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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 146 - No. 175 (1. Juni - 30. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0665

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den, die ein wahres ,deutſches Bürgerrecht! begründen.

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Freitag

13. Juni

1845



Deutſchland.

+ Mannheim, 12. Juni. Die „Kölnische Zeitung-. bringt jetzt
einén ausführlichen, äußerſt gemäßigt geschriebenen Artikel gegen
v. Itſteins und Heckers Ausweisung , der zugleich durch eine län-
Auseinandersſeßzung über seine „Cenſurgeſs t mäßigkeit" ſich gegen
Cerſureingriffe ſicher zu stellen sucht. Wir fügen aus diesem Artikel
unsern frühern Mittheilungen über die bundesrechtliche Seite j ner Maß-
regel Folgendes hinzu:

„Der Art. 18 der Bundesakte ſichert den Unterthanen der deut-
ſchen Bundesſtaaten unter andern Rechten (Freizügigkeit, Eintritt in
den Millitärdienſt anderer Bundesstaaten, Freiyeit von aller Nach-
ſteuer, Pr ßfreiheit) auch noch die Bifugniß zu, außerhalb des Staa-
tes, den ſie bewohnen, Grundeigerthum zu erwerben und zu besitzen,
ohne deßhalb in dem fremden Staate mehrern Abgaben und Lasten un-

terworfen zu sein, als deſſen eigene Unterthanen.

Schon diese einzelne Beſtimmung hat zwischen den Bundesſtaa-
ten ein Verhältniß begründet, welches die Unterthanen des einen

Bundesſtaates in dem antern nicht eigentlich als Ausländer, noch

weniger aber ihre Ausweisuug als zulässig erſcheinen läßt; denn je-
nes in der Bundesakte ausdrücklich zugesicherte Recht, in dem frem-
den Staate Grundeigenthum zu erwerben und zu besitzen (also auch
persönlich benutzen), würde durch das Verbot des Aufenthalts in dem-
ſclben verkürzt werden. Welchen Sinn aber die Stifter des deutschen
Bundes dem Art. 18 beilegten, geht aus dem bei Eröffnung der
Bundesverſammlung am 5. Nov. 1816 gehaltenen Präſidial-Vortraze
hervor, in welchem die Beſtimmungen dieses Artikels der Bundesakte
als die wohlthätigſten für alle Deutſchen und als solche gerühmt wer-
(Klüber,
öffentliches Recht des deutschen Bundes, $. 228.) Auch spätere Ber-
hantlungen des Bundestages weisen in diesem Sinne darauf hin,
und Mecklenburg erkannte in dem Art. 18. den Zweck, daß der
Deulsſche in keinem Theile des verbündeten Deutschlands als Fremder
behandelt und daß dadurch das Gefühl eines gemeinsamen Vaterlan-

des wirder erweckt werden soll. (Protokoll der deutschen Bundesver-
sammlung von 1817, $§. 233.)

En ggegenſtehende Beſtimmungen finden sich in der Bundesgesetz-
gebung nicht, wohl aber beſtätigt der Bundesbeſchluß vom 5. Juli
1832, daß eine Ausweisung der Unterthanen eines Bundesstaates aus

î dem andern nicht ſtatt finden soll. Art. 7 dieses Besſchluſſes ſagt:

„Auf Fremde, welche sich wegen politiſcher Vergehen oder Verbrechen
in einen der Bundesstaaten begeben haben, sodann auf Cinheimiſche
und Fremde, die aus den Orten oder Gegenden kommen, wo ſich
Verbindungen zum Umsturz des Bundes oder der deutschen Regierun-
gen gebildet haben, und der Theilnahme daran verdächtig sind, iſt be-
sondere Aufmerksamkeit zu wenden; zu diesem Ende ſind überall in den
Bundeslanden die beſtehenden Paßvorschriften auf das Genaueſte zu
beobachten und nöthigenfalls zu schärfen. ~ Auch werden die sämmt-
lichen Bundesregierungen dafür sorgen, daß verdächtigen ausländiſchen
Ankömalingen, welche sich über den Zweck ihres Auf:nthaltes im
Lande nicht genügend ausweisen können, derselbe nicht gestattet werde..
Also auf Fremde, die als politische Flüchtlinge einen Bundesstaat be-
treten, der die aus einem Lande kommen, wo sich hochverrätherisſche
Verbindungen gebildet haben und der Theilnahme daran verdächtig
ſind, soll besondere Aufmerksamkeit gewendet werden. Und worin be-
ſteht diese Aufmerksamkeit? — In der genauen Beobachturg und
eventuellen Schärfung der beſtehenden Paßvorſchriften. Ausgewiesen
werden sollen nur verdächtige ausländiſche (alſo nicht deutsche) An-
kömmlinge, welche sich über den Zweck ihres Aufenthalts im Lande
nicht befcievigt aue weisen können. :

Bon allen diesen Kriterien, an welche die Bundesgesetzgebung

das vorbezeichnete Verfahren gegen Fremde kaüpft, 1rifft bei u. Ilzſtein und

Hetker k.in einziges zu. Sie wareu keine politijche Flüchilingez in
ihrem H.imatblande Baden, aus welchem sie herkanzen, beſteh.en keine
hothverrätheriſchen Verbindungen, die Verdacht gegen ſie erwecken könn-
ten; die badiſche Berfaſſung, die vom deuiſchn Bunde, mithin auch
von Preußen, garantirt iſt, berechtigt sie zu ihrer in den Schranken
des Geſezes ſich bewegenden politiſchen Thätigkeit; sie waren auch

keine verdächtigen ausländischen Ankömmlinge z sie waren ehrenwerthe

Bürger eines Bundesſtaates, mit einem vorſchriftsmäßig von der

preußiſchen Gesandtschaft in Karlsruhe visſirten Paſſe versehen, und
bereit, über den harmloſen Zweck ihrer Reise die befriedigendſte Aus-
kunft zu geben.

