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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 238 - No. 267 (1. September - 30. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#1059

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z! onnement mitsien.
heljähr. Vorausbezahlung
in Mannheim 1 fl. 15 kr.,
vurch die Poſt bezogenim
anzen Großherzogthum
ja den 2 fl. 8 kr., im
Jusland erhöht fich das
onnement um den Poft-
aufschlag.

Sonntag



s

* Neve Erklärung vom Wacht-Commando der

Leipziger Communal-Garde. *)
(Ein Aktenſtück über die Nacht vom 12. Anguſt.)

Leipzig. Die Augsb. Alg. Ztg. theilt am 1. Sept. eine Er-
zählung des Leipziger Vorfalls aus der Feder eines Mannes mit,
der ſich den Anschein gibt, als habe er vorerſt alle Einzelnheiten
deſſelben sorgfältig geprüft und verglichen und danach alsdann sein
Urtheil feſtgeſtelt. Da aber sein ganzer Bericht von Anfang bis zu
Ende Nichts iſt, als Sophiſtik, Lüge und Verläumdung, so findet
er fich in der Nothwendigkeit, die Zeugenaussagen des Wachtkom-
mando's der Communalgarde zu verdächtigen, ihr oberflächliche
Wahrnehmungen Schuld zu geben, von einer optiſchen Täuſchung
zu sprechen und mit glatten Worten einen Schatten auf ihre Wahr-
haftigkeit zu werfen.

Die unterzeichneten Communalgardiſten befinden ſich daher in-
der Nothwendigkeit, zu ihrer Ehrenrettung in den Augen Deutsch-
lands, nicht vor der Stadt Leipzig + denn unsere ganze Stadt
kennt den wahren Hergang, ~ die Umſstände alle hervorzuheben,
welche dieſen verläumderiſchen Berichterſtatter, soweit es ſie angeht,
in wahrem Lichte erſcheinen laſſen.

j Wir machen zu allererſt gegen die Verdächtigung der geſamm-
ten Communalgarde Leipzigs bemerklich, daß. gerade die Communal-
garde es war, welche, nachdem durch die Maßregeln des Millitairs
die Wuth des Volkes hervorgerufen worden war, ein Zusammenſto-
fen des letzten mit dem erſten hinderte, erinnern ferner, daß von
den Behörden der Communalgarde Leipzigs wiederholt das rühm-

lichſte Zeugniß eifriger und treuer Pflichterfüllung ertheilt worden -

iſt, und versichern endlich, daß wir allesammt vollkommen gesunde
Augen und Ohren haben, um richtig wahrzunehmen was ſich er-

eignet. i

ß Wenn daher 1) jener Berichterstatter gegen unser Zeug-
niß erklärt, daß wir die eine Hälfte des Roßplatzes zu
überſehen nicht im Stande gewesen seien, sſo geben wir
näher an, daß wir im schrägen Marsch über den Platz gerückt
sind und mithin ihn ſchräg in der größten Breite durchſchnitten,
„ und daß auch die Finſterniß keineswegs so groß war, wie er behaup-

tet. Denn es brannten alle Gaslaternen der Promenadez es war al-
ſo das Volk und der Platz an der Promenade beleuchtet und nur der
niedriger liegende Strich vor dem Hotel de Pruſſe, wo wir uns
aufstellen, war etwas dunkler. Dennoch haben Leute von der Pro-
menade aus unsere Stellung an unsern Federbüſchen erkannt.
j So hell war es freilich nicht, daß das Volk die seitens der Schü-
hen mit militärischer Geschwindigkeit im Dunkeln vollzogene ,erſte
factiſche Drohung, das „Fertigmachen-, hätten bemerken können. Die
put: der Promenade ift vom Hotel de Pruſſe ungefähr 150 Ellen
entfernt.

Wenn 2) der Berichterſtatter erzählt, die Bolkshaufen hätten so
ſtark herangedrängt, daß die Truppen rückwärts cinen Hacken hätten
bilden müſſ:n, so iſt das Erstere ganz beſtimmt eine Lüge. Als wir
den Play überschritten, war er menschenleer. Ein paar einzelne Leute
mögen vielleicht seitwärts ruhig ihres Wegs gegangen sein. Ungefähr
fünf Minuten nach unserer Aufſtelung fielen faſt gleichzeitig die hei-
den Salven. Von herandrängenden Menschen haben wir Nichts be-
merkt. Wer unsern Augen niht trauen will, wird doch dem Erfolg

' des Schießens glauben müſſen, Hätte wirklich das Volk auf den

linken Flügel der Schützen eingedrängt, so hätte ja hernach der Roß-

platz mit L.ichen bedeckt sein müſſen. Es iſt aber bekannt , daß auf

, dem Roßplage nur ein Menſch in seinem Blute lag — und dieser
eine Mensch war ein Polizeidiener. (Schluß folgt.)

'
f)



*) Unterzeichnet von 1

j Hauptmann, 3 Zugführern, 4 Rottenmeiftern und
37 Gardiften.

Die Red.

| Deutſchland.
.* Mannheim, 12. Sept. Aus Posen, deſſen erzbiſchöfliche
'Curie ſtets als ſtreng galt, schreibt die Schleſ. Z., „daß man
eu t w irklich seitens der höchſten römiſch-katholiſchen Geiſilichkeit

Nannyeimer Abendzeitung.

14. September

D51.



