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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 117 - No. 145 (1. Mai - 31. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0513

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1845





Dienstag

irg: Deutſchland.

. d+ Stuttgart, 3. Mai. In der 36. Situng verhandelte un-
sere Kammer über die Bewilligung von 3000 fl. als Staatsbeitrag
zu den Koſten der iſr aelitis < en Oberkirchenbehörde. Bei die-
ſem Anlaß äußerte Veiel: Handelt es ſich in diesem Saale von
den Angelegenheiten einer chriſtlichen Confeſſion, so sind Vertreter
derselben genug da, um deren Intereſſen in reichlichen Maße zu
wahren. Heute iſt die Rede von einer anderen Religion, von einer
andern, als der chriſtlichen Kirche; einer Kirche, welche ihre Vertre-
ter hier nicht hat und nach dem Inhalte unserer Verfaſſang bis
jetzt leider auch nicht haben kann. Ich sage leider; denn ich kann
bei dieſer Veranlaſſung nicht umhin, mein großes Bedauern daräber
auszudrücken, daß die Juden immer noch nicht emancipirt
sind. Die Menschen, welche ſich zur jüdischen Religion bekennen,
ſind ebenſo gute Bürger des Staates, wie wir. Stctlechte gibt es
natürlich, wie in jedem Stande, so auch unter den Bekennern einer
ſeren Religion. Oder sollten die ſc§lechten Leute unter den Juden
verhältnißmäßig zahlreicher sein als unter den Chriſten? Gewiß
nicht! Den beſten Beweis hiefür liefern die Strafanstalten : denn
verhältnißmäßig befindet sich in denselben faſt immer eine größere An-
zahl von chriſtlichen als von jüdischen Sträflingene. Muß man nun
anerkennen, daß die Juden gleich gute Genoſsen des Staates find,
wie die Chriſtenz warum emancipirt man ſie nicht? Wir nehmen
gar keinen Anstand, sie an allen Staatslaſt en Theil nehmen
zu laſſen. Wir nehmen ihr Geld, wir nehmen ihre Steuern, wir
nehmen ihre Söhne zur Vertheidigung des Vaterlandes. Bezüglich
der Lasten stellen wir die Juden ganz uns gleich; aber wir verküm-
mern ihnen eine Menge von Rechten, wir ſchließen ſie aus vom
Staats- und Gemeindedienſte,. wir- entziehen ihnen die für vie Juden

gleichwichtigen Gemeinde- und ſtaatsbürgerlichen Wahlrechte, wir le-

gen ihnen eine ziemliche Anzahl von Beschränkungen auf , deren Auf-
zählung jetzt nicht am Plate wäre. Und warum thun wir all’ Das ?
Blos aus. dem Grunde, weil sich die Juden zu einer andern Religion,
als zu der chriſilichen, bekennen, weil sie, zwar zu demselben Gotte,
wie wir, aber unmittelbar und ohne Vertwittlung ihr Gebet richten.
Wohl weiß ich, daß man auch nech andere Gründe anzuführen sucht,
aber sie ſind nicht ſtichhaltig. In der Neligion der Juden allein
liegt der Grundz denn gebt er zur chriſtlichen über, so wird er all-
ſogleich aller Rechte theilh aftig, mag er auch sonst sein, wie er will.
Ferner spricht man von der Nothwendigkeit von Uebergangsperioden,
um eine so lang unterdrückte Nation reif zur Emancipation zu machen,
von einer Erziehung durch Druck. Was kann aber bei einer ſolchen
Erziehung herauskommen ? Sie verderbt, anstatt daß sie beſſert, sie
erzeugt Crbitterung, Haß und Sucht nach Rache an den Unterdrückern.
_ Emanucipire man die Juden vollständig; gewiß: der
Staat wird keine Gefahr laufen, wohl aber wird er
veſſere Bürger gewinnen.

î_ Und von Wem, meine Herren, wird der Judendruck geübt?
Von uns, die wir Chriſten sinv, die sich zu einer Religion bekennen,
heren Stifter gelehrt hat: wir Alle seien Kinder eines Vaters, wir
Alle seien Brüder, wir Alle sollen unsere Mitmenschen lieben, wie
uns selbſt. Ich halte es für eine Schmach des Jahrhunderts, daß
in so manchen Ländern die Juden noch nicht emancipirt sind. In
ſpätern Zeiten, in künftigen Jahrhunderten wird man von dem uns-
rigen als dem barbarischen sprechen, in welchem Sklaverei und Ju-
dendruck geherrſcht haben; denn der Unterschied zwischen Beidem iſt
nicht so sehr groß. Diese meine Ansicht spreche ich öffentlich aus,
vamit man weiß, es gebe noch Männer, die darüber erröthen, daß

die Juden im Jahre 1845 nach chriſtlicher Zeitrechnung noch nicht

emanceipirt ſn.. y
î Itch gehe sofort (ber zur Etatspoſition und in Beziehung auf
hieſe erlaube ich mir, den Antrag zu ſtellen: es möge gegen die

Staatsregierung die Bereitwilligkeit ausgesprochen werden, zu den
Koften der israelitiſchen Oberkirchenbehörde noch eine weitere Summe

; Ei 1830 fl. zu bewilligen, wcnn es der Regierung genehm fein
Iite, eine Nachexigenz hierauf in die Kammer zu bringen.

| Müller. Ich erkläre mich mit dem Abg. von Marbach voll-
kommen einverſtanden; denn wir haben manches Unrecht gut zu ma-

then, das wir qen Juden angethan.