Werfen wir noch einen weitern Blick auf die Bundesgeſetzgebung,
so finden wir, daß dieselbe eine Einheit des Bundesgebietes in nach-
folgenden Beschlüſſen begründet: 1J) wegen einer proviſoriſchen Er-eu-
tionsordnung zur Erhaltung der innern Sicherheit, der öffentlichen
Ordnung u. s. w., vom 20. Sept. 1819; 2) wegen der in Anse-
hung der Universitäten zu ergreifenden Moßcegel, ebenfalls vom 20.
Sept. 1819; 3) wegen eines Preßgesetzes, welchs die Einführung
ner Censur zur Folge batte, ebenfalls vom 20. Sept, 1819; 4) we-
gen Beſtellung einer Centralbehörde zur näheren Untersuchung der re-
volutionären Umteiebe, ebenfalls vom 20. Sept. 1819; 5) wegen

der Maßregeln zur Aufrechthaltung d r gesetzlichen Ordnung und Ruhe

in den deutſchen Bundesstaaten (oben erwähnter Beschluß vom 5.
Juli 1832); 6) wegen der Beſirafung ven Vergehen gegen den deut-
schen Bund und wegen Auslieferung pol tiſcher Verbrecher auf dem
deutschen Bundesgebiete (Publicationepatent vom 28. Okt. 1836)].

Wird sonach das Bundesgebiet als ein einheitliches Territorium
in Bezug auf alle diejenigen Moßregeln betrachtet, welche die deut-
ſchen Regierungen zur Beschränkung und Bestrafung ihrer Untertha-
nen für nöthig erachtet haben, so würde es als eine gänzliche Ver-
kennung der Bundeszwecke erscheinen, wenn man annähme, daß letz-
tere die Wirksamkeit des Bundesvereins nur in j.ner Riehtung ein-
treten laſſen, in allen andern Beziehungen aber ihre Staaten wieder
als durchaus getrennt betrachten und so ihren Unterthanen die Seg-
nurgen entziehen wollten, welche aus der Einigung der deutschen
Volksſtämme zu einem großen, von dem Nationalgefühle durchdrun-
genen Ganzen hervorgehen. Zu diesen Segnungen gehört ein unge-
hemmter geiſtiger, materieller und persönlicher Verkehr im Baterlandez
das Verbot des Eintrittes aus einem Bundeslande irs andere würde
das Gegentheil bewirken und daher, wie dem nationalen und geschicht-
lichen Bewußtsein der Deutschen; so auch den ausgesprochenen Zwek-
ken der Stifter des Bundesvereins zuwiderlaufen. z

Zur Zeit des alten deutſchen Reiches gab es ein Reich s-Hei-
matrecht, welches nur durch Auswanderung oder durch Reichsacht
erloſch, und am 25. März 1813 erklärten die zur Wiederbesreiung
Deutschlands verbündeten Monarchen in ihrer feierlichen Proclama-
tion von Kalisch: „Daß sie, dem Wunſche des deutschen Volkes be-
gégnend, jeden Deutschen auffordern, sich anzusſchliceßrn und zu kämpo
fen mit Herz und Sinn, mit Gut und Blut, mit Leib und Leben
für die Rückkehr der Freiheit und Unabhängigkeit Deutschlands, für
die Wiederkehr eines ehrwürdigen Reiches in zeitgemäßer Geſtaltung,
welches allein den Fürſten und Bölkern Deutſchlands anheimgeſtellt
bleibe und in seinen Grundzügen und Umrissen mögzlichſt aus dem
ureignen Geiſte des deutschen Vollkes hervorgehen solle, damit Deutſch-
land verjüngt und lebenskräftiz und in Einheit gehalten unter Euro-
pa’s Völkern daſtehe."

Preußen äußerte in der Sitzung des wiener Congreſſes vom
20. Nov. 1814: „Der König sehe es für Regentenpflicht gegen seine
Unterthanen an, diese wieder in eine Verbindung zu brinzen, wo-
durch sie mit Deutſchland wieder eine Nation bildeten und der Vor-
theile genöſſen, welche daraus für die Mitglieder derselben erwachsen
müßten. Es fügte am 18. Febr. 1815 , hinzu: „Die Errichtung
einer deutschen Verfassung sei nothwendig, nicht bloß in Absicht auf
die Verhältniſſe der Höfe, sondern eben so sehr zur Beéfriedizung
der gerechten Ansprüche der Nation, die in ter Erinnerung an die
alte, nur durch die unglücklichsten Ereignisse unt rgegangene Reichs-
verbindung von dim Gefühle durchdrungen sci, daß irre Sich rheit
und Wohlfahrt und das Fortblühen recht vaterländiſcher Bildung
größtenth. ils von ihrer Vereini gung ineinen feſten Staats-
körper abhange, einer Nation, die nicht in einzelne Theile
zerfallen wolle, sondern überzeugt sei, daß die 1reffliche Man-
nigfaltigkeit deutscher Volksſtämme nur dann wohlthätig wirk:n könne,
wenn sich dieselbe in einer allgemeinen Verbindung wie-
der ausgleiche.r — (Klüber, Ütberſichtder diplomatiſchen Verhand-
lungen des wiener Cougreſſes, S. 246.) Y ]


 
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