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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 299 - No. 328 (1. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#1311

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13, November



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franes.

























Deutſchland.

+* Mannheim, 12. November. Die Leu'ſche Todesfrage hat
yurch das von der Luzerner Unterſuchungscommission behauptete Ge-
ftändniß des Jakob Müller, er habe Leu erſchoſſen, und durch die
Verhaftung eines von der achtbaren Seite hochgeſchätten, von den
Luzerner Machthabern aber längſt gehaſsſten Mannes, des Großraths
Kasimir Pfyffer, aufs Neue das höchſte Intereſſe rege gemacht. ~
Die Meinung, daß Leu sich ſelbſt entleibt hab-, mußte nothwendig
durch jene Behauptung eine Ecſchütterung erleiden ; allein die Un-
ſicherheit der Unterſuchungscommiſsion in ihrer Sache und die Aengſt-
lichkeit, womit ſie auswärtige Gerichtsbehörden und jegt ſelbſt libe-
rale Kantonsbürger auffordert, ſich zu verläſſigen, daß das Geſtänd-
niß kein gezwungenes sei, so wie auch die Paeiſönlichkeit des nun-
mehr in heiterm Zimmer comfortabel feſifitenden Jakob Müllr
laſſen ſtarken Zweifel über die Richtigkeit solchen Unterjuchungsresultats
erftehen und es ißt ſicher sachgemäß, die dagegen ſtreitenden Stimmen
zu hören. Wir haben in Nr. 206 d. Ztg. die Ansicht eines den
Luzerner Parteikämpfen fernſtehenden württembergiſchen Gerichtsarztes
über den Tod des Leu von Ebersol mitgetheilt; derselbe schreibt uns
jetzt:
le Vom Neckar, 9. Nov. Von Neuem hat die Leu’ſche
Meordgeschichte die Blicke der civiliſirten Welt auf sich gezogen. Ob
Mord, ob Selbſtmord, das war, das iſt die Frage. Mit Wort
und Urtheil schnell fertig haben Viele ausgesprochen: „ein Mann
sollte Hand an ſich legen, in der Blüthe seiner Jahre, reich, mäch-
tig, und theilweise hochgeehrt ? Unmöglich !“ Der Sachverſtändige
bf! r Erzrttrt zu.k rt" Hens:
Fällen eine erhebliche äußere Triebfeder zu Grunde liegt; er entspringt
vielmehr in d er Reg el zunächſt aus einer Verstimmung der Pſyche,
die in höherem Grade, und bei längerer Dauer, als Schwermuth
und andere Seelenſtörung sich kund gibt. Insbesondere iſt der Trieb
zum Selbſtmorde von den ersten Vorboten der Geiſteskrankheit an,
eine ganz gewöhnliche Erscheinung. Krank aber, an Körper und
Geiſt, kann Jeder werden, der Reiche wie der Arme, der Unter-
drücker wie das Opfer.

Das einzige, aber auch sichere Mittel zur Auffindung der Wahr-
heit liegt in einer sorgfältigen Untersuchung der Leiche und ihrer
Umgebung. Dem Sachverſtändigen iſt es dann in der Regel leicht,

auf einen solchen Bericht ein sicheres Urtheil zu gründen. Von die-

ſem objectiven Standpunkte ausgehend, habe ich Ihnen vor drei Mo-
naten (Mannh. Abdztg. vom 31. Juli) geſchrieben, daß und wa-
rum in vorliegendem Falle dringender Verdacht eines Selbſtmor-
des vorhanden sei. Inzwischén wurde bald darauf in der Luzcrner
Staatszeitung ein sog. actenmäßiger Bericht veröffentlicht, wodurch
die Unmöglichkeit eines Selbſtmordes „sonnenklar-- bewiesen werden
sollte. Ich darf Ihr Publikum mit technischen Details hier nicht
ermüden und spare eine ausführliche gerichtlich-mediziniſche Erörte-
rung für eine andere Gelegenheit auf; die Zeitumſtände drängen
Us abu das Resultat einer gewissenhaften Prüfung gleich jetzt zu
eröffentlichen.

_ Wenn es überhaupt erlaubt ift, über Etwas, das in Luzern ge-
ſchieht, sich zu verwundern, so muß man billig tie Schamlosigkeit an-
ſtaunen, mit der man es wagte, dem gebildeten Europa zenes allen
Gesetzen der Wissenschaft, allen Regeln der Kunft hobnsprechende Ac-
tenftück vorzulegen. Zur Ehre der Aerzte jener unglücklichen Stadt
ſei es gesagt, die Gewaltherrſher konnten nicht eine Namensunter-
schrift zu diesem lüterlichen Machwerke auftreiben. Doch ift immer
noch genug bekannt geworden, um durch den dichten Nebel hindurch
auf den Grund sehen zu könner,, und nach jener ungeschickten Veröf-
fenilichurg blieb kein Zweifel über den wirklich ſtattzehabten Selbſt-
mord übrig. Leu hatte bei der That eine Piſtole mit der rechten
Hand gefaßt, den Bügel nach oben, den Hahn nach unten und mit
dem Daumen losgedrückt; die linke Hand hatte die Mündung des
(Bewehrs feſtgehalten. Der Pulverdampf, welcher brei einem Schuſse

' q unmittelbarer Nähe wit großer Gewalt aus der Zündröhre dringt
ſund nicht selten den Percuſſions-Hahn in doppelte Spannung zurück-

Awirft), batte über dem Handgelenke einen schwarzen Flick eingtdrannt*);
'?uuch die Finger der linken Hand waren vom Pulverdampf geſchwärzt!

