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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 176 - No. 206 (1. Juli - 31. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0829

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„ Allerdings sind sie nicht ganz gleich.

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. teltähr. Borausbezahlung ggg, -
ta Maunheim 1 fl. 15 kr, Ft . , . „. t.
burch die Poft bezogen im Js sst H. .
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Montag

21. Jtili

1845







î# lleber Ultramontanismus und FJeſuvitismus.

Die Lebensäußerungen der römiſchen Kirche in neuerer Zeit, der
den modernen Staatsverfaſlungen und den abweichenden Glaubens-
meinungen gegenüber, werden gewöhnlich in Ultramontaniemus und
Jeſuitiomus zusammengefaßt. Es ſind dies zwei Nothrufe gewor-
den, welche unzählig wiederklangen, ohne daß man ſich eigertlich dar-
über klar ausgesprochen, was man unter den zwei verſchiedenen
Brzeichnungen begreift und warum man dicse Unterſchiede macht.
Wir müssen hier von ultra-
montanen, dort von jcsuitiſchem Bestreben sprechen, obgleich beide
„zu sehr mit einander verwechſclt und gegenseitig übertragen werden.
Dies iſt indeß bei dem vielfachcn Jneinandergreifen derſclben sehr
verzeihlich. Was man mit tem Ramen Ultramontanismus zu be-
zeichnen pflegt, iſt eine Erscheinung, welche älter als der Jeſuiten-
Orden und tie Reformation. Es iſt eiufach das Bestreben der
Kirche, eine feſt zuſammenhängende Macht zu bilden, welche in Rom
ihren Mittelpunkt hat und von dort aus die gemeinschaftlich behaup-
„tete Herrichaſt auf die einzelnen Mitglieter zuuückträgt. Von den
Entſcheitungen über Glaubensfälle erſtreckte sie ſich auf die Wiſſen-
ſchaft und geistige Regsamkcit, weil die meiſte Lehre in den Händen
der Geliſtlichkeit war, und ging von da durch den Cinfluß, den Zu-
Ö geſtändniſſe oder Schwächen von Fürsten , hohe Aemter einzelner
geistlichen Personen, wie nicht minder die bedeutenden Besitzungen
„der Orten u. ſ. w. verliehen, auf weltliche Angelegenheiten über.
. Broeutender wird dicser Einfluß erſt durch die Verſügung Nikolaus
des Zwelten, welcher den päpſtlichcn Stuhl der weltlichen Einwirkung
entzog und der Wahl der Kardinäle übergab. Doch erſt Gregor

