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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 268 - No. 298 (1.October - 31. October)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#1179

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1845.





Y Einleitung eines Beitrags zu den Topographien
unſerer Städte.

Ueber Lagen- und Bodenverhältnisse besigen wir von unseren
Städten und Städtchen, ja von unseren Dörfern, gelungene und un-
gelungene Abhandlungen die Menge , und auch die Kulturzuftände ihs
rer Bewohner sind gewöhnlich hierin zum Gegenftande der Betrach-
tung gemacht, aber nur theilweiſe und einseitig. Denn nur von
dem Entwicklungsgrade derjenigen Seite des Geiſtes, die sich die Ver-
pollkommnung des mater iell en Wohls zum unmittelbaren Gegen-
fiande ihrer Thätigkeit setzt, pflegen sie zu berichten; auf welcher Bil-
dungsftufe aber die wichtigere und rein menschliche Seite des Geiſtes
ſtehe, diejenige, welche sich die Verfechtung der Interessen der Ver-
nunft und Sittlichkeit zum Gegenftande ihrer Thätigkeit
nimmt, dies verschweigen sie. Sie erzählen uns wohl von
dem Stande der Wald-, Wiesen- oder der Bodenkul-
tur überhaupt, der Viehzucht, Gewerbebetriebſamkeit, und von den
Anordnungen und Einrichtungen, welche die Erhaltung der Gesund-
heit oder die Wiedererlangung der verlornen bezwecken, wo finden wir
aber eine, die uns von den Gesinnungen Nachricht gäbe, welche in
politischer oder religiöser Beziehung unter den Ortsbürgern herrschen,
von den Ereigniſſen, wodurch ſich dieselben geoffenbart, von den An-
fialten, welche zur Hebung politischer und religiöser oder ſittlicher
Bildung gegründet werden? Freilich an vielen Orten sieht es in
dieſer Bezichung so traurig aus, daß man eben hierüber nur berich-
ten kann, daß nichts zu berichten sei!

Der Nauyen solcher Bei- oder Nachträge zu unseren Topographien
ſpringt klar in die Augen, denn was iſt vortheilhafter in ſitt-

licher Hinsicht als Selbſterkenntniß! Zwar mag die phi-

liſterhafte Ungewohntheit öffentlicher Besprechung und die spießbürger:
gerliche Selbſizusrietenheit über das freche Wagniß, sie in ihrer ſüſ-
ſen Ruhe gestört und an ihren vier baufälligen Pfählen gerüttelt zu
haben, anfangs gewaltig zürnen und erbost sein, doch laßt sie zürnen
und ſeid getroſten Muthes, das ist das erſte und nothwendige Zeichen
der Wirkſamkeit eines Heilmittels in ihrem geiftigen Organismus.
Immerhin beweist es, daß ſich die Seele noch nicht völlig in die
Schlafmütze ihres Inhabers zur Ruhe zurückgezogen habe, und sobald
fie nur zugänglich und erreichbar iſt, ſo ſteht die Sache noch gut.
Denn der geiſtige Kampf oder, was damit gleichbedeutend iſt, der
Prozeß geiſtiger Entwickelung gleicht vollkommen dem
Prozeſſe der geiſtigen Gährung in der Traube. Wenig
Ferment reicht hier hin, große Mengen faden Moftes in köftlichen
Wein zu verwandeln, dort aber erwecket eine Idee, die schlummernde