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all zu großer Nähe wegen war die Kraft der Kugel etrvas yer-
mindert.

Demungeachtet iſt der Mord von fremder Hand nun actenmäßig
in Luzern erhoben. Die Eidg. Z. gibt folgende Details zum Beſten:
Die Meuchelpartei hatte 50,000 Fr. dem Thäter zugesagt, aber nur,
pr. Abschlag 14 Louisd’or bezahlt. Sich zu revanchiren, plündert der
Mörder. Die That geschah mit einem alten Jagdgewehre mit 3 "/,
Fuß langem Lauf. Um durch den Glanz des Metalls nicht verrathen
zu werden, wickelte er das Rohr in Stroh und Werg ein, und dieß
find die Bündel, die man nachher fand und für Brandfackeln hielt.
(Wie paſſend! ) Von der Thüre aus wird über das Bett der Frau
Leu – immerhin alſo in der Entfernung einiger Fuß — hinüber-
geſchoſſin. Nach dem „actenmäßigen Bericht“ aber war ein kleines
Loch von beiläufig 5 Zoll Umfang in das obere rechte Ende der Flau-
merdecke des Hrn. Leu eingebrannt; dazu „hinter dem Handgelenke
am rechten Arm eine breite vom Pulver entschieden schwarz gebrannte
Stelle, die Finger >:.r linken Hand schwärzlich gefärbt." Die Kugel
hatte u. A. das Zwerchfell durchbohrt, die Vorkammer des H er-
zens faft ganz zerrissen und war durch den hintern Theil des
Lungenflügels u. s. w. nach Außen gedrungen. Nach solchem Schuſſe
erwacht Leu, schreit „ Jesus Maria “! Der Mörder ſchließt daraus,
er habe getroffen und flieht. Recht rührend, Schade nur — eine
Ungereimtheit sonder Grenzen!

Nochmal: es liegt kein Mord von fremder Hand vor. Wenn
zehn Unglückliche geftändia werden, die That begangen zu haben, wenn
ſie alle den Zeitverhältniſſen als Opfer fallen, ~ wir legen auf solche
Aussagen kein größeres Gewicht, als auf Hexengeſtändniſse, denen
man freilich wohl in der „„Urschweiz " Glauben schenken mag. —
Die ganze Leu'ſche Procedur ift eine sprechende Consequenz der jeſui-
tischen Maxime, wozu die Geschichte des Orders leider ! allzuviele
Beiſpiele liefert: „Der Zweck heiligt die Mittel.» Wir aber ſager :
An ihren Früchten sollt tr sie erkennen

*) „Der rechte Arm hatte hinter dem Handbdgelenke eine breite vom
Pulver entschieven schwarz gebrannte Stelle." Actenmäß. Ber.

Heidelberg, 10. Nov. (Heidelb. J.) Durch Staatsminiſte-
rialentſchließung vom 5. Nov. d. J. wurde der Recurs der Wahl-
commisſsionen ebenfalls verworfen und ausgesprochen:

„daß bei den Wahlen der Wahlmänner den Urwählern die Ein-
„ſicht der Wahlzettel neben den Wahlprotocollen zu geſtatten ſei.re

Das großh. Oberamt hat hierauf durch Beschluß vom 8. Nov.
No. AT7,522 verfügt:

„Sogleich am nächſten Montag, den 10. d. M., muß denjeni-
'Es H464, vltate.„Âtst u rt: urch; b:;
f , HU t YT, '

„von den Urwählern des 3., 4. und 5. Diſtricts abgegebenen
„Wahlzettel und eine Prüfung des ganzen Wahlactes auf dem
„Rathhauſe gestattet werden. Bürgermeister Winter hat denselben
„auf ihr Anmelden die Wahlverhandlungen mit den Zetteln vor-
„zulegen, ihnen zu ihrem Geschäfte tie erforderlichen Lokale ein-
„zuräumen und dafür zu sorgen, daß sie ohne Störung die be-
„gehrte Prüfung des Wahlgeschäftes vornehmen können.

Für den genauen Vollzug dieser Anordnung wurde Bürger-
meiſter Winter unter Hinweiſung auf den g. 23. des Gemeinde-
gesetzes verantwortlich gemacht.

++ Aus dem Großherzogthum Baden. Vir haben in
unserer Nähe einen deutſch - katholiſchen Geifilichen von ganz eigen-
thümlicher Art. Er hat sich nicht nur von dem römiſchen, sondern
überhaupt von dem Katholicismu s losgeſagt, ohne jedoch der
Reformation geneigt zu sein oder an die neue Bewegung sich an-
zuſchlicßen. Er will von bibliſchen Pr edi g te n und Katechiſsatio-
nen nichts wiſſen, und legt seinea Lehrvorträgen nie ein Kapite
oder einen Vers aus dem Alten oder Neuen Teftamente als
T ext zum Grunde; ja er nimmt sogar von aller Religion darin
Umgang. Er hat den Propheten, Evangeliſten und Ap ofteln
den Abſchied gegcben, und will selsſt J:sum nicht als den Messias
anerkennen. Und dennoch hat dieser Geiftliche seinen Glauben nicht
verläugnet, und ich wenigstens balte ihn, auch wenn er es ſich ver-
bitten ſollte, für einen guten katholischen Christen. Der Mann ift

nämlich nichts mehr und nichts weniger als ein Deutſchthümtler,



und Geld srbitlei man
 
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