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Mannheimer Abendzeitung — 1845

DOI Kapitel:
No. 31 – No. 57 (1. Februar - 28. Februar)
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und alle geiſtigen Güter der Staatsbürger.

Zhbonnement mit vier:
teljähr. Vorausbezahlung “cou
in Mannheim 1 ft. 15 kr. Li /
durch die Pof bezogen im &
ganzen Großsherzogthum „F
Baden .. fl. s. tr., im Ü

Ausland erhöht fich das
Abor.nement um den Poft-

gaufſchlag.



Ins.er ate die gespaltene
Zeile in Petitſchrift oder
deren Raum 3 kr. Junſe-
rate, worüber die Redak-
tion Auskurft zu ertheilen
hat, die Zeile oder deren
Raum 4 kr. – Briefe
und Geld erbittet may
franco.



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4. Februar

1845





Dienstag

Landgsverbandlungen.

+ Karlsruhe, 26. Januar. (Fortsetzung von Rindeſchwender's Bericht.)
Nach Grundsätzen, die in unserer Zeit keincm Zweifel mehr unterworfen
ind, iſt der Staat, gegenüber dem Gesetze, selbst nur Partie; er muß sich
den Gesetzen fügen, wie jeder andere Staatsangehörige. Aber wie ist, meine
erren! dieſe Unterwerfung unter das Gesetz, wenn sie nicht eine bloße Fik-
Ffion sein soll, möglich oder denkbar, sobald der Vollzieher des Gesetzes von
dem Willen Desjenigen abhängt, gegen den er das Geset anwenden foll,
wenn das freundliche oder trübe Loos durch diesen Willen bedingt iſt? Es
iſt darum uhne Ausführung klar, daß die goldene Gleichheit Aller vor dem
Gesetze nicht beſtehe, nicht beſtehen könne, so lange der Staatsdienerſtand von
einer Partei abhängig iſe Die Bestimmung unserer Verfaſſungsurkunde,
daß , die Rechte der Badener in jeder Beziehung einanter gleich seien, wo
die Verfaſsſung nicht namentlich .und ausdrücklich eine Ausnahme macht“
(g. 7 ), so wie jene Beſtimmung, ,„daß das Eigenthum und die perſönliche
Freiheit der Badener für Alle auf gleiche Weise unter vem Schutze der Ver-
faſſung ftehe, " ($§. 13 ver V tracht t iſt sofort keine Wahrheit,
sondern eitle Täuschung, da der Hauptbetheiligte bei der Anwendung dieser
Weſselzesvorschriften, der Staat selbſt, den Organen der Vollziehung gegen-
über, in einer bevorzugten Stellung und Lage sich befindet, und man da
nicht von Gleichheit Aller reden kann, wo auf einer Seite der Partein ein
Vorrecht, und zwar ein enormes besteht. Man täuſcht ſich so gerne mit
ver Vorſchrift des §. 13 unserer Verfaſſungsurkunde, der sagt: ,, der Jiskus
nimmt in allen seinen aus privatrechtlichen Verhältnissen entspringenden
Streitigkeiten Recht vor den Landesgerichten“’, und es gibt viele Leute, die
in gutmüthigem Glauben annehmen, daß damit nun die vollkommene Gleich-
heit verbürgt seie, weil der Staat fich in seinen privatrechtlichen Gegenſtän-
den den Aussprücheun der Gerichte unterworfen habe. ~ Allein dieſer ein-
ichläfernde Troſt geht unter der Hand nicht nur wieder verloren, wenn man
bedenkt, daß der RKichter in diesen Gegenständen gegenüber dem Staate nicht
unabhängig seie, sondern durch Berücksichtigung des weit größern Uebelſtandes, .
vaß dieſe Eigenthumsverhältnisse, bei denen der Staat vor den Gerichten

. VMede fteht, bei Weitem nicht die wichtigſten und der Zahl nach nicht die mei-

sten seien. + Nicht darum handelt es sich zunächſt und allein, ob der Staat
bei einem Waldeigenthume, einer Servitut, einer Forderung te. bei den Landes-

gerichten sein Recht sprechen laſſen wolle; das wäre zuletzt wohl das unbe-

. venklichſte; nein! der withtigſte Theil dieser großen Frage ist vielmehr in

ver Betrachtung enthalten,. ob der Staat auch bei jenen unenolich vielen Fällen
unv Veranlaſſungen + wobei das Regierungssoſtem + und mit ihm die Mi-
niſter näher oder entfernter betheiligt oder gefährdet erscheinen, ein Einwir-
kungsrecht auf die Gerichte ausuben solle oder dürfe ? Und dahin gebört jede
politische Regsamteit, alle Criminalfälle und das unermeßliche Gebiet der
weit verzweigten Polizeigewalt. Während also dort nur einc Geldofrage, wo-
bei kein höherer Staatsbeanmter betheiligt sein kann, ventilirt wird, handelt
es sich hier um volitiſche Meinungen, um persönliche Intereſſen der Matht-
haber, um die Tagesfrage, um die persönliche Freiheit, die Ehre, das Leben :

