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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 31 – No. 57 (1. Februar - 28. Februar)
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ÜUbonnement mit viree.
teliäßhr. Vorausbeza blung
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durch die Poft bczogen im
ganzen Großherzogthum zz
Baden ?. sl. 8 kr., in t
Busland erhöttt ſich das
Abor.nement um den Poft-
eufſchlag.



Ins er ate die gespaltene
Zeile in Petitsſchrift oder
deren Raum s kr. JIZnſs-
rate, worüber die Redak-
. tion Auskunft zu ertheilen
dat, die Zeile oder deren
Raum 4 kr. – Briefe
und Geld erbittet msy
franco.



Es
1845.

















:

Landtagsverhandlungen.

+ Karlsruhe, 26. Januar. (Fortsetzung von Rindeſchwender's Bericht.)
Diese Unabhängigkeit kann aber überall nicht in den Vortheilen und in
hen Bequemlichkeiten grfunden werden, welche das. Geſeß den Staatsdienern,
over welche die Regierung in dieser Verordnung ihren Dienern zuſsichert :
venn dazu gehörten ganz andere Beſtimmungen, als jene sind, die wir aus-
gesprochen ſehen. Fast man nämlich diese Veſtimmungen von dem Geſichts-
punkte der Unabh äugigkeit, von welcher hier allein die Rede iſt, auf, so
iſt es, ohne Beweis, für Jedermann klar, daß in den erſten fünf Jaghren die
age des Staatsdieners sich von der des abhängigſten Menschen lediglich in
Nichts unterscheidet, da nach §. 3 drs Gesetzes der Dienst in diesem Zeitraum
„unbedingt widerruflich iſt.! Es kann also ein solcher Staatsdiener uhne An-
gabe irgend eines Grundes und ohne Gewährung irgend eines Ruhegehaltes
oder fonſtiger Entschävigung geradezu entlaſſen werden, somit auch entlassen
werden, weil er durch irgend eine Ansicht, oder eine Aeußerung in oder außer-
halb des Dienstes, durch irgend eine freundsſchaftliche Annäherung zu diesem
ÿder jenem Manne einer- politiſchen Farbe, durch irgend eine Unterlaſſung
das Mißfallen eines Ministers auf ſich zog, oder was gleichviel, weil er als
eine dem eben herrſchenden Regierungsſsyſteme, oder dieser und fener Mei-
nung eines Miniſters nicht unbedingt und blind ergebene Person dargestellt,
möglicher Weise auch verläumdet wurde. Es bedarf zu solcher Entlaſſing
wever eines Beweises, noch iſt es nothwendig, daß man ihn über die offene
oder geheime Anschuloigung nur überhaupt vernehme, da er auf ail’ Dieses
keine rechtlichen Ansprüche hat, indem er eben ,nur unbedingt widerruflich
angestellt iſt,“ alſo blos auf Probe in den Staatsdienst gerufen wurde. ;
Dirſe alleruächſte Betrachtung und traurige Wahrheit muß ihn ſtets bei
allen seinen dienftlichen und nichtidienſtlichen Schritten leiten, die Richtschnur
ſeines Verhaltens abgeben und das ,,unbedingt widerruflich" wird sein Alp
int Wachen und im Sthläfe sein.

Bedenkt man nun, daß, wenn man die Durdchsſchnittsjahre, in welchen
ein Staatsdiener im Dienſte verbleibt, auf zwanzig annimmt, der vierte
Theil davon auf völlig widerrufliche Diener fällt, und bedenkt man weiter,
daß gerade dieſe Diener, als die jüngſten und kräftigſten, die meiſten Ge-
\chäfte erledigen, so kömmt inan zu der trüben Folgerung, daß ungefähr jedes
pritte Geschäft oder jede dritte entscheidende Stimme von einem Manne be-
sorgt, beziehungsweise abgegeben wird, der in einer gänzlich abhängigen

Stellung ſwebt, dent ätfo gerade vir Cigenſthaft abgeht, auf welche; yrgen-–

über den Staatsbürgern, am Meiſten anköumt. Es kömmt north hierzu weiter,
daß nach der Berorduung vom 14. November 1839 (Regierungsblatt Nr. 32)
vie Probezeit von fünf Jahren auf unbefſtimmte Zeit im Verwaltungswege
verlängeri werden könne. Nicht viel mehr Gewähr bietet die zweite geset-
liche Beftimmmung über die Art und Weise, wie die Zuruhesetzung eines Staats-
dieners erfolgen könne. Diese Zuruheseßung kann nämlich uach g. b des
Gesetzes ohuer Ansuchen des Dieners „wegen organiſcher Einrichtungen
over aus sonſt irgend einer Ursache" erfolgen. Was ,pvorganisſche Einrichtun-
gen“ seien, erörtert das Gesetz nicht, und va hierüber nur die Regierung
ſelbſt entscheidet, so iſt ſchon aus diesem Grunde eine Zuruhesetzung zu jeder
Zeit möglich; um aber jede dentbare Möglichkeit der Einsprache oder Ein-
rede gegen irgend eine Zuruhesetzung des Dieners in Allem voraus eitel zu
lutachen und zu beseitigen, hilft sich das Gesetß mit der bequemen Claufel :
„„daß diese Penſionirung aus jeder andern Ursache geschehen könne.“
Mit einem solchen Rechtsvorbehalt kann man ſich auf die Allmacht abonniren,
izud unerreichbar souverain bleiben.

