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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 1 – No. 30 (1. Januar – 31. Januar)
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zeitung





Deutfſchland.

++ Karlsruhe, 30. Dez. (Forts.) Die Angriffe, welche
Herr v. Feuer bach in seinen Betrachtungen über das Geschwornen-
gericht oom Jahr 1812 machte, gehen hauptsächlich nur gegen das
Geſchwornengericht, wie es durch die Napoleon’'ſche Gesetzgebung in
Frankreich abgeändert wurde. Er erblickt hierin keine solche Garan-
tie der Unschuld, daß ihre Einführung sich in dem damals noch ab-
ſsolut regierten Königreiche Baiern rechtfertigen laſſe. ; (Vergl. dessen
Erklärung vom Jahr 1819 über die Geſchwornengerichte, Erlangen,
bei Palm.) Er widerlegt auch sſcine Einwürfe sogleich selbſt, indem
er schon in dem erſten Werke pag. 198 und 199 Folgendes dage-
gen anführt: z ; : :
y "t (so dünkt mir, als hörte ich hier einen Engländer mir
in die Rede fallen) daß ihr doch nur immer die Vorzüge der
Jury da ſuchen wollt, wo ſie nicht zu finden ſind! Alle eure
VBorwürfe gegen diese Cinrichtungen sind nur Anklagen gegen euch
selbſt! Es wird euch Niemand abſtreiten, daß in den gewöhnlichen
Fällen sich zulettt alle Hauptkräfte in den Händen des vorsitenden
Richters vereinigen, und daß, wer die Jury überhaupt nur nach
dieſen Beispielen beurtheilen will, sie blos als deſſen Werkzeug zu
betrachten verleitet werden könnte. Allein es gerathe einmal die
üffentliche Freiheit der Nation mit den Anmaßungen der Krone in
Widerſtrcit; der Hof wage es einmal, Criminalantlagen zu seinen
politischen Zwecken zu gebrauchen, ein Parlamentsmitglied wegen
kühner Vertheidigung der Nationalrechte als Hochverräther vor

Gericht zu ſtellen, rurch willkürliche Ausdehnung ter Geſetze wi-

der Schmähſschriften die Freiheit im Denken und Reden unter-
yrücken zu wollen: ihr werdet dann ſehen, wie der Ankläger alle

seine Künſte, der informirende Hofrichter alle seine Wiſſenſchaft

erſchöpfen wird, um den Gemüthern der Geſchwornen ein „Schul-
dig" abzugewinnen, und wie doch am Ende der Hof mit allen
dieſen Bemühungen nichts davon trägt, als die Beſchämung über
feine durch den öffentlichen Geiſt der Freiheit vereitelte Abſicht.
In vieſen Fällen feiert die Jury ihre Triumphe. Kann euch alſo
das Geſchwornengericht jene Wohlthaten gewähren, so nehmt es
hin, und ärgert euch nicht, taß der Baum, der die edelſten
Früchte trägt, auch wohl manche taube Blüthen treißht. Vermag
ſie aber jenes nicht, nuu, ſo laßt ſie nur auf ihrem vaterländi-
ſchen Bodenz zu den Absichten, wozu ihr sie hauptsächlich brau-
cen wollt, iſt sie nicht geſchafen! Ihr wollt in ihr ein vorzüg-
liches Erkenntnißmittel ver Wahrheit; wir wollen in ihr nur ein
vorzügliches Schutzmittel unserer Verfaſſung und unserer politischen
Freiheit, Ebenſo sagt derselbe ganz richtig ebendaſelbſt pag. 49:
„Die Gewalt über Leben und Tod ohne Theilnahme des Volkes iſt

das ſicherſte Mittel zum Untervrücken jed er Freiheit desselben."
Alle Völker, bei welchen das Institut der Geschwornengerichte

einmal in das Leben geführt war, hängenan demselben mit dem feſte-

ſten Bertrauen und unendlicher Liebe. Wurden Frankreich und
England sich solche rauben laſſen? Wurden fie nicht rurch den erſten
Pariser Frieden vom Jahr 1814 den von Frankreich abgetretenen

; [ jenseits rheinischen Prvvinzen als besondere Woſßhlthat garantirt,

um ihre Geneigtheit für die neue Ordnung der Dinge zu erhalten?
Iſt nicht ein Hauptgrund des neuesten spanischen Aufstandes auch die Auf-
hebung der Geschwornengerichte für Aburtheilung von Preßvergehen!
Selbſt die preußiſche Immediat-Juſtiz- Commission, welche im Jahr 1819
gur Untersuchung der Zweckmäßigkeit des Geschwornengerichts zusam-

mengesett war und in ihrer Mehrzahl aus Rechtsgelehrten aus allen
Theilen des Königreichs beſtand, sprach sich einſtimmig für deſſen
Beibehaltung aus (vergl. deren Gutachten über das Geschwornenge-
xicht von 1819), und zwar nicht qus politischen, sondern lediglich
aus Gründen für das sichere Auffinden der Wahrheit. Diese Com-
miſſion heit in einem Berichte von 238 Drudsseiten zu Gunsten des
Geschwornengerichts besonders hervor: daß das Geschwornengericht
kein Kind der Revolution, sondern eine alt germanische Einrichtung
iſt (unter dem Namen Schö ppen), welche von den deutſchen Er-
vberern Angelſachſen und Franken nach England und Frankreich ätber-
srägen wurde, und (wenn auch in sFzrankreich lange Zeit unterdrückt)
peren Größe. mitbegründen ]half, während sie in Deutschland von

