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Mannheimer Abendzeitung — 1845

DOI Kapitel:
No. 176 - No. 206 (1. Juli - 31. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0805

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[annheimer

16.

Abonnement mit vier-
tellähr. Borausbezahlung Mit
in Mannheim 1 fl. 15 kr,
durch die Poft bezogen im &
ggnzen Großherzogthum „ü, #.
aden 2 fl. 8. fr., im S .
Ausland erhöht fich das
Abonnement um den Poft-
aufsſehlag.

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und Gets erbittet man

66.







Deutſchland.

* Meanuheim, 14. Juli. Die Nothwendigkeit, die Bahn
durch das Kinzigthal nicht nur überhaupt, sondern möglichſt rasch zu
bauen, wird durch die Vorgänge um uns her immer einleuchtender.
Die Schweizer haben ihre Eiſenbahnfrage von dem rechten Gesichts-
punkte aufgefaßt, nämlich als Glied der Verbindung des adriatiſchen
Meeres mit der Nordsee, für den Verkehr zwischen Großbritannien und
Ofltindien und den Handel mit der Levante. Sie haben berechnet,
daß der Weg von London über Boulogne, Straßburg, Baſel, Zürich,
Chur, Verona nach Venedig (217 deutsche Meilen] um 18 deutsche
Meilen kürzer iſt, als von London über Oſtende, Köln, Frankfurt,
Karlsruhe, (Durlach,) Stuttgart, Friedrichshafen, Bregenz durch
Tyrol nach Venedig (235 Meilen.) Sie fürchten nicht, sondern

ſie wü nschen, daß ihre Bahnen die Aufmerksamkeit des großen

Handelsvolkes auf sich ziehen, und dadurch englisches Kapital herbei-
geleitet werde. Das Verhältniß der beiden hier gegenüber gestellten
Voncurrenzen ändert sich aber zu Gunsten Badens, ſo bald die Kin-
zigthalbahn gebaut, dagegen die Verbindungsbahn mit Württemberg
über Pforzheim nicht gebaut wird. Alsdann gelangen Personen und
Güter nicht nur auf dem kürzeſten Wege, von Oftende an den Bo-
denſee und umgekehrt, sondern auch von Mannheim ohne Umladung,
von Frankfurt mit nur einmaliger Umladung bis Conſstanz und vice
versa. Für die Tyrolerbahn iſt ohnehin eine günstigere Richtung
als die in der Berechnung zu Grund gelegte (über Insbruck) neuer-
lich vorgeſchlagen, welche nicht nur den Unterſchied von 18 Meilen
nahezu allein ausgleicht, sondern auch leichter auszuführen iſt.
Die Linie von Zürich nach Chur iſt ohnehin durch den Züricher und
Wallenstadter See unterbrochen, und Constanz bietet für die über Tyrol

wie für die über den Splügen kommenden Güter gleichmäßig den

Anziehungspunkt, und eben so kann von Conſtanz aus die eine wie
die andere Straße nach Venedig eingeſchlagen werden. Graubünden
und St. Gallen haben sich am 4. d. in Sennwald über ihre Bahn
verſiändigt, und werden nicht lange mit dcr Ausführung säumen.
Wenn diese Kantone, durch den ausgezeichneten Ingenieur, Obriſt-
lieutenant Lanicca aus Graubünden gut berathen, erkannt haben,
daß Eile noth thut, um von der großen Verkehrslinie nicht ausge-
ſchloſſen zu werden, so wird man es doch auch in Baden hinſichtlich
der Kinzigthalbahn einsehen. ~ Auf der andern Seite haben sich
die Herren Etz el und Klein in Stuttgart erboten, den Bahnbau
um ten Voranſchlag im Admodiationswege zu übernehmen, und die
Reg'erung wird, wenn sie auch dieses Anerbieten nicht annimmt, den
Bau auf eigene Rectnung möglichſt schnell zu betreiben nicht umhin
können. Es ſteht daher die größte Gefahr auf dem Verzuge, wenn
die Ausführung der Kinzigthalbahn noch länger verzögert würde.
Sie muß auf dem nächſten Lardtage beſchloſſen und ohne Zeritverluſt
ins Werk gesetzt werden.

* Mangnuhßheim, 14. Juli.
dritien Artikel des Hrn. Hansemann über den Rheinischen Lanttag,
und zwar über Beröffentlichung der Landtagsverhandlungen, Öffent-
lichkeit derselben und Preßfreiheit. Hr. Hansemann glaubt, daß über-
all, roo ein rolitischer Fortſchritt des preußiſchen Volks, der deſſen
Intelligenz und Nationalkraft hebe, in den letzten Jahren bemerk-
bar geworden iſt, der König, nicht d as Volk denselben bewirkt
habe! „Zwanzig Jahre lang,» sagt er, „nahm das Volk an den
Verhandlangen der Provinzialſtände, seltene Ausnahmen atgerechnet,
wenig Antheil, und die Cenſur ward in Deutſchland, außer in Oster-
reich, woh! nirgends b sorglicher ausgeübt, als in Preußen. Eine,
bedauerliche Gleichgültigkeit für die theuersten Intereſſen des Ge-
ſammtväterlandes, der Provinz und selbſt der Gemeindé war die
Folge, und nur Cinzelne wagten es, auf das Bedenkliche und Ge-
fährliche eines solchen Zuſtantes aufmerknam zu machen.
Da zivyurden die Cenſurfeſſeln gelodkert und die Lanttagsver-
handlungen veröff.ntliht; und. ?s zeigte sich ein neues Le-
ben im Volke; es nahm wvieder lebhaften Ärtheil an großen
und kleinen öffentlichen Angelegenheiten; es ward durchdrungen von
dem Gefühle des Bedürfg;ſſes. der Stärkung nationaler Kraftz &
förderte aus seiner Mitte fähige Männer an den Tag, tie früber un-
gekannt waren. Nur wenn man erwägt, welche große Hindernisse

