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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 1 – No. 30 (1. Januar – 31. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0029

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s. Januar

. .Juwyſserate die gespaltene
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deren Raum 3 kr. Jnſe-
d rate, worüber die Redak-
[ tion Auskunft zu ertheilen
I + hat, die Zeile oder deren
Raum 4 kr. ~ Briefe
und Geld erbittet man
franco. j

1845









Deutſchland.

* * Vom Neckar. In unserer Gegend hört man so häufig
Betrachtungen darüber, wie in den übrigen Landestheilcn der Boden
und Bürger, schon längſt von veralteten Abgaben entfeſſelt, sich ei-
ner den Wohlstand befördernden Erwickeluug erfreut, während beide
Elemente bei uns von denselben noch wie von einem Alp gevrückt
werden; wir hören, wie schon länger als seit einem Jahrzehnt über
pieſe und jene Straße, welche den Verkehr bei uns befördern ſoll,
Lärm gemacht, aber bis jetzt nichts davon ausgeführt wurde, wäh-
rend in der nächſten Zukunft schon Schienenwege die übrigen Lan-
destheile auch nach Oſten und Weſten durchlaufen werden, um sie in
in den allgemeinen Verkehr hereinzuziehen und an dem regen Leben
Theil nehmen zu lassen, das so manche irdiſche und geistige Schranke
fallen macht; wir sehen, wie anderwärts durch Brcreine und sonstige
sociale Akte auf Veredlung der Mitmenschen, auf Einsicht des Bür-
gers in seine Rechte und Pflichten, auf Abschaffung veralteter Bor-
urtheile und Beförderung eines geistigen und materiellen Wohlstan-
des hingewirkt wird, während in unserer Nähe der dort auf der
Flucht begriffene deutsche Michel noch seinen Wohnsitz feſt aufgeschla-
gen zu haben ſcheint. rz.

Urber diesen Zuſtand erheben die Bürger, vie ihn zwar auf un-
behagliche Weise fühlen, aber nicht zugleich die Mittel zur Abhülfe
E:: ut und wiederholte Klage und dennoch liegt eines dieser
Mittel so nahe.

Es iſt dies die Wahl tüchtiger Bürgermeiſter und
Gemeinderäthe.

Nach dem Geisſte unserer Gemeindeordnung, einer

der schönſten Blüthen im Kranze, den die Volksvertretung errungen
-. hat, iſt der Gemeinderath mit dem Bürgermeiſter an der Spitze

„nicht nur berufen, .das Gemeindevermögen zu verwalt:n und di
Befehle der zuſtändigen Staatsbehörde zu vollziehen, sondern er iſt
auch vermöge dieses Berufes zugleich der Träger der Wünsche und
Bedürfniſſe der Bürger in tauſsendfachen Beziehungen. Er bildet
das Organ, durch welches am Leichteſten gemeinnützige Einrichtun-
gen zur Befriedigung der zeitgemäßen Wünſche der Bürger entweder
auf selbſtſtändige Weise oder durch Vermittlung der Staatsbehörde
in's Lrben gerufen werden und die Gemeindebehörden ſind es, welche,
wenn ſie auf die öffentliche Stimme ihrer Mitbürger achten, ihr
mit fichererem Erfolg gehörigea Orts Eingang verschaffen, als wenn
nur der Einzelne ihr Worte leiht. Wir sehen dgher auch:. in an-
dern Gegenden des Landes viele Gemeinden wo die Bürger mit
richtigem Blick ihre Vertretung in die Hände Derjenigen niederlegen,
die unter der gewerbetreibenden Mittelklaſſe mit einem äußeren Wohl-
ſtand zugleich einc tiefere Einsicht in das öffentliche Leben verbinden;
vermöge ihres ſteten Verkehrs mit den Mitbürgern die zeitgemäßen
Bedürfniſſe kennen lernen und durch ihre Einsicht bei redlichem Wil-
len zugleich die Kraft haben, die Mittel zur Befriedigung dieser
Bedürfnisse durchzusetzen. In solchen Gemeinden nimmt man aber
bei den Wahlen der Bürgermeiſter und Gemeinderäthe keine Wahl-
beherrſchung wahr, wie sie in unserer Gegend in allen Gemeinden
Statt findet, wo statt durch würdige Besprechung, Berathung und
Belehrung die Stimme des Aermeren, wenn er nicht moralische
' Kraft genug besitzt, durch Geld oder geistige Getränke geködert, der
Unerfahrene und Lichtgläubige aber durch unerfüllbare Verſprechun-
gen oder Drohungen bewogen wird, und wo die Wallbeherrſcher
oder ihre Werkzeuge vor dem Wahlzimmer lagern und den Uner-
fahrenen oder Abhängigen zum Offnen seines Wahlzettels nöthigen,
wöährend das Gesetz in der geheimen Stimmgebung vie heiligste Ga-
' rantie für eine freie Wahl sanctionirt hat.

Aus solchen Wahlen gehen gewöhnlich Gemeindevertreter her-
vor, welche entweder die Verwaltung auch da, wo keine Aufſicht
der Staatsbehörde geboten iſt, an deren Befehle ketten möchten und
ſede freie Bewegung der Bürger verabscheuen, oder die in ihrer

stellung die Gelegenheit zur Erreichung eigennütziger Zwecke erblik-

m. Wo dagegen das Geheimniß der Stimmgebung im Augenbick

ſ Wahlakts heilig gehalten wird, dort wird das unverfälſchte

"rauen zu den Einsichtsvollſten und Redlichen in der Wahlurne
"hken und dort wird sich auch in unserer Gegend ein Bür-
""den, das geſtüzt auf entschiedene Gesinnung, Moralität

dem Gesetz seine Bürzer unter seiner Fahne schaart,



das Geburtsjahr verräth.

nunftgründen überall den Kürzeren z'ehen.