Diese merkwürdige Beſtimmung verzieht sich nicht etwa, wie die vorhin
erwähnte Probezeit, auf die erſten fünf Dienstjahre des Dieners, sondern auf
die ganze Dauer seines Amtslebens, und bildet einen Dorn im Fleiſche, der
init jedem Pulsschlage mahnt das bei Handhabung eines freien Charaiéters,
einer selbſiſtäudigen Neberzeuzung zu jeder Miuute die Zuruhesetzung erfolgen
könne. Man halte nicht entgegen, daß die Penſtonirung für einen Staats-
viener nicht der Uebel größtes seie; daß ihm nach derselben die Möalichkeit
lileibe, fich und die Seinigen ernähren zu können. Diese Annahme kaun nach
fage der Dinge und zufälligen Berhältnisſen manchmal eine Wahrheit sein
— aber ſie wirr in weitaus pen meisten Fällen + und gerade um diese and
um die Regel handelt es sich + keinen Haltpunkt haben und sich nicht bestä-
tigen können. Iſ der Staatsdiener schon im Alter vorgerückt, hat er die
Mebung in andern Geſchäftszweigen verloren, beſittt er nicht mehr sie Frische
[und Elastizität des Geiſtes, um in ein neues Geſchäft sich hineinzuarbeiten
> dann ist für ihn die Zuruheseßung ein ſ< wer es Unglück — ein Uebel,
has er auf jede Weise zu vermeiden ſuchen wird. Es iſt schon für einen
wackern Mann ein herber Kummer, sich in seinen kräftigen Jahren als ein
unnützes (Glied der Gesellſchaft vom Staate bezeichnet zu sehen, das verdienſt-

[ Vos bis zu seinem Lebensende gefüttert werden muß; dem seines Lebens Rich-

tung und Zweck verloren ging, deſſen gnädige Wiereraufnahme von uuende

kichen Zufälligkeiten abhäugt und der uicht einmal in der Lage ift, ſtch vor
der Welt rechtfertigen zu können, weil ihm keine Gründe seiner Pensſionirung
§ namhaft gemacht werden. Man darf naiv genug seyn, zu glauben, daß die
. Regierung einen ihr unangenehmen Diener nicht penſioniren wird, ihm damit
ine Wohlthat zu erweisen, und daß sie keinen Staatsdiener in irgend einer
Weise ftrafen werve, wenn er gefügig iſt und in ihrem Sinne brauchbar,

; Ô wenn solche Brauchbarkeit in der glänzenvſten Paſſivitäl beſtünde, deren -

fich die Automaten rühmen können. ;
. j¡rDie dritte Garantie, welche das Dieneredict den Staatsdienern zuſichert,
Uy zuzuſichern scheint, beſteht in der Beſtimmung, daß eine Entlaſſung uur
_ Merger cigener Sthuld des Dieners ftatt finden könne. Gegen diesen Orund-
'gaß läße sich natürlich überall nichts einwenden; + deſtomehr aber gegen das

His.

Donnerſtag ;t: 401 6. Februar V

Verfahren, welches dabei beobachtet werden soll. Das Verfahren aber
und das werde ich bei Männern, wie die, zu denen ich spreche, nicht zu be-
gründen haben ~ das Verfahren ſteht mit dem Inhalt der Gesetze mindeſtens
gleich hoch, da das beſte Gesetz bei einem ungeeigneten Verfahren aufhört,
eine Bürgschaft zu geben. Dieſes Verfahren nun, welches bei eigener Schuld
des Dieners gegen ihn eingehalten wird, wird im adminiftrativen Wege ein-
geleitet und geſchloſen, während doch schon seiner Ratur nach nur eine ge-
richiliche Prozedur Platz greifen sollte. 41

Die Wichtigkeit des Gegenſtandes , die Entlaſſung wegen Berfſchuldung,
die Stellung des Staatsdienerſtandes im Staate und der bisherige Borgang
im deutschen Reiche sprechen für die gerichtliche Natur diefer Sache.

So lange aber dieser Gegenſtand von Gesetze nicht wirklich zu einem
gerichtlichen erklärt ist, dient er als weiterer Beweis für die Noihwendigteit.
den Antrag des Motionsſtellers auszudehnen + als Beweis, daß die Unabhän-
gigkeit der Adminiſtratiobeamten bei dem gegenwärtigen Stande unkferer Ge-
ſetgebung ebenso geboten erscheint, als bei ven eigentlichen Richtern, die so-
gar oft nicht urtheilei dürfen, wo sie nothwendig urtheilen sollten.

§. 6. Der letzte Punkt der in g. 4 aufgeführten Gewährsſchaften des
Staatsdienerſtandes beſteht in der Zusage, daß eine Versetzung zwar jeder-
zeit, aber nur ohne Verkürzung des Gehalts und ohne Zurüékſezung im Range
verfügt werden könne.