der Siebente ſtelle den kettenden Halt in dem errichteten Gebäuds. -

her, intem er das Cölibat der Geistlichkeit einführte und die Ver-
gebung geistlicher Aemter nach Gunſt oder Gild verbot. Mit der
Ehe verschwand das Band, weiches die Geiſtlichkeit an die Welt
feſſelte, sie blieb von nun an allein, auf die Kirche angewiesen, der
ihr B streben und Cifer sich witmetez denn ein Ziel der Thätigkeit
muß der Mensch haben, je beſchränkter daſſelve iſt, desto aus-
ſchließlicher gibt er ſich ihm. . hin. Die römiſche Krche
erhielt dadurch jene gewaltige Stärke, von der politiſche Erei. niſſe
wie bie Reformationsversuche zeugen. Letzteren setzte sich der Klerus
um ſo eifriger entgegen, als in ihnen versucht wurde, die Geiſtlich-
keit aus dêr einzigen Höhe zu stürzen, womit tie verwundbare Stelle
her Irtiſchkeit angegriffen war. Lutber's Reformation wurde in der
That gefährlich, während tie gallikanische Kirche durch die Errin-
gung von besonderen Privilegien in a: derer Weise einen Schritt zur
JZerſtückelung der Einheit that. Der Klerus trug in ſich ſelbſt die
Kraſt nicht, seinem Sinken entgegen zu arbeit.n, die ſtrenge Macht
hatte sich selbſt gebrochen. Wie aber eine Kraft die andere übt, so
auch hier. Der Jesuitenorden war eine nothwentige Erscheinung.
Auf der einen Seite das Beſtreben, das enge Band der alleinigen
Kirche zu lockern und zu zerreißen ; auf der andern, daſſelbe wieder
herzustellen. Die Geſellscha t Jesu iſt ein Erzeugniß der in ihrer
Heriſchaſt angegriffenen Kirche. Haupſſächliche Auffaſſung dieser
Richtung hat ſie jelbſt so. gebietend gemacht.
“„ „ Wayrend der Klerus und die ürrigen Orden eine höchſte weltliche
Unabhängigkeit unter Roms Vern ittlung erſtrebten, iſt das Ende des
_ Jeſuiten-Ordens, ihren E.nfluß nur zur Herrschaft Roms zu verwen-
„den. ; Weniger durch Ordenepflichten beſchränkt, konnten die Jesuiten
inen unbehinderten Cirfluß rurch Lehre in Schulen, Predizt und
Beichte ausüten. Ihre Wrkung in dieſcm Felde iſt außerordenilich
gewesen: aber dieſelve Kraft, welche sie ſo ſchnell hob, trug den Keim
zurn Verfalle in sich. Zweck, Lehre, Wiſſenſchaft, Ales war 1540
clfür alle Zeit unwandelbar feftgeſtelt. Mit dem Fortschreiten der
Kenntnisse und des Griſtes genügte nicht mehr, was sie gaben und
das ſtrenge Feſthalten ihrer unveränderlichen Norm trug sehr viel da-
U hei, daß die Geister die enggezogene, zu vicl ausschließende Lebre mit
“ einseitiger Richtung überſchritten und das Leben, welches aus den
Sthalen verbannt war, ſich später in größter Kraft jelteh? machte.
Nicht allein Proteſtanten, ſondern heftiger noch erhoben sich gegen
den Orden hoch geſtclite, ihrer Wiſſenſczaft wegen berühmte katholi-
he Geiſtliche, Lehrer und ganze Orden, namentlich der Dominikaner.

Der Jansenismus iſt eine charakteriſtische Erscheinung in der Gesellſchaftz
«r bezeichnet mit seiner entſchlichen ~ obwohl endlich durch Wahk

des Papſtes verdammten ~ Probabilitätelehre das innerſte W;sen
des lehrenten Ordens. Aus dem Streite dicser Spaltung ſch!ug ge-
nug in die Laienwelt, um dieselbe zu genauer Erwägung zu führen:
in Verbindung mit politischen Cinflüſſen bereitete Anerkennung frem-
der Meinungen den Fall des Odrens war. Die Anschuldigungen,
welche seinen Sturz bezeichnen, ſind größtentheils nur als Bemänte-
lungen eines Strebens anzusehen, welches in kcäftigerer Weiſe Deutſch-
land und die nordiſchen Staaten auszusprechen wagten; es war das
Streben der Freiheit, welches auf politischem Felde ſich durch die
Revolution einen Weg baynte.