Besserung fähig ſind, zugemuthet :

und die im Cingang genannten Klagen werden.. bald verſtummen.
Möchten diese Worte bei den gegenwärtigen häufig bei uns ſtatt-
findenden Wahlen der Gemeindevertreter nicht spurlos verhallen!
Vour Nheiu, 2. Januar. (Frankf. I.) Nach Briefen aus
Breslau nimmt die kirchliche Bewegung unter den Katholiken in
Schlesien immer mehr zu; Broſchüren über Broſchüren erscheinen für
und widerz schon sind dort, wie versichert wird, über 3000 Katho-
liken einig, dem Schneidemühler Beispiele zu folgen. ~ Auch bei uns
iſt die Bewegung, wenn auch weniger in den Zeitungen, merklich.
Es gibt sich z. B. im Mittelſtande von Köln eine kernhafte Geſin-
nung kund, die zu den erfreulichſten Hoffnungen berechtigt. Um so
eifriger und geschäftiger wird von anderer Seite im Geheimen gear-
beitee.. So wurden in der vorigen Woche an Kirchthüren zu Köln
große Stöße von Exemplaren sogenannter alter Prophezei hun-
gen an die Weiber vertheilt, den gegenwärtigen Zuſtand der Kirche
betreffend; die Typen waren allerdings alt genug aussehend und konn-
ten etwa ein Weib täuschen; aber ſchade, daß das Maſchinenpapier
Auf dieſe Weise suchen gewisse Herren
auf die Volksmaſsse zu wirken, während ſie gleichzeitig um Beſschrän-
kung der Presse einkommen, da sie mit ihren wissenſchaftlichen und Ber-

** Mus dem Wuſpyperthale, 20. Dec. Im hieſigen Thale,
bekannt als der rechtgläubigſte Winkel der proteſtantiſchen Welt, hat
sich, und zwar in Elberfeld, troßy den Wächtern auf Zions Warte,
ſchon vorlängſt eine %Peartei gebilvet, die "mit [en
Philalethen in Kiel von 1830, und den Freien in Berlin von 1842
verwandt iſt, Was dort Theorie war, iſt hier praftiſch in's Leben
getreten. Von dicser Partei wird die Taufe verworfen, weil ihr,
durch Austreibung des Teufels, Vergebung der Sünden und eine
magische Kraft zugeschrieben werde, was der Vernunft widerspreche;
die Confirmation wird von ihr gleichfalls unterlaſſen. Die Geiſt-
lichkeit hat es nicht daran fehlen laſſen, die Glieder derselben ſo-
wohl bei der weltlichen als geistlichen Behörde zu verklagen; hat
aber nichts damit ausgerichtet. Zu ihren Mitgliedern, welche man
Carliſten" nennt, gehören angesehene Personen, und ihre Zahl ver-
mehrt sich. Solche Erscheinungen kommen im Protestantismus vor.
Denn dieser ist, ſtatt etwas Lebendes , mit dem Tage Fortſchreiten-
des zu sein, zu etwas Todtem, Geſchichtlichem, Stabilem herabge-
ſunken , ja herabgezwängt worden ;
daher das seltene und traurige Schauſpiel, daß das Volk seiner
Kirche vorangeeilt it. Man iſt darauf aus, das Volk zum Kirchen-
und Abendmathlsgehen gleichſam zu zwingen. Das Letztere sucht na-

mentlich die rheinische Provinzialſyuorte durch einen Beschluß von 1844

zu bezwecken, indem nach ihm die Namen der Abendmahlsgenoſsen
jedesmal einregiſtrirt werden sollen, und folglich von ihr der Grad
der Chriſtlichkeit oder Humanität nach dem Genusſſe des Abendmahls
taxirt wird! Die Borſtände mehrerer Gemeinden haben aber diese
hierarchische Vormundschaft mit Entrüſtung von sich gewiesen, da
ſte ſich noch des berüchtigten Beſchluſſes der Jülich-Bergisſchen lutherischen
Synode von 1780 erinnerten, nach welchem die ſäumigen Kirchen-
und Abendmahlsgänger mit ſtufenweise gesteigerter Strafe bis zum
Banne und unehrlichem Begräbniſſe und Denuneirung derselben
beim Fürſten, als gefährliche Menschen, belegt wurden. ~ Uebri-
gens liegt man auch hier gegen den Pierismus zu Felde, rurch Bil-
dung von Berreinen für die deutsche Volksſchule und für Volksbil-
dungz in ihnen, sowie in den Kleinkinder -Bewahranstalten bis zu
den Jünglingsschulen herauf sind Personen thätig, deren Panier
„Vorwärts !-- lautet. Bon ihren Gegnern hörte man dagegen noch
im Herbſte häufig gegen das stehende Theater von den Kanzeln her-
ab poltern, von welchen Einer unter andern seinen Zuhörern zurief:
Der Teufel iſt mit seiner Rotte in eure Grenzen gezogen ~ kennt
ihr auch diesen Feind? — es iſt das Theater! Endlich haben die
Prediger dieses Thals, welche für blinden Glauben und ohne Tha-
ten gerecht zu werden eifern, es eingeschen: daß daraus keine gu-
ten Früchte folgen. Sie haben daher (1842). in einem an ihre
Pfarrgenoſſen gerichteten Sendſchreiben, den nach ihrer Lehre von
Natur in Süuden todten Menschen, die aus eigner Kraft keiner

ein moralisch gutes Leben zu
führen. ;


 
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