G. Mai

Prielmaier. Es iſt gewiß nicht in Abrede zu ziehen, daß

von den Israeliten die Mittel zur Erreichung ihrer öffentlichen Zwecke
faſt einzig und allein aus ihrem Privatvermögen aufgebracht werden

müßen; daß es manche armen Judengemeinden und blutarme Juden-
familien gibt, und daß die Jſraeliten, insofern sie ſteuerbare Objecte
besitzen, auch mittelbar zu den Cultkoſten chriſtlicher Confeſſionen bei-

tragen, dabei aber mancher Rechte der Staatsbürger chriſtlicher Con-

feſſionen, und namentlich des ſchönſten, hier in dieſer hohen Kammer

durch ihre Glaubensbekenner vertreten werden zu können, darben

müſſen. Ich unterſtüze daher den Antrag des Abg. von Marbach
auf Erhöhung der Erxigenz.

Holzinger spricht fich dahin aus, daß man den Israeliten nur
Pflichten aufgelegt habe, aber keine Rechte gewähre, und unterſtütt
den Antrag des Abg. von Marbach, der ohne Widerspruch
durch Acclamation angenommen wird. (Beobachter.)

Berlin, 30. April. (Fr. I.) Die Preßpyroceſſe nehmen in
jüngster Zeit außerordentlich zu. Noch iſt die Unterſuchung gegen
E. Bauer, Prutz und Jacobi nicht geſchloſſen, als man auch
schon von neuer Incrimination Flor encourt's und Mügge's
vernimmt. . s

~ Die r-Allgemeine Preußische Zeitung“ sucht dem übela Ein-

druck, den die Verhaftungen und Untersuchungen in Schleſien hervor

bringen, durch Folgendes zu begegnen: „Die bisherigen Verhand-
lungen der Commission, welche vom königl. Kammergerichte nach dem
Hirſchberger Th al abgeordnet war, haben es beſtätigt, daß in
jener Gegend eine Verbindung entſtanden war, deren Mitglieder da-
rauf ausgingen, durch offene Empörung und Mord, durch eine all-
gemeine Umwälzung der gesellſchaftlichen und bürgerlichen Verhält-
niſſe einen Zuſtand herbeizuführen, in welchem die beſtehenden Unter-
ſchicde in Bermögen und bürgerlichen Rechten so viel als möglich
verſchwänden. Ein in mehreren Eremplaren vorgefundenes Docu-
ment bildete die Grundlage der Verbindung und das Mittel der Ber-
führung zu derselben. Von den der Theilnahme an dem verbrecheri-
schen Unternehmen Verdächtigen sind bis jetzt neun Personen, die mit
sehr wenigen Ausnahmen der niedrigsten Volksklaſſe zugehören, in
gerichtlicher Haft, sechs davon sind ihrer nähern oder entferntern
Theilnahme an dem Verbrechen geständig. Die Ermittelung der nä-
héren Umſtände, sowie die Feſtſtelung der Schuld der noch läugnen-
tt. Angeklagten muß der weiteren gerichtlichen Unterſuchung überlaſ-
ſen bleiben.“ '

Von der Oder , 27. April. (D. Alg. Ztg.) Es ſind seit
Kurzem zwei Conflicte zwischen Offizieren und Civiliſten im Oſten
und Weſten der preußiſchen Monarchie vorgekommen, welche ein blu-
tiges Cnde nahmen, und schon glaubt man, das Geſpenſt des Mi-
litärdespotismus und des militäriſchen Kaſtengeiſtes habe das Grab,
in welches es seit dem Jabre 1806 binabgestiegen. verlaſſen und
wolle den alten Rumor von Neuem beginnen. Wenn es an ſich vor-
eilig iſt, von so wenigen vereinzelten Fällen sogleich auf das Dasein
des benannten Kaſtengeiſtes unter dem Offiziercorps der preußiſchen
Armee zu schließen, so widerlegen die gegenwärtigen Verhältnisse in
dieser Armee von ſelbſt jede solche Besorgniß. Das aktive preußiſche
Offiziercorps, welches vor 1806 über die ganze Monarchie, weil
überall, ſelbſt in kleinen Städten garnisonirend, verbreitet war, folg-
lich überall seine Prärogative geltend machen konnte, findet sich jett
nur in wenigen Garnisonen und hat seine alte Präponderanz verloren.
Der größte Theil der Offiziere, bei der Landwehr erſten und zweiten
Aufgebots angestellt, wohnt außer der kurzen Uebungszeit am bür-
gerlichen Herde und iſt selsſt Civiliſ. Ein humaner, patriotiſcher
Kriegsminister arbeitet mit der größten Sorgfalt daran, Militär- und
Civikſtand einander zu nähery und Blücher's Wort immer mehr zur
Wahrheit zu machen; „Man weiß bei uns nicht mehr, wo der Mi-
litärsſand beginnt uns der Civilſtand aufhört.» In der That findet
ſich jener Uebermuth, der vor 1806 dem preußischen Militär nachge-
ſagt wurde, heute nicht mehr bei demselben. Es mag einzelne Aus-
nahmen geben, und diese bilden nirgends die Regel. Nimmer wird
es zu vermeiden sein, daß, wie in allen Ständen, so auch in diesen,
einzelne Ausbrüche des Uebermuths, der Roheit, vorkommen.

.. Von der Eider, 27. April. (Weſser-Ztg.) Es ſcheint faſt,

als ſollen auch bei uns die politischen Prozess e eraſtlich an die Ta-


 
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