Inserate die gespaltene
Zeils in Petitſchrift ovsr

m 4 kr. ~ Briéfe
und Eett Frtitet man

1816..

damit beschäftigt iſt, eine neue sehr milde kirchliche Verord-
nun g betreffs der gemischten Ehen (deren Zahl in unserm Großher-
yt try t s Ar Dh re gv
in Ausſicht.--

z t. Emporkommen chriſt-katholiſcher Gemeinden unter der Lei-
tung Czersky's und der Anklang, den ihre Sache unter den reniedern--
Geiſtlichen wie unter den Gebildeten im Volke findet, mögen Ursache
ſein, daß jetzt die polniſch-preußiſche erzbiſchöfliche Curie gelindere Sais
ten aufzieht; sie mag auf dieſe Weiſe dem Umſichgreifen der neuen
Geſtaltung der Kirche am Beſten entgegenwirken wollen. In unſerm
oberrheiniſchen Erzbisthum verſucht man's aber keck mit dem Gegentheil,
nämlich. mit nagelneuer Strenge und ſelbſt mit Trotz gegen die Re-
gierung. Wir haben geſtern ausführlicher davon gesprochen. Heute
berichtet man nun. wieder aus dem badiſchen Seekreise, daß die Geiſt-

lichkeit des Landbezirks Eng en vom erzbisſchöflichen Ordinariat für

ivbre frommen Wünſche und Krträge derb abgefertigt worden

iſe. Der wackere Dekan in Orſingen hatte den erzbiſchöflichen

Befehl zur genauen Berichterſtattung über die neuen Beſtrebungen der
Deutſch:Katholiken der Capitelsgeiſtlichkeit zur Erklärung vorgelegt uu

dieſe in männlich- kräſtiger Haltung einftimmig ihre Anſichten über

. die dringliche Nothwendigkeit zeitgemäßer Reformen zu Protokoll gegeben.

Dafür sollten sie büßen; die Curie tadelt ihr Verfahren und belegt
die einzelnen Geiſtlichen, welche offen und ehrlich ihre Erfahrungett
und Meinungen ausgesprochen, mit schr kränkenden Prädikaten. Das

freiburger Ordinariat verweigert die Berufung der Synoden, rüttelt

an den gemiſchten Ehen und trifft Anstalten, neue zu erſchweren,

greift alſo in das Heiligthum der Familien und der bürgerlichen Ge-
ſellſchaft, setzt sich dabei in Streit mit der Regierung, will Nichts
von eigentlichen Kirchenreformen wiſſen und behandelt geradſinnige

„niedere. Geiſtlichen unfreundlich und hart. Das ſoll der römiſchen
Kirche helfen. Wir glauben nicht, daß Dieß hilft, wo überhauua
ſchwver zu helfen ift; allzufiraffe Spannung zerreiſt auch die ſtärkſte
Kette. Doch wir wollen sehen! w!

* Mannheim, 11. Sept. Ein Kölner Correſpondent ver
Wes.-Z. rühmt an der neuen Gemeinde Ordnung, daß ſie keinen durch-
greifenden Unterschied der Verfaſſung von Städten und Land auſffſtelle,
ſondern für beide im Wesentlichen Gleiches verfügend ein e Gemeinde-
ordnung für die ganze Provinz bilde. \Dagegen- fährt er u. A.
fort, hat die neue Gemeindeordnung dem Entwurfe des 5. Landtages
die höchſt unglückliche Idee entliehen, die sämmtlichen Wähler nach
Maßgabe ihres Einkommens resp. Steuerbetrages in drei Klaſſen so
zu theilen, daß auf jede Klasse ein Drittheil des Gesammteinkommens
resp. der Gesammtſteuer falle und jede Klaſſe eine gleiche Anzahl Ge-
meindeverordneter wähle. Allerdings hat der Vorſchlag des 5. Land-
tags eine Modification erfayren, insofern als derselbe den Waghlcen-
sus überall, auch in den großen Städten, den Staatsſteuern entneh-
men wollte, folglich die Theilung der Wähler in 3 Klaſſen nach dem
reinen Einkommen dem neuen Entwurfe eigenthümlich iſt. Iſt aber

schon in kleineren Städten die Abtheilung nach Steuerbeträgen anſtö-

ßig, so wird sie in großen Städten nach reinem Einkommen völlig
gehässig und bedenklich. Nachdem man so vi-l von böswilliger Poin-

tirung des Gegensatzes zwischen „arm“ und ,„reich‘" zu reden gewußt, hätte
man billig die Bürger nach der Größe des Besitzes nicht in Klaſſen

theilen ſollen, die ihrer Natur nach sich mehr oder weniger feindlich

entgegenſtehen werden. Die Städteordnung vom 19. Nov. 1808 be-

klagt in ihrem Eingange -e1das jetzt nach allen Klaſſen und Zünften

sich theilende Intereſſe der Bürger“ und untersagt deshalb ausdrücklich

(§. 73) die Wahl nach Ordnungen, Zünften und Corporationen;
„jedcr Bürger wirkt lediglich als Mitglied der Stadtgemeinde ohne
alle Beziehung auf Zünfte, Stand, Corporation und Sekte.#n –~ Die
revidirte Städteordnung von 1831, nach der damaligen Borliebe (?) für
ſtändiſche Gliederung wikl doch auch eine Wahl nach Klassen ge-
schehen laſſen, aber diese Abweichung von der alten Ordnung ift in
sofern harmlos, als diese Klaſſen aus übereinſtimmender Be-
schäftigung oder Lebensweise hervorgehen sollen; dagegen bil-
det die neue Ordnung ihre Klaſſen nach dem kraſſen Grundsatze des
Befites, die Schwere des Geldsacks soll entscheiden. Das Bedenkliche
einer solchen Einrichtung ihrem Prinzipe nach liegt auf der Hand,


 
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