Der Antrag in der Motion des Abgeordneten Welter geht zunächſt
blos auf die Unabhängigkeit der Gerichte; er erſcheint offenbar zu eng, da er
vie Verwaltungsbeamten mit gänzlichem Stillschweigen übergeht. Die Gründe,
welche für die unabhängige Stellung der Gerichte sprechen, reoen mit gleichem
Nachdrucke auch den Verwaltungsbeamten das Wort und fur die Gleichheit
der Behandlung dieser beiden rea der Staatsdiener find in Baden noch
Umfſtäude besonderer Wichtigkeit vorhauven. Alle Partein wollen nämlich zu
dem Zwecke die Unabhängigkeit der Gerichte, damit inmitten und oberhalb

aller Betheiligten eine selbſtſtändige, von jedem Interesse unberührte, Behörde

beftehc, die in allen ftreitigen Gegenständen Recht sprechen. sol. Der Beruf

ver Gerichte geht alſo dem Wesen nath auf alle ſtreitigen Gegeuſtände, iu die

ver Staaisbürger zum Staatsbürger oder zuin Staate oder zur Regierung

. felbſt kommen kann, und der natürliche Menſchenverſtand und der gesunde

Sinn des Bürgers wird zwischen den verschiedenen Arten der ſtreitigen Fälle
wicht unterscheiden, da er eben, gleichviel wie der fſtreitige Gegenſtand heise,
der kunſtlich bezeichnet werden mag, für sein Recht einen unbetheiligten uad
unabhängigen Richter verlangt und zu verlangen berechtigt iſt. So war es

N d ehemals auch in allen Staaten und so insbesondere ſtetzhin in unserem Deutſch-
land ver Fall. Nun aber haben in neuerer Zeit künſtliche Unterscheidungen
und Trennungen ſtattgefunden, und man hat zwischen eigentlichen Criminal-

„und polizeilichen Fällen, zwischen Justiz- und Adminiſtcativ-Gegenſtänden unter-

ſcicden und eine Masse künſtlicher Merkmale aufgeſtellt. So lange blos im

YJuteresse der Wissenschaft und der Disciplin, blos im Juteresse der Klarheit

_ Geiſter in dieser geiſtigen Welt ihr

uud der Darstellung die Begriffe geschieden werden, ſind die Bürger und ihre

Vertreter dabei nicht näher betheiligt + sie können ruhig zusehen, wie die
Wesen treiben. Wenn aber einmal prak-

hiſche Consequenzen daraus gezogen, wenn insbesondere für die verfchievenen

Arten der künstlich gemachten Unterscheidungen verschierene Behörden zur Ab-
"urtheilung der dahin gewiesenen Gegenſtände aufgeſtellt, und wenn die einen

' »dieſek Behörden in ein völlig abhängiges Berhältnis zur Regierung gebracht .
_ werden, dann begiuut die Frage ihre engen Grenzen bloser Schulbezriffe zu
„erlassen und mit tief gehender Wirkuug in das bürgerliche Leben überzu-

Ä schreiten. Das iſt in Kürze der Gang, den die Administrativ omm.

-Juſtiz genommen,

' die man seit ibrem erſten praftiſchen Auftreten ftets noch auf Koſten der Ge-

: 1:17

. bände fich verzweigt hat, blos auf die

]

trirhte . auf Koften des Rechts — erweitert und mit
S atten; rermehrt sd bereigect hat. Wenn man daher heutzutage in einem

den: gewichtigſten

tagte, in dem die Adminiſtrativ-Juftiz Boden gefaßt und auf wichtige Gegen-

Unäbhängigkeit der Gerichte den An-

| M Diete; forimirt, ſo erreicht man seinen weck [nur zur Hälfte, und man follte

n Aiitag entweder,! wie. bemerkt wurve-.auf die Sicherſtelluag der Ver-

. in Wirkſamkeit zu treten habe.

waltungssranten ausdehnen, oder gleichzeitig auf Aufhebung aller Admini-
ftrativ-Juſtiz sein Augenmerk richten. Eines oder das Anvere thun, iſt unge-
nügend und selbst inconsequent. Um diese Behauptung zu begründen, wollen
wir in Kürze auf den Stand der gegenwärtigen Gesetzgebung aufimerkſam
machen. Es iſt derzeit die ganze Polizeiſtrafgewalt in den Händen der Ad-
miniſtrativbeamten, die bis zu vier Wochen Gefängniß erkennen, und Geld-
ſtrafen bis zu 150 Gulden aussprechen. (Forts. folgt.)
+ Karisruße, den 1. Februar. In der geſtrigen Sitzung der
II. Kammer kam das Einführungsedikt zum neuen Strafgesetz zur
Verhandlung. Die I. Kammer hat nämlich an dem Entwurfe, wie

ihn die Il. Kammer im Juni 1844 faßte, zwei Aenderungen ge-

macht.