ständigen Richtern verdrängt wurde; taß diese ständigen Richter zu

bald entweder in übermäßige Strenge oder übertriebene Zweifelſucht
und ungebührliche Zweifelſucht und ungebührliche Nachiicht verfallen,
raß ſie als Wächter des Gesetzes dem Volke selhſt als Partei er-
scheinen, und daher weniger das allgemeine Bertrauen besißen; daß
dagegen eine aus allen Ständen gebildete Jury die Berhältniſſe des
aewöhnlichen Lebens besser zu würdigen wiſſe. Sie erklären tie Jury
für eine Anstalt, die die Ideen des Rechts lebendig im Volke erhalte
und ausbilde, deſſen Ueberzeugung, daß in jedem einzelnen Falle wirk-
lich Recht geübt worden sei, ſtärke, und den Sinn des Bürgers für
das Gemeinwesen in öffentlichen Angelegenheiten bilde. Auch der
Kostenpunkt iſt von Bedeutung. Ganz England hat nur zwölf Rich-
ter, die man die Großrichter nennt. Sie reſisiren in Weſtminſter,
wo fie ihre gewöhnlichen Sitzungen halten. In der Zwiſchenzeit
gehen je zwei in jeden der ſechs Distrikte, \n die England zu diesem

Zwecke gethellt iſt. und halten daſelbſt eie Aſſiſen. (Zentner l. c. S. 198.)

Derſelbe sagt hierüber pag. 228:
Geheimuiß gefunden, den größten Theil der Verwaltung durch die
Nation selbſt unentgeltlich besorgen zu laſſen, die Bewerbung nach
Aemtern durch andere Triebfedern als die der Bezahlung rege zu ma-
chen . eine Ersſcheinung, welche ſich nur da zeigen kann, wo alle
allgemeinen Intereſſen öffentlich verhandelt werden, und dem Bürger
als solchem auch Rechte an der Verwaltung des Staats eingeräumt

So hat England das große

ſind und wo tie Borzüglichkeit der Verfaſſung jedem Bürger dern
Erhaltuug so wichtig und thener machl, daß er es nicht nur der .

Mühe werth hält, ſich dafür zu intereſſiren, sondern daß er fur ſie
kein Opfer ſcheutz ſie zeigt ferner, wie das ganze Prozeßverfahren
überall auf die höchſte Achtung der individuellen Freiheit gebaut iſt,
und man ſelbſt bis in's Aengſtliche die Gewalt überall mit ſchüten-
den Formen umfſtellt hat. Die britiſche Gerichtsverfassſung ſanktionirt
endlich ven wichtigen Grundsatz, daß die Rechtspflege, als eine je-
den Bürger so nahe angehende Angelegenheit, dem ganzen Volke un-
verſchleiert vor dem Angeſicht wandeln müsſe, und nur unter der be-
ſtändigen Controle des Publikums in iyrer Reinheit beſtevden köunez
und ihre Formen ſind, was zum Theil eine Folge hiervon iſt, von
der lähmenden Bielſchreiberei befreit und im Ganzen guf die Grund-
sſäße der Zweckmäßigkeit, Cinfachheit und Schnelligkeit berechnet.
Cin seltenes Glück iſt es geœiß für ein Volk, wenn man von ihm
ſagen kann; ; j
„Hier hat die Gewalt der geſunden, unverkünſtelten Ver-
nunft, des Einfachen und tes Wahren das Recht be-
hauptet. "
Größere Ausführlichkeit über diesen Punkt würde die Grenzen .

eines Commniſsionsberichtes überſchreiten und würde Diejenigen doch
nicht überzeugen, die nicht überzeugt sein wollen.

Schluß folgt.
> s ridelberg. Auth dieſes Jahr feierte y h

ſchast, wie es schon seit mehreren Jahren geſchab, den Geburtstag

eines ihrer würdigſten Miiglieder, des Vaters Winter. Nur größer

Noch war die Zahl der feiernden Bürger, rauſchender noch der Iubel

der Verehrung und Liebe für den ehrwürdigen Bürgermeiſter als
früher, wie wenn man dem geiſtigen Kämpfer dadurch ſeinen Dauk
bezeugen wollte für die Mühen, denen er fich troß ſeiner 71 Jahre
zum allgemeinen Beſten unterzieht. Daß der tüchtige Liederkranz, die-

ses Schooskind Winters, beim Feſte ſcines Stifters nicht fehlen konnte,

ja daß er eigentlich den poetiſchen Kern der Feier bildete, liegt ſchon
in der Natur der Sache. Der Ort der Berſammlurg war der bai-
riſche Hof, wo ſelbſt sich am 27. Dez., dem Vorabend des Geburts-
feſtes, eine unübersehliche Menge Menſchen zusammen fand, die in
den Wirthſchaftssälen des Hauses uur dem allerkleinſten Theile nach
Raum finden konnte. Mit Fackeln bewegte sich der Zug unter be-
ſtändiger Muſſikbegleitung durch die Vorſtadt bis zum Ludwigsplatz
unb von da auf die Anlage vor die Wohnung des Gefeierten. Hier
begann der Liederkranz seine Feſtchöre, während eine Deputation in
der auch der Vorſteher des Liederkranzes sich befand, ins Haus trat,
um Winter Namens der Berſammelten zu begrüßen. In der Mitte

desselben erſchien sodann der Gefeierte auf der Terraſſe des Haufes

und sprach nach Beentigung des erſten Chorgeſangs folgende Worte:
Liebe Mitbürger! Licbe Freunde! Mit wahrem Herzensdank
erkenne ich die große mich hochehrende Auszeichnung, die Sie mir


 
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