_ Dir Bestimmung, welche uach. ihrer Faſſung im Untereſſe des Staats-
dienerſtandes feſtgesest zu werden ſcheint, iſt nach der Ertlärungsweiſse, welche
iftan aus sie in neuerer Zeit angewendet, gar keine Garantie, und wir haben
nichr den mindesten Zweifel, daß die Diener ſich ohne eine solche Garantie
beſſer befinden würden.

Der Staatsdiener muß ſich nämlich zufolge der erwähnten Auslegung
ieve Versetzung von irgend einer Stelle auf eine anvere gefallen laſſen, ohne
daß man ihm eine Beſchwerdeführung vei irgend einer Behörde einräunt.

Wir glaubten abſichtlich zwiſchen dem Gesetze und der ihm gegebenen
Auslegung unierſcheiden zu müssen, indem let tere verhängnißvolle
Erscheinung dem Staatsdiener den leßten Reſt der Unabhän-
gigkeit geraubt hat und.geeignet iſt, auch dem Gläubigen te-
ü en Zweifel zu nehmen.

Nach dem Gesetze selbſt nämlich findet eine Versetzung auf einen gerin- [
gern Dienst nur wegen eines der in g. 10 des Dieneredicts einzeln und ge-
uau bezeichneten Vergehens statt.

“ Zur Falle ver Begehung eines ſsolcheu.. Vergehens. kann...gegeu.den Die-
ner vie Dienstentseßung, also stait einer solchen, auch das geringere, nämlich
eine Versetzung auf einen geringern Dienſt ausgesp rochen werden.

Bei zweien dieser verpönten Vergehen, nämlich bei vem leichtſinnigen

und inuthwilligen Schuldenmachen und bei der erprobten Unverträglichkeit des

Dieners kann nach ven gg. 12 und 13 auch vor der Entlaſſung eine Versezung
auf einen geringern Dienst erkannt werden, woraus zugleich reſultirt, daß
eine solche Versegung bei den übrigen in s. 10 aufgeführten Vergehen nicht
schon während der Zeit der Beſſerungsverfuche des gÿ. Ik, sondern erft nach
Anwendung aller Beſserungsſtrafen und also statt der Entlaſſung, wenn diese
einmal reif iſt, gesetzlich eintreien köune.

Zugl ich geht aus dieser Gesegzesſtelle weiter mit aller Beſtimmtheit her-
vor, daß eine Bersegung in deteriu: nur wegen der Vergehen des §. 10 zu-
lässig iſt und nur mit Beobachtunz ver Forumlichfeiten des g. 14 geschehen
könne.

Nun aver erlebten wir in neueſter Zeit zwei Vorgänge, wonach ein Mit-
glied eines Hofgerichtes und ein Mitglied des oberſten Gerichtshofes auf zwei
der unbedeutendſten Gebirgsorte in der Eigenschaft als Lanobeamte versett
wurden, gegen ihren Willen, ohne daz ihnen eines der in g. 10 des Edictes
genannten Bergehen vorgeworfen oder zur Laſt geſchrieben ward, ohne daf
auch nur zum Schein das Verfahren des g. 14 eingeleitet oder eingehalten
worden wäre. ;

Der Beftimmung des g. 1, wonath eine Versetzung „ohne Zurücksſeßung

im Range" geschehen müsse, glaubte man dadurch begegnen zu können oder
zu s:. daß man dem in deterius Versetzten seinen bisherigen Rang vor-
behielt.

Wir sehen hier von allen andern Beziehungen ab, und indem wir uns
einzig an das geschriebene Recht halten, begnügen wir uns, an jeden denken-
den Menschen folgende drei Fragen zu richten. ; !

1) Zs ein Landamt, einem Hofgerichte und einem Oberhofgerichte gegen-
über, im Sinne des g. 13 des Dieneredictes als ein geringerer Dienft
zu halten?

2) U: 1s man ein Mitglied des Appellations- oder gar des Oberhofgerichts.
zum PLandbeamten machen, ohne vadurch ihn in seinem Range zu ver-
letzen, nachdem ein Gesetz ausspricht, „daß einzig das Amt den Charak-
ter und Rang beſtimme'' ?

3) Kann ein Staatsdiener

a, ohne Vergehen des g. 10 und ' u
b. ohne Einhaltung des in §. 14 des Dieneredictes vorgeschriebenen
Verfahrens in deterius versetzt werden ?
Ws» Verwaltungsbehörden in eigener Sache zu Gericht ſiten, sollte eine

. doppelte Vorsicht zur Gerechtigkeit in Handhabung ihrer eigenen Gesetze und

Verordnungen auffordern! ;
Wenn nun nach dem Dieneredict jederzeit gegen den Diener eine Ver-

setzung ausgesprochen werden kann und wenn überdies die Versetzung ohne

die ſchüßenden Formen ausgesprochen zn werden yflegt, wie wir eben vernah-
men, so ſind wir wohl des Beweises enthoben, daß hier von einer Unabhän-
gigkeit izt Erase keine Rede sein könne, ohne. der offenbaren Jronie beſchul-
digt zu J


 
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