer und einige Auf-
lagen des Wappenbuches; es sah aus, als wäre
Auktion gewesen. Hinter dem Stuhl stand Gustav
Adolf (der Zweite) und warf leere Marmorblicke über
den leeren Saal bis hinauf zum Deckengemälde Ehren-
strahls.
Aber die Sonne schien durch die Fenster der
Fassade und schenkte den Schilden auf der nördlichen
Seite einen erneuernden Glanz
Das sind komische Tapeten, sagte die jüngere
Frau, die noch nicht viel vom Leben gesehen hatte.
Ach, liebes Kind, das sind ihre Schilde, antwortete
die ältere Frau, die noch die alte Staatsverfassung mit-
gemacht hatte.
O, Jesus, sind das Schilde?
Ja, das sind Wappenschilde, Wappen, musst du
verstehen.
Waffen, mit denen sie sich geschlagen haben ?
Nein, nein, Wappen, Wappenschilde, hinter denen
sie sich verbergen, wenn sie sich schlagen.
Und die hängen jetzt hier?