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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 207 - No. 237 (1. August - 31. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0933

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Freitag

Mannheimer Abendzeitung

15. August

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rate, worüber die Redak-
tion Auskunft zu ertheilen
) + hat, die Zeile oder deren
Raum 4 kr. + Briefe
und Geh erbittet man
ranco.





1845. [







[> Ueber gewiſſe Kunſtgriffe in der Politik.
Landstände.

Jedermann weiß, daß die Landstände nur dann ihre Aufgabe
wahrhaft löſen, nur dann Vertreter des Volks sein können, wenn
fie der leibhaftige Repräsentant des Volkes, alſo aus freier Volks-
wabl hervorgegangen sind. Jedermann weiß aber auch, rtaß dieß
sehr häufiy nicht der Fall ift, daß durch allerlei Künste und Umtriebe,
entweder lauter oder zum größten Theil solche Volksvertreter gewählt
werden, die eigentlich keine Bolksverireter, fondern gefällige Steuerbewilli-
ger und ewige Jasager sind. Trotz dem aber werden für das Dasein und die
Gültigkeit dieser Landstände und ihrer Beschlüsse dieselben Gründe an-
geführt, wie für die wahre urd ächte Volks-Repräsentation. ~ Die
Form muß hier die Stelle des Wesens vertreten, die leere, hohle Form
ohne Inbalt, der sie einschließen soll.

Es iſt hier der Ort ein Wort über die Wagßl der Staatsdiener
in die Kammer zu reden. Die Staatsdiener sind Staatsbürger und
als solche baben sie aktive und paſſive Wahlr:chte. ~ An ſich also, der
Idee gemäß und nach formellem Rechte iſt nichts Erhebliches gegen
die Wahl der Staatedien r in die Ständekammer vuvorzubringen, man
müßte denn den Grundsay auſfſtellen, daß ein Staatsbürger seine
ſtaatsbürgerlichen Rechte verliert, sovald er ein öffentliches Amt an-
nimmt, man müßte also die Staatediener den Verbrechern gleichſtellen.

Von diesem Standpunkt aus wäre also wohl nichts zu machen,
deſto mehr aber von einem andern. – Man darf nämlich nur die
Täuſchung vermeiden, von welcher wir ſo eben geſprochen, die Täu-
ſchung, welche..rie Dinge, ute ſie ſind verwechselt mit den Dingen,
wie ſie sein sollen, welche die Idee mit ihrer Erscheinung verwechfelt
und da spricht: weil die Jvee an und für ſich vernünftig iſt, deßhalb
muß auch tie Art und Weise ihrer Verwirflichung die wahre und
richtige sein: weil es nothwendig ist, daß öffentliche Beamte eriſtiren,
deßhalb muß es auch nothwendig und vernünftig sein, wie ſie exiſti-

ren. – Wenn die Staatedientr volkéthümlich sind, und unabhängig
geſiett, à la bonne henre, rann kann kein vernünftiger Mensch

etwas .gegen thre Wahl in tie Kammer einrenden. — Sind die
Staatsdiener dieß aber nicht, sind teine feſte und gesetzliche Garan-
tien für ihre unabhängige Stellung vorhanden, sind sie von der Re-
gierung abhängig, dem Mißfallen der Regierung erreichbar. dann,
ja dann iſt es Thorheit von den Wählern, dié sie in die Kammer
fenden.

Hier möchte auch der Ort sein über eine Täuschung zu sprechen,
die man schon vor längerer Zeit zu verbreiten vers.zichte und in neu-
ſter Zeit wieder an rinem gewissen Orte aufgefrischt hat.

i Bekanntlich sind gewisse Politiker nur dann deutsch und natio-
nal, wenn es gilt, irgend eine deutſch:hiſtoriſche Unvernunft zu con-
serviren. So hat der selige Herr von Gent sich ungehruer abge-
müht, um zu beweiſen, daß die landſtändischen Verfaſſungen, im Ge-
gensatz zu den rein repräsentativen, allein die richtigen und für Deutsch-
land paſſenden seien, weil sie im alien deutschen Reiche schon beſtan-
den. Das heißt nun mit andern Worten nichts Anderes, als, weil
in früheren Zeiten in Deutschland das Volk nicht als solches, sor-
dern nur einzelne Stände vertreten gewesen seien, deßhalb dürfe auch
in neuerer Zeit der Nationalität halber Volksvertretung nur in solcher
ftändischer Vertretung bestehen. Volksvertretung im wahren Sinne,
Repräsentation der Nation, ohne Unterſchicd der Stände, sci ein frem-
des Inftitut, sei engliſche und französtſche Cinrichtung, woclcher sich
das nationale Bewußtsein der deutschen Nation doch wahrhaftig ent-
halten jollte. Diese Täuschung, von Hrn. v. Gentz gepredigt, wurde
in neueſter Zeit in Beziehung auf die heſſiſche Berfaſſung ausgeſpro-
<en. Nan iſt aber, abgeschen von dem Wertlaute der heſſiſchen Ber-
fassung, welcher Bolksrepräsentation und keine Ständerepräsentation
bezeichnen will, doch kein Grund vorhanden, daß Institate, die zu
einer Zeit, wo in Deutschland noch streng geschiedene Stände es gab,
auch in unsern Tagen noch beibehalten werden, ungeachtet der Zeit-
géiſt ſie geächtet. Es iſt ferner ganz unrichtig, zu sagen, wabre
Volksrepräsentation sei ausländisches, englisches, franzöſiſches Insti-
“ tut. Unrichtiz iſt es, denn Volksrepräsentation haben die Engländer

