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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 31 – No. 57 (1. Februar - 28. Februar)
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Nannheimer Abend

20. Februar

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deren Raum 3 kr. Inſe-
rate, worüber vie Redak-
tion Auskunft zu ertheilen

© hat, die Zeile oder veresn

, Naum A4 kr. + Briefe
und Hetr erbiettet man

ranceo.

1845



itung









Landtagsverhandlungen. .

* Karlsruhe, 17. Febr. Präs. Be kk, auf der Reg.-Bank: M.-Präs.
Zolly, Geh.-Ref. Junghanns. ; (Schlus.)

Dahmen will vie Zahl der Gerichte beschränkt, die Zahl der Richter
aber vermehrt wiſſen, lobt Gottschalk und Blankenhorn, tadelt Welcker, schließt
fich der Majorität an, wünscht die Stadt Ueberlingen auch berücksichtigt und
Heidelberg mit einem Bezirksſtrafgericht versehen. ſ

Gottschalk erklärt ſich gegen Welcker, indem er sagt, da er noch nicht
auf der hohen Stufe parlamentariſcher Unbefangenheit und Rücfsichtslosigteit
fiehe, die in der Sorge für das Allgemeine die Rücksicht für das Einzelne
aufgehen läßt, so habe er von zwei Uebeln das geringiſte gewählt. ;

Reichenbach wünscht gegen vie Ansicht des Berichterſtatters nicht so-
wohl vie Stadt Freiburg, als vielmehr die umliegenden Städte berüéſsichtigt,
und äußert ſich besonders gegen die Anficht, die neuen Gerichte mit Ueber-
gehung gergraphiſscher Lage und der Rücksicht für das Metropolitansyſtem, in
größere Städte zu verlegen, und will deshalb der Regierung eine nochmalige
srgfältige f! tg her Berteitaihe anempfohlen haben.

Hägelin berührt Freiburg. . ?

Weigzel anerkennt die . qen; Wellers, der auch gegen die Gesete
geſtimmt, vie Mittel zu ihrer Einführung nicht zu bewilligen. + Jm Auge-
meinen entscheidet er fich für die Regierungsvorlage, weil die Burger das
Recht haven, auf die möglichſt wohlfeilſte Weiſe das Recht zu erlangen. Ue-
brigens könne er noch nicht entscheiden, ob 10 oder 18 oder 20 Bezirksſtraf-
gerichte errichtet werden werden, die Regierung werde Alles wohl erwägen
und zum Beſten lenken. Die Beamten ubrigens werden nicht faullenzen, ſie
seien gehörig beschäftigt, ſchon als Einzelnrichter, seien auch Cioilſtreitigkeits-
entſcheiver, eine 250,000-Guldenbewilligung sei kein Vertrauensvotum , son-
dern eine Nothwendigkeit, je mehr die Zahl der Bezirksſtrafgerichte vermin-
dert werde, deſto mehr werde den Wünſchen der Kammer entgegengetreten,
durch zu große Entfernung der Gerichte gehen alle Vortheile verloren, unsere
Bürger (!!?) werden rechtslos (Welcker: Rheinbaiern iſt nicht rechtolos —
Weizel: iſt auch nicht fo groß + Stimmen: Man ſpricht ja nur „Verhält-
nißmäßig“') unbegreiflich, wahrhaft merkwürdig und wundersam sei es, das
Yyz;t!ſretgeris! vort einer Univerſitätsftant weg tin ein Landſtädtchen ver-

etzen zu wollen. f

M.-Präſ. Jolly, wenn er einen egoiſtiſhen Wunſch je haben könnte,
so möchte er wiuſchen, daß die Kammer auch die Amtsgerichte und die ganze
Geschichte besorgen möchte, so wäre er aller Verantwortlichkeit los. Außer

vielem Wunſche spricht dex Redner noch gegen rinige iu. Bezug auf. die große..

Anzayi der neuen Vezirksſtraſgerichte vorgebrachten Gründe und verweist be-
sonders auf Frankreich und auf die Devietät auch der an der Cisenbahn lie-
genden Orte, und sagt ſqliesßlich, seine Meinung gehe d.hin, eben auch hier
Illes der väterlichen Fürsorge der Regierung zu überlaſs. n. '

Knapp hält es furs Beſte, dem neu gebildeten St.atsrath die Erlevi-
gung der ganzen Augelegenyeit in die Hände zu geben, auch : man sollte die
Gesetzes vorlagen „zurück“ weisen, und erſt auf nâchſtem Lanotage darüber ent-
scheiden. Knapp ſtellt diesen Antrag, und sollte er nicht durchgeyen, dann nur
10 neue Gerichte einzuführen.

