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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 329 - No. 358 (1. Dezember - 31. Dezember)
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Mannheimer 3

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Ubonnement um den Poft- und Geld erbittet man
aufschlag. j és franco.
Mittwoch 10. Dezember TN















Preußen und Rußland.
(Weſer-Zeitung.)

Verlin. Wenn irgend Etwas Preußens deut schen Beruf

in ein helles Licht setzen kann, ſo ift es sein Verhältniß zu Rußland.
Die übrigen Gründe, um seine ftaatlichen Institutionen in Einklang
mit den Bedürfniſſen der Zeit und den Wünſchen des deutschen Volkes
zu bringen, sind weder so ſchlagend (?), noch so allgemein, und laſsen
fich wenigftens noch unter einem andcrn Gesichtspunkte betrachten, als
dem der abſoluten Nothwendigkeit. Allein Rußland gegenüber erheiſcht
die Pflicht der Selbſterhaltung, im deutschen Volksthum und deſſsen
kräftigem Bewußtsein den unerſchütterlichen Damm aufzurichten gegen
die ſlaviſche Propaganda und fie von der „natürlichen Grenze der
Ober- noch nachdrücklicher zurlickzuhalten, als den weſtlichen Nachbarn
von der „Rheingrenzer. Insofern, um zu dieser Ueberzeugung zu ge-
langen, es nöthig war, daß Rußland die Maske der Freundschaft
dermaßen ablegen mußte, wie es ſeit der Thronbefleigung Friedrich
Wilhelm IV. in schneller Folge geſchehen ift, so wollen wir selbt
die barbariſche Behandlung der alt- preußischen Grenzprovinzen als
ein Unglück ihrer Lage verſchmerzen und uns damit tröften, daß ſie
wenigſtens dem furchtbaren Schicksal der ,„Ruſsification - entgehen,
welches so eben unseren Landsleuten in Livland, Eſthland und Kurland
bereitet wird.
h Eine ruſsenfreundliche Partei gibt es, wir möchten faſt mit Ge-
wißheit behaupten, im ganzen Umfange der preußischen Monarchie
bermalen keine. Hier in Berlin, wo fie in früheren Jatren aller-
bings beſtand, mag es viclleicht noch einzelne Individuen geben,
welche an der moskowitiſchen Politik Geſchmack finden, allein wir
zweifeln, daß sie in irgend einem Stand oder Kreis der Giſellſchaft
ſolches ihr Glaubensbekenntniß ohne heftigsten Widerspruch dürften
laut werden laſſcen. Die tieffte Abneigung hat besonders bei dem Mi-
litär gewurzelt, das von allen Chancen eines künftigen Krieges ihn
wohl freudiger nach Often als nach Weſten tragen würde. Was
man auch dagegen sagte, das deutſche Nattonalgefühl erkennt in dem
Ruſſen mehr den natürlichen Feind, als in dem Franzoſen; denn
wohl können ſich zwei gebildete Völker vertragen , aber nie darf Ci-
viliſation ohne Gcfahr mit der Barbarei ſich verbinden. Es legt
baher das heſte Zeugniß ab für den Geift , die Bildung und die Na-
tionalität des preußiſchen Soldatenftandes, wenn er das Unwürdige
eines ruſſiſchen Bündniſſ-s schon in der Idee empfindet.

Unter so gegebenen Verhältnissen sollte das hieſige Kabinet über
ſeine Stellung zu Rußland keinerlei Bedenken oder Täuschungen un-
terhalten. Dazu kommt, daß man in Petersburg Manches thut, was
ſelbſt der perſönlichen Empfindlichkeit nahe tritt, daß die Sprache, die
von dort geführt wird, einen ascendant fund gibt, als wenn man
qlaubt, taran sein Recht erworben zu haben, und daß, wo nur im-
mer das ruſſiſche Interefse sich zu inſinuiren vermag, es durch eine
hervundernswcrthe Energie daran und das preußiſche sehr bald zurück-

gebracht wird. Die Ereigniſſe an der Grenze seit dem polnischen Re-

volutionskriege geben Beispiele genug zur Hand urd um nur davon
den Kartellvertrag hervorzuheben, ſo war dessen Erneuerung von Sei-
ten Preußens ebenso inhuman als unpolitiſch, weil, wie unbequem
auth die Deserteurs oft werden mochten, doch damit an dem ruſſi-
ſchen Koloß eine Wunde offen blieb, die unter Umständen leicht Ge-
fahr bringen konnte. Mit welcher Allmacht der Kaiser die Herrſchaft
auf der Ofſſee behauptet und wie sein unverdrängbarer Einfluß in

Stockholm und Kopenhagen alle Verhandlungen vereitelt, welche

Preußen über eine freicre Schifffahrt mit der Rordsee verſucht, ift
wohl bekannt. Wenn ſich in der That das Projckt einer Verbintung
mit dem Habéburger Hauſe verwirklichen sollte, sſo wäre tamit eine
neue Demonfslration gegen Preußen erfol,t und die Entfremdung voll-
bracht, welche Preußen von der heiligen Allianz trennen soll.