und Franzosen nicht als nationale Einrichtungz nicht weil sie Eng-
länder und Franzosen sind, sondern weil eine innere Nothwendigkeit
ihr zu Grunde liegt, weil sie vernünftig ift, weil es in der Idee
des Staates liegt, daß das Velk gegenüber dem Organe seines Wil-
lens ein anderes Organ habe, von welchem jenes controllirt und
auf der natürlichen und vernünftigen Stellung erhalten werde un
weil jenen Völkern die Möglichkeit gegeben war, dieſe vernunftge-
mäße Einrichtung in's Leben treten zu laſſen. Alle einzelnen Staats-
bürger bilden aber das Volk und nicht gewiſſe Stände, deßhalb müſ-
ſen auch alle Staatsbürger das Recht haben, in jenem controlliren-
den Organe vertreten zu sein. Es möchte wohl sehr unwahrscheinlich
sein, daß von den Deutschen etwas absonderlich Deutsches zu Stande
gebracht werde, wenn sie den Forderungen der Vernunft, des Rechts
und der Zeit nicht Hohn sprechen wollen. So wenig es eine eng-
liſche , franzöſiſche, deutsche Tugend, Gerechtigkeit oder Vernurft ge-
ben kann, die in ihren Principien verſchieden wäre, eben so wenig
kann is eine principicll von einautrer verschiedene engliſche, franzö-
sische oder deutſche Volksrepräsentation geben. Hier handelt es sich

einfach darum , was iſt vernünftig, was iſt nothwendig? Nach den

Forderungen der Vernunft, welche ein und dieselbe in England, Frank-
reich und Deutschland iſt, wird daher in England, Frankreich und
Deutschland eine Volksrevräsentation eingerichtet werden müssen;,
denn es gibt gewiſſe Wahrheiten, die über dem natioralen Unter-
ſchicde steven, die allgemein menschlich sind. ; : t



Deutſchland. u gret ry:

* Mannheim, 14. Auguſſ. Regierung und Großrath der
Siadt Baſel haben den 300 Baseler Artilleristen und andern Bürgern,
welche zur Befreiung des Redaktieur's der Schweizer Nat. Ztg. das
Gefängniß gewaltsam erſtürrten, volle Amnestie ertheilt; die „frem-
den Theilnehmer" werden polizeilich fortgewiesen. Der vom Groß-
rath nach fruchtloſem schroffem Unkämpfen. des Präſidenten Dr. Burk-
hardi und tt Dr. Schnell genehmigte Antrag des kleinen Raths
lautet wörtlich:

„Es spricht der Große Rath seine ernſse Mißbilligung und sein Ö

tie fe s Bedauern aus sorcohl und hauptſächlics über das ſtattgehabte,
ungeſetzliche und gewaltthätige Benehmen eines großen Theils des
Artillerie Korps , als auch über die von einzelnen Bürgern und Ein-
wohnern dabei geleistete, tvätliche, unverantwortliche Beihülfe, erklärt
jedoch diese Sache, unter Erlaß einer voilſtändigen A m-
neſtie, für crledigt, ſo d aß weder gegen die Betheiligten
eine ſtrafrichterliche Untersuchung eingeleitet, noch a u ch
der ſtattgehabten Ueberweisung des Redaktors der
National-Zeitung an die Gerichte eine Folge gegeben
werden soll.“

„Dieſcer Beschluß soil durch eine die ernſte Mißbilligung des Ge- -
schehenen enthaltende und auf die Scywrre der verlegten Strafgesetze
hinweisende Proklamation bekannt gemacht werden... '

Hättc Stadt-Baſcl bei der Tagsatzung in gleichem Geiſte, wie
hier zur Beruhigung des eigenen Heerdes, f ür Amnestie in Luzern
und g e g en das yartnäckige feindſelige Beharren der Luzerner Regie-
rung auf der einem so großen Theil der Bürger verhaßten Einführung
der Jesuiten ernst gesprochen und gehandelt: — mindestens der zweite
Freiſchaarenzug wäre unterblieben und der Tazsazungsgesandte von
Basel, Hr. Dr. Frei, hätte wohl jetzt in der Großrathssitzung nicht
ſprechen müssen:

„Ich sage nicht zu viel. wenn ich heute zugeſehe, daß unser
ſchweizeriſches Vaterland auf einem Valkane ruht, daß nicht viel fehlt,
„um bin und wieder neue Anarchie hervorzurufen".

Vom Rhein, 5. Aug. (D. A. Z.) Wie in Frankreich,
besonders aber am Oberrhein, so rührt ſich auch am Niederrhein,
in Preußen und Belgien, diejenige Partei unter dem nieder kath o-
lis hen Klerus, welche eine größere Unabhängigkeit von den
Biſchöffen und eine consultative Stimme bei Regelung kirchlicher An-
gelegenheiten durch das Organ der Synoden erſtrebt. Die neuesten
diesfallſigen Vorgänge beweisen dies unläugbar.

Aus dem Regierungsbezirk Aachen, 10. Aug. CAachn. Z.)
Die Elementarleh rer des preuß. Staates dürfen sich der Hoff-


 
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