Bleidorn ſtellt zwar auch das Landeswohl über das elnzelne, führt
aber doch die Grunde aus, welche Durlach für ein Bezirksſtrafgericht paſſen-
der machen als Karlsruhe; Gebäusevorrath, Wohlteilheit der Lebensmittel,
unv Lage in der Mitte des Ber "ks, wenn Pforzheim dazu kommen werde, find
vie Grunde des Redners.

Met bedauert, vaß die heutige Verhandlung cinen gar zu speciellen

Charakter angenommen habe, ſtimmt den Ansichten des Abg. Welcker voll-:

kommen bei, fur 8— 10 Bezirksſtrafgerichte, gegen das große Beamtenheer,
das unser Baterland occupirt habe, uud bewilligt so lang keiu.e Miitel, bis er
weiß, wohin die Gerichte kommen. ".
_ Rindeschwender macht ven Vorsſqlag, die Diskussion zu schließen unv
macht ihn plauſibel durch die vorgeschlagene Annahme, es habe jeder Deprtirte
für seinen Bezirk so warm und kräftig gesprochen, als er konnte. Der Ancrag
wird angenommen. :
v. It ſtein (als Berichterftatter) fügt den in dem Berichte ausgeführten
Gründen nichts Wesentliches mehr bei, unterläßt es aber nicht, auf die hohe
Wichtigkeit der Sache aufrnerkkam zu machen und die Kammer zu bitten,
vie einzelnen Rückſichten in den Hintergrund zu drängen und ſich zu verſtän-
vigen in Betreff des ganzen Planes, der so tief in das Wohl und Wehe des
Burgers eingreife, ver aber, nach dem Entwuife durchgefuhrt, sehr unheilvoll
wäre. Schließlich bewilligt er die geforderte Summe, nur vorbehaltlich der
GBeuehmigung der von der Regierung sofort zu treffenden Anordnung.
rôcrtmf stet. Junghanns erklärt, daß die Regierung Alles wohl machen
.Der Geseßesentwurf wird angenommen. + Dagegen stimmen: Hetker,
v. Ibftein, Meß, Richter, Weller. Hierauf werden Petitionen abgemacht.
Beim Abgang der Poſt kauerte die Sitzung noch.

** Narlsrnuhe, Dienstag 18. Febr. Bekk. Regierungsbank: Nie-
mand. . Berichte der Petitionskommisßion. '
' Hägelin berichtet über eine große Menge Straßenpetitionen.

. Fauth über mehrere Peticionen die Emancipation der Israeliten betreffend,
and die Gründe, welche die Petenten fur sich anführen, hält der Berlcht auf
Zugrundelegung der früheren Kammerbeſschlüſse entgegen, vaß die Jsraeliten
t m]ſeter: EStegt beinahe alle Rechte der Chriſten genießen. Zyhnen fehlen
S;NÈoOCCCOOOSſSIaP U D BB

Ecco oOcc oo.

TER SS f

das abgeschlossene ſtarre Nationalitätsgefühl als einen Hauptgrund an, so-
vann die Feindseligkeit ihrer Religion unb Religionsbücher , die nachtheilige
Wirkung des israelitischen Handelsgerichts, und noch verſchiedene andere
Anderwärts schon vielfach berührte Gründe an, und beruft sich auf Gilla-
n y's „Buch das Judenthum und die Critik“', und irägt darauf an , mit Be-
zugnahme auf die Kammerbeschlüſſe vom Jahr 1833, 35, 37, 39 und 1842
an, zur Tagesordnung überzugehen. §. Ö

Bader: Bericht im Namen der Minorität der Komumiſſsion, daß er ſich
nicht sowohl von dein Majoritätsantrag, sonderu auch von vem ganzen Inhalt
des Berichtes losgesagt habe. Alle die Angriffe und Beſchulvigungen des
Berichtes übergeht der Redner und berührt einzig ven Einwurf, daß es ſich
nicht um allgemeine Menschen- sondern um politische Rechte handle, welihe
den Juven entgegen seien. Aber dieser Einwurf, sagt ver Redner, gehört
dent Absolutismus der Ariſtokratie an; er iſt falſche J Deshalb erkläre ich
mich fur die Gleichſtelung der Israeliten, und beantrage empfehlende Ueber-
weisung der Petition an das Staatsminiſterium, dem auch der abwesende
Abg. Welte beiſtimml.