Der Klerus hatte sich, weil er in den Jesuiten einen rüſtigen
Vorkämpfer fand , denselben mehr oder minder angeschloſſen, und
zwar nothwendiger Weiſe, denn durch den mit dem Orden unmit-
telbar verbundenen Papſte herrſchten ſie in Rom und verfehlten
gleichfalls nicht, dem Klerus in Behauptung werlilichen Cinfluſſes,
wenn ſchon mittelbarer und in feinerer W.ise, es zuvor zu thun.
Darum verlor mit den Jesuiten der Papſt und der Klerus seine
Macht. Während der Revolution verfuhr man nicht sehr glimpflich
mit beiden, und nach derſelben wurde ihre Stellung eine sehr be-
schränkte und ihr Verhältniß untereinander sehr locker. Bride Theile
erkannten, daß um lich gegenseitig wieder zu heben, es der engſten
Wiedervereinigung bedürfe; Rom erkannte, daß etwas Erhebliches
gethan werden, müsse, um den Verband herzuſtellen, da die Grund-
züge der modernen Staatsverfaſſungen der alten Form durchaus wi-
derſtrebten. Mehr als in Deutſchland, wo der unter staatliche Ob-
hut geſtellte Klerus eine noch immer genug freie Stellung behalten
hatte, wogegen er ein anderes, größeres Hinderztiß in den prote-
ſtantiſchen Geiſte des Volkes fand, befand sich die Geiſtlichkeit Frank-
reichs in schr untergeordneter Lage. Die Kirchen waren Staatsei-
genthum , die Geistlichen gering besoldet, hatten kein Recht der Er-
werbung, der Verkehr unter sich und mit Rom war ſehr erſchwert
und bei der gegebenen Gewissſensfreiheit konnten sie wenig wirken. Ihre
erſten Versuche, sich aus dieser Unterordnung zu erheben, ſcheiterten
an ihrcr Machilosigkeit. Doch eben diese fehlſchlagenden Versuche

und das Gefühl ihrer Abhängigkeit wieſen sie zurück auf Rom ua

in Folge deſſen verband sich das ultramontane Streben abermals
mit kem 1814 zu solchem Zwecke allgemein wieder hergestellten Je-
suiten.Orden. ;

; Indcssen nicht alle Biſchöfe neigten sich demselben zu. Sehr
viele erkannten, daß dieser Bundesgenoſse ihnen nur scheinbar helfen
werde, und versagten ihm die nothwendige Freiheit der Lehre und
Predi,t in ihren Kirchſprengeln. Sie hatten wohl begriffen, daß bei
gemeinſchafilicher Sache sie nur den Jesuiten helfen und sich unter de-
ren Botmäßigkeit bringen würden, zumal die gallikanische Kirche
den Jeſuiten cin Anſioß iſt. In andern Staaten hinderte die Regie-
rung an der Ertheilung jener Erlaubniß. Diese Partei verfolgte da-
her ihr Biſstreben nach Nothwendigkeit in dcr Weiſe, daß sie den Eiy-
fluß der Jeſuiten in Lehre und Wirken unter Fernhaliung der Perso-
nen für ſich anwendeten. Der Orden selbſt kam in wenig, und
nur in Nrbenfachen veränderter Form wieder zum Vorschein. Zwar
hatten während der Zeit des thcilweisen Junterdikts die in Rußland
exiſtirenden Mitglieder eine Reform versucht; allcin das scheiterte an
dem Buchſtaben der Verfaſſung, deren Anhängern und dem Papfte.
Die Bedingung der Waldlbeſtätigung des jetzigen Generals war, daß
er nicht zu den Neverungssüchtigen gehört habe. Wie das Wesen des
Ordens a bſolute Herrschaft iſt, so kann er auch nur bei gänz-
licher Gleichgültigkeit des Staates in religiöſen Angelegenheiten ~
wie in Nord- Amerika — oder bei dem Absolutiemus bestehen. In Sar-
dinien vernichtete sein Einfluß die conſtitutionelle Verfaſſung. Obschon
ſich längſt veiläugnend, half er dem franzöſiſchen Klerus das Recht
des Erwerbs erringen, knüpfte die verſchiedenen Bisthümer eng unter
ſich und mit Nom zusammen und begann gegen die gegebene Gewiſ-
ſenefreiheit durch Lchre in Schulen und Kirchen und durch That
in Begräbnißvcrweizerungen u. dgl. sich zu erheben. Etwas erſtarkt

griff er die Universität an, deren Lehren allerdings nicht die seinizen
waren. Darüber aber hat er sich einen Stein des Anſtoeßes gelegt

und es ſtände jetzt bei den Biſchöfen, nachdem ſie einen gewiſſcn Grad


 
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