l



Die Aacherer Ztg. bringt einen

einem solchen Umſchwunge der Verhältnisse entgegen standen; wie
schwierig dadurch den Verwaltungsbehörden die Wahrnahme ihres
Amtes werden mußte ; wie also diese, ohne daß man es ihnen verar-
gen darf, im natürlichen und regelmäßigen Laufe der Dinge eine ge-
raume Zeit lang den neu gestalteten Verhältniſſen, welche sie früher
nie gekannt haben und die ihnen also mindeſtens unbequem sein müſ-
sen, entgegen wirken, – wird man die Sache eher begreifen. —
Indeſsſen haben die rheinischen Stände, unterſsügt in gleicher
Geſinnung durch die Bewohner der Rheinprovinz, in immer
zunehmendem Grade das Heilſane einer gzrößern Of-
fentichkeit und einer freieren Preſſe erkannt und die Ausbildung dieser
wirkſamen Mittel zur Stärkung der Intelligenz und des nationalen
Sinnes des Volkes erſtreht. Merkwürdig ist in dieser Beziehung der
Fortschritt. Der Landtag von 1841 nahm ſich ſchon eifrig der

Veröffentlichung der Protocolle an; der von 1843 that dies noch

mehr und erbat von dem Könige. daß gestattet werden möge, in den
veröffen:lichten Verhandlungen auch die Namen der Redner zu nen-
nen – eine Bitte, welche in dem Landtagsabschiede als nicht gehö-
rig motivirt abgelehnt worden iſt; der Landtag von 1845 ſtellte mit
19 gegen 21 Stimmen die Bitte: taß der König die vollſtändige
Oeffentlichkeit des Landtages genehmigen möge, worauf die aller höchſte
Beſcheidung noch zu erwarten ift. ;

Der Landtag von 1841 gelangte nur zur Stellung des Antrages,
daß „die Angelegenheit der Preſſe durch ein allen Willtührlichkeiten
der einzelnen Censoren vorbeugendes Censurgeſes geordnet werden
möchtez,\ der Landtag von 1843 erkannte zwar mit Majorität die
Nothwendigkeit der Preßfreiheit an, da für einen Antrag auf Gewäh-
rung derselben 46 Mitglieder von 72 stimmten, indessen fehlten hicr-
nach 2 Stimmen an der Majorität von zwei Dritteln, welche erfor-
verlich iſt, wenn Anträge an den König gestellt werden sollen, der
Landtag von 1845 beſchloß mit 63 bejahenden: gegen 6 verneinende
Stimmen den Antrag , daß der König „Seinem Volke die sſehnlich
erwünschte Preßfreiheit gewähren möge, und zwar unter Erlassung
eines mit den Ständen zu berathenden, unserer Zeit und unsern Zu-
ſtänden argemeſsencn Preßgesetzes, und in Hinsicht der von der Cen-
sur schon befreiten Schriften über 20 Bogen, die Aufhebung der bis-
her geſtatteten polizeilichen Beschlagnahme." — Kein Gegenfſtand hat
auf dem letzten Landtage zu häufigern Verhandlungen Beranlassung
gegeben, als die Veröffentlichung der Protokolle; beim Nachschen der
veröffentlichten Verhandlungen finde ich, daß dieser Gegenstand im
Allgemeinen oder bei besondern Gelegenheiten wenigstens 15 Mal
vorgekommen iſt, und daß keiner zu mehr Conflicten zwischen
den Ständen und den Verwaltungsbehörden Veranlaſſung gegeben hat.
Ich glaube nicht, daß diesen Conflicten auf eine der Staatsgewalt
nützlichere Weiſe für die Folge vorgebaut werden könne, als durch
Gewährung . der ecbetenen Oeffentlichkeit des Landtags und der unge-
hinderten Mittheilung ſeiner Berhandlungen. Die Gegner dieſer
Oeffentlichkeit werden ſich übrigens schnell mindern, denn Alles, was ſie da-
gegen sagen und was am erbaulichſten in den Landtags-Berhantlungen der
Provinz Sachsen zu lesen iſt, vat die Erfaÿrung längst auf das vollſtändig-
ſte widerlegt. Wenn man auch nicht nach England, Belgien und Frank-
reich reiſen will. um sich hiervon zu überzeugen, 10 moge man nur
an das Königreich Sachsen von 1830 zurückdenken und iet einmal
mit unbefangenen Augen betrachten, wie dort in 15 Jahren die In-
telligenz und der praktische Berſtand ſich rurch eiwas Öffentlichkeit
und Freiheit ausgebildet vaben, und weiche große Fortschritte im ma-
teriellen Wohlſein, als Folge hiervon, das Land während dieser Zeit
gemacht hat. - ;
+ Freiburg, 13. Juli. Gestern Abend, bald nach 9 Uhr,
verſchied unser ireucr, edler v. N ott e >. Es is ein großer Ber-

luft. den wir beweinen, war er doch cin vortrefflicher, esker Menſch!

Noch am letzten Tage feines Lebens hat er von Morgens fcüh 5
Uhr bis Abends 7 Uhr gearbeitet an Manusſcripten für das Staats-
Lexicon, urd er um 8 Uhr. verlangte der arme und doch so unend-
lich reiche, der schwache und geiſtig doch immer noch ſtarke Mann
zur Ruhe zu gehen. Ach! er fam batd zur Ruhe; denn ichon balv
9 Uyr war er eine Leithe! Sein letter Kampf war alſo nicht hart.
„Ich danke Gott, daß er seinen treuen Knecht ſo leicht vollenden ließ."


 
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