Zittel ſtellt die Frage, wenn vie Juden, ehe sie emancipationswür-
dig seien, die Unterſcheidung ihrer Religion, oyne gerade sich taufen zu
laſſen aufgeben sollen, als was sollen sie dann erscheinen; was ſollen ſie
dann. sein? + Der uviîedner nennt rircß „Glaubens, wang “, dem er seine
Forvtrung allgemeiner Religionsfreiheit entgegenftell. Sodann geht er ein-
zeln die Gründe des Berichts durch, widerlegt ſie und besonders ven chriſt-
lichen Staat mii der Frage: iſt das ein chriſtlicher Staat, der von seinen
Staatsbürgern, wie ſie alle Rechte haben wollen, verlangt, sie sollen ge-
tauft sein? ( Der Redner seßt ſich unter allgemeinem Beifall.)

Metz kennt die Juden und den tiefen Staurpunkt eincs großen Theils
von ihnen, verabſcheuei diesen Theil, aber troß dem ,, ihnen Freiheit, dent
nur in einem freien Zuſtande, kann man wahrhaft gut werden.“. Sodann
fuhrt der Redner aus, daß uns die physische Uebermacht, unſer unchriſtliches
Wesen uns verhindere den Juden die Emancipation zu geben. (Schl. f.)

. .



DeirtsezlaßsÑß.

§ Karlsruhe. Wenn wir ein Urtheil fällen wollen über die
hauptsächlich unter der ſtudir:nden Jugend herrſchenden Ansichten von

„&yre und den Mitteln zu ihrer Wahrung, so müſſen wir vor Allem

den Begriff von Chrce erfaſſen. Eyre ijt das unbedingt ſtrenge Hal-
ten an dem, was man sür vernünftig recht und gut anerkannt hat,
während tas wisſſentliche Dawiderbandeln das Kriterium den Un-
ehre iſte Jeder, der auf Ehre Anspruch macht, muß daher über
das, was vernünftig und recht iſt, im Klaren sein. Der
erſte Richter und Rathgeber iſt da nun wohl jedenfalls das eigene
ch, und Jeder, der ſtreng mit ſich zu Rathe ging und geht, wird
immer ehrenhaft zu handeln wiſſen. Jedoch sollte der Jüngling nie
vergeſſen, daß ihm ein wichtiger Facktor bci Erwägung seiner Hand-
lungen beinahe gänzlich fehlt. Es iſt dieser die Erfahrung. Wich-

tig iſt es dayer für ihn, die Reſultate derselben, wie sie die Stim-

men von Männern, deren Wort und That achtenswerth erſcheint,
geben, wie he vor Ullcm tie große Lehrerin, die Geschichte und die
Zeit ausgibt, zu becchien.

Wie beurtheilen abir solche Männer, tie ihr Leben im Dienste
der Wiſsenſchaft zubringen, die überhaupt einen ernsten und edlen
Lebens-Zweck verfolgen, (und natürlich zichen wir nur diese in Be-
tracht und nicht Seichtfinge, die. immer nur auf der Oberfläche
schwimmen, und wf n ſie ſo alt wie der ewige Jude,) wie beur-
theilen, sage ich, juiche Männer die Mittel zur Wahrung der Ehre,
wie ſie jetzt unter der ſtudirenden Jugend im Schwunge sind? Wie
urtheilt die Siimme der Zeit darüber? Und endlich, wie wird ſie je-
der bei ruhiger Erwägung selbſt anſehen müssen?

Schon längſt haben jene Männer im Einklange mit dem Ur-
theile der Zrit den Stab über das Duell, jene aus der Fauſtrechts-
zeit zurückzcbliebene Giftpflanze, gebrochen. Schon längst hat man
die Lächerlichkeit sowohl als auch anderseits tiese Immoralität dirſes

rohen Acktes ane:kannt, den eine theils verblendete, theils verdorbene

Jugend zum höchsten Zeichen des Muthes und der Ehrenhaftigkeit
ſtempelt. ~ Ja, ihre Thorheit geht so weit, daß sie den roheſten
unter ihnen, der jede Silbe, die ihn vielleicht an seine eigentliche in-
nere Unbedeutendheit erinnert, blutig rächt, der am Beſten fluchen, sau-
fen und pauken kann, für den ehrenvollſten und edelſten unter ihnen
anerken’t, und roenn er auch das Heiligſte, was die Menſchheit bat,
Wiſſenſchaft und Tugend, mit Füßen tritt und verachtee. – Und J
das iſt jene Jugend, auf die des Vaterlandes Hoffnung ruht. Doch
kehren wir zurück zu der uns geſtellten Frage.


 
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