1) Die eine dieser Aenderungen bezog sich auf den g. 1, in
welchen die Il. Kammer die Beſtimmung aufgenommen hatte, daß
das Strafgeſez nur gleichzeitig mit der Strafprozeß ordnung
Diese Beſtimmung wurde im Nov.
1844 von der I. Kammer gestrichen, weil darin ein unangemessener
Zwang liege, nur beide Gesetze mit einander oder keines derselben
in's Leben zu führen, während doch das Strafgesetz damals in ven
Berathungen schon weiter vorgeschritten war, als die Strafprozeß-
ordnung, und auch das erſtere für sich allein schon ein Gewinn
wäre, wenn auch die letztere noch nicht zu Stand käme, — ſodann
aber weil es ſich hier noch nicht um das (erſt vorzulegende) Ein-
führungsedikt zur Strafprozeß ord nung, sondern nur um das
Einführungsedikt zum Strafgesey handle, und es nicht angehe,
in dieſem auch von der Einführung der Stra‘ prozeß ordnung
zu sprechen. Die Kommission der !. Kammer trug nun darauf an,
den ganzen §. 1. fallen zu laſſen. Der Berichterſtatter Weizel
fügte aber als seine eigene Meinung bei, daß jetzt, wo beide Kam-
mern ſich über beide Gesetze schon vereinbart haben, die I. Kammer
nun wohl keine Einwendung mehr machen werde, wenn der Artikel,
wie ihn die Il. Kammer gefaßt hatte, wiederhergeſtellt werde, weß-
halb er für sic) darauf den Antrag. ſtelle mit dem Beisatz , daß der
Tag, an welchem beide Gesetze gleichzeiig in Wirksamkeit treten,
durch Reg.-Verordnung bestimmt werde. Dieser Antrag. wurde von
Junghanns, sowie von Staatsrath Jolly bekämpft, dagegen
von Hecker und Welcker unterſtätt, von dem Erſtern insbesondere

aus dem Grunde, weil er den Richtern, solang ſie nicht nach der
. neuen Strafprozeßordnung und öffentliche und mündliche Verhand-

lung sit urtheilen, das im Strafgesetz statuirte große richterliche Er-
meſſen (in der Strafausmesſung) nicht einräumen wolle. Der An-
trag Weiz el's wurde hierauf angenommen, also die Faſſung der
II. Kammer mit dem erwähnten Zusatze wiederhergeſtellt.

2) Die zweite Aenderung, welche. die I. Kammer. machte, betraf
die Beſtimmung des g. 4, wenach. es auch nach Einführung des
Strafgesezes rückſichtlich der Rechte der Wahl und der Wählbarkeit
zur Ständeverſammlung bei den Beftimmungen der Verfaſſung ver-
bleibe. Die Verfaſsungs-Urkunde setzt nämlich die Eigenschaften feſt,
welche die Urwähler, die Wahlmänner und die zu Abgeordneten
Wiählbaren haben müſſen, und dabei kommt davon, daß einer nie
zu Zuchthausſtrafe verurtheilt worden sein dürfe, nichts vor. Der
§. 17 des Strafgeſezentwurfs beſtimmt aber, vaß Derjenige, der zu
einer Zuchthausſtrafe verurtheilt werde, jene ſtaats- und gemeinde-
bürgerlichen Wahl- und Wählbarkeitsrechte verliere. Zu dem Arti-

kel der Il:Kammer, der in diesem Punkte die Verfaſſungsbestimmungen

aufrecht erhalten [wollte, bemerkte die I. Kammer,. daß .es die
öffentliche Moral verletzen würde, einem zur Zuchthausſtrafe Verur-

urtheilten so. hochwichtige Rechte zu belaſſen und ihn etwa gar. als
Kamnmermitglied an der Gesetzgebung Theil nehmen zu laſſen. Sie
'ſtrich daher! den von der Il. Kammer gemachten (schon im Reg.-
"Entwurf enthaltenen) Vorbehalt..

Die Commisſton der zweilen Kammer ſchlug vor, es bei diesem
Striche zu belaſſen, jedoch aus entgegengesetten Gründen. Sie be-

merkte nämlich: Den speziellen Vorschriften der Verfaſſung über die
Wazten zur Ständeverſammlung könne durch ein späteres allgemeines

Geseß, wie das Strafgeſez sei, nicht derogirt werden, sie bleiben

„vaher, dieſes neuen Gesetzes ohnerachtet, aufrecht, wenn man auch

viesfalls keinen Vorbehalt mache. Bisher sei es ganz ohne Folge,

. daß die erſte Kammer die Vorbehaltsbeſtimmung geſtrichen habe, und

es möge bei dem Striche um so mehr bewenden, als ja die Kammer


 
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