; Damit iſt uns aber auch die Richiſchnur des Handelns unver-
/, kennbar angegeben. Preußens materielle Hülfsmittel ſind gegen Ruß-
" land zu schwach und lettteres iſt auch in Friedenszeiten b. ſſ.r ſituirt,
t IA tt;;. gr tr. ges tres
' nicht, auf entfernten Schauplägen seiner Politik ernfte P: og

den Weg zu legen. Preußen kann als fünfte Großmacht nur auf

.

die Lage Europas, nicht auf die Lage der Welt practiſchen Einfluß
üben und ſelbft dort modificirt ſich derſelbe in allen Fällen, wo keine
unmittelbare Nachbarſchaft statlfinde. So ſind z. B. im Orient die
entſcheidenden Mächte doch nur Rußland und OÖOfterreich in Betracht
ihrer beweglichen Kräfte, die ſich durch Flotten und Colonien in allen
Ländern geltend machen.

Allein Preußen hat gegen Rußland einen gei ftig en Bundes-
genoſſen, der mächtiger vordringt, als die phyfiſche Gewalt und dem
ein Staatsweſen, wie das ruſſiſche, auf die Dauer nicht widerftehen,

geschweige fich einbilden kann, ihn zu bewältigen. Dieser Bundesge-

noſſe ift aber kein anderer, als der deu ts <e Volksgeiſt, den
Preußen zu gewinnen alle Mittel in Händen und nur zu wollen nö-
thig hat. Wenn von den fünf Großmächten zwei die conflitutionellen
und drei die absoluten genannt werden, so liegt es nur an Preußen,
diese Cintheilung zu verändern und diejenige Stellung einzunehmen,
wozu es ſich bireits jetzt befähigt, und bei nur einiger Fernſicht in

die Zukunft von selbſ berufen erachten muß. Die Leiden Polens

dürfen nicht unvergolten bleiben, die M illionen deutſcher

Brüder in den ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen nicht vergeb-

lich nach d er Mutter G ermania blicken und die Barbarei

des Oflens nicht undurctdriyglich ſein für das von Weften her fort-

ſchreitcnde Licht, damit dcs Dichters ſcöner Spruch ſich beſtätige, es

es ſei die Weltgeschichte auch ein Weltgericht.
Deutſchland.

Aus dem Seekreis, 1. Dccember. (Obrrh. Ztg.) Der ge-
ringe Anklang, den tie Conſtanzer Petition. bis j tzt zu finden scheint,
gibt zu ernften Betrachtungen Veranloſſung. Cine klägliche Seite
bietet diese Erſcheinung dem Freunde des Fortschrittes dar: die Lau-
heit und Gleichgültigkcit, welche sür die Entwickelung des religiöſen
Lebens in manchen Kreiſen und namentlich unter den Geifllichen
herrſcht. Wiil man ſich perſönlich nicht genirt oder auch zu keinem
Opfer fähig sühlt, bleibt man ein thceilnahmloſer Zuſchaucr und dünkt
ſich ungemein weise und klug, daß man fich zu keiner Begeifterung
hinreißen läßt. Aber ncben der kläglichen bietet ſich dem Beobachter
auch eine erfreuliche Scite dar, indem er ſieht, daß gerade den ent- -
ſchicdenſten und thatkräftigsten Männern der Schrüt, der von Con-
flanz angeregt wird, ſnictt zusagt, weil er weder an der Zeit
noch ſür die gegenwärtigen Verhältniſſe genügend is. Ja, damals,
als der Schaffhauſer Brirein beftand, wäre es an der Zeit gewesen,
ras Volk für die Sache des kirchlichen Fortſchrittes zu gewinnen und
mit ſeiner Hülfe eine Reform innerhalb der Kirche zu versuchen.
Aber damals begnügten die Geiſtlichen zu ihrem freilich fruchtiloſen
Waike ſich ſelbft, und jett – wiſſen die Laien ihren eigenen Weg
zu gehen, der sie ſchneller zu einer wahrhaften Kirchenverbeſſerung
führt, die durch Rom nicht wieder vereitelt werden kann. Das große
und herrliche Wort, das Ger vinus gesprochen. greiſt mächtig in
die Bruſt ein und erweckt die kräſtigften Entschlüſſe ; möchte nur dem
Entſchluſſe auch flets die That folgen! Aber daran gebricht es noch
allenthalben; man zaudert und zagt.

F$§§ Aus der bayriſchen Pfalz, 8. Dezbr.



Unsere zweite

Kammer in München hat ihr erſt.s Lebenszeichen gegeben und durch

die Wahl von 6 Candivaten zum Präſidentenſtuhle und von zweien
Secretören eine Unabhängigkeit bewieſen, wie niemals früher ſeit
Einführung der Verfaſſung im Jahr 1818. Stets waren bisher
Mitglieder tes Miniſteriums, in 4 Kammern sogar zum Spotte des
ganzen übrigen conſtitutionellen Europa’'s der Finanzminiſter Kam-
merpräfident. Zum erſten Male bei gegenwärtiger Sitzung iſt es
nach ſünfmaligem Skrutinium, welches immer keine abſolute Majori-

tät erzielte, gelungen, den Finanzminister von der Cantidatenliſte zu

entfernen. Aus den 6 gewählten Candidaten hat dann sofort der
König den Frhrn. von Rotenhan zum erſten und ven Dekan Frie-
drich zum zw.iten Präsident ernannt. Beide gehören der Oppoſi-
tion an, erſterer iſt zuglciich, was diesmal besonders bedeutſam,
Proteſtant. Als Seccretäre wurden direct von der Kammer erwählt -
Regierungsdirccior Wintwart und Advokat Anwalt Stockinger aus
Frankenthal, von welchen erſterer ohne bcſtimmte Farbe, legterer aber
entschieden dir Oppoſition anget ört. Aus diesem erſtcn Acte ſind
wir geneigt der Kammer ein guies Prognofticon zu ſtellen und ha-


 
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