S eele zum Leben, und aus den besondern Strömen der Jahrhunderte

entwickelt sich, hervorgerufen durch die eine Idee aus der kläglichen
Thiermenſchheit die heilige G ottmenschh eit. Denn was iſt
es Anderes, was die europäiſchen Völker vor der politiſchen und re-
ligiöſen Versumpfung bewahrte, in welcher die Negerrage, die Chi-
neſen und Türken dahin vegetiren, als die eine Idee, die Gleichheit
der menschlichen Rechte und die vor Gott? Dieser Ge-
danke durchbebte den Westen seit mehr denn zwei Jahrtausenden, und
Wriechen, Juden und Germanen waren ſseine vorzüglichſten Träger,
wenn auch nur dunkel und mehr in Ahnungen von ihm bewegt.
Scheinbar ſtoßweiſe , doch für den GG Forscher in gleich-
mäßigem Jortsſchreiten, traten ſie immer kl

und besonders die Erſcheinung des Gesalbten in Galiläa, die Refor-
mation, die nordamerikaniſche und die franzöſiſche Revolution dürfen
als solche Zeitmomente betrachtet werden, in denen wir jedesmal eine
Stufe höher zum Throne re. P'tſ<ti hinanſtiegen. Soviel als
Beweis der Richtigkeit eines Värgleiches. Ü A

In kurzen Umriss:n will ich nun nächftens in einem Artikel ver-
ſuchen, einen solchen Beitrag zur Topographie der Stadt W. im
Rraichgau zu liefern, inſofern ihm die Spalten Ihres Blattes geöffnet
Werden.

Eine unparteiiſche Beurtheilung werde ich nicht lie-
fern. Cine solche iſt im Unding und derjenige irrt oder lügt, wel-
ther ſich Unparteilichkeit und Urtheile beilegt. Wie mag man behaup-
len, auf unparieiiſchem Boden zu stehen, da die Parteien die Erde

axer vor unser Bewußiſein,

unter sich getheilt haben? Wie kann man wagen, fich ein unparteii-
ſches Urtheil zuzuschreiben, da doch Partei und Urtheil untrennbare
Geschwiſter sind? wie ſich der Unparteiligkeit rühmen, die nur
die Tochter der Einfalt oder die Mutter des Verrathes sein kann.
Ja parteiiſch sei mein Urtheill Ob es das wahre sein wird? —
Wer möchte dies von dem seinigem behaupten! Unumftößlich steht es
fe, daß nicht der Einzelne, ſondern die Menſchheit in ihrer Ge-
ſchichtlichen Entwicklung das abſolut Wahre erzeugt, aus ſich selber,
wie Zeus die lichtäugige Pallas! Unparteiiſ<h aber wahr
will ich die Thatsachen geben, und wenn ich Ansichten und
aus ihnen hervorgehende Handlungen rückſichtslos bekämpfen werde,
ſo werde ich doch nie die Achtung vergeſſen, die Einer der heiligen
Perſönlichkeit des Anderen zu zollen schuldig ift.



Deutſchland.

* Mannheim, 10. Oktober. Das großherzogliche Regierungs-
blatt Nr. 29 enthält jfolgendes provisoriſche Gesetz, das Verbot
d er Kartoffelausfuhr über die Zollvereinsgränze betreffend.
Leopold, c. Al=uf die unterthänigſte Anzeige unseres Miniſte-
riums des Innern, daß die Kartoffelkrantheit in vielen Gegenden
des Großherzogthums mehr oder weniger verbreitet iſt, und deshalb
im Durchschnitte nur eine geringe Ernte an gesunden Kartoffeln zu
erwarten steht; daß ferner bedeutende Aufkäufe von Kartoffeln für
den Handel theils geschehen, theils eingeleitet ſind, finden wir uns
bewogen, Nachstehendes provisoriſch zu beſtimmen: g. 1. Die Aus-

„ fuhr der Kartoffeln über die Zollvereinsgränze iſt verboten. g. 2.

Der Aufkauf der Kartoffeln in einem, den. Hausbedarf des Erwer-
bers offenbar überſchreitenden Maße, + ſei es zum Handel im Groß-
herzogthum oder nach Aussen, oder zur Branntweinbrennerei = iſt
untersagt. Lieferungsverträge, welche das bezeichnete Maß überſtei-
gen, dürfen nicht vollzogen werden; geschieht die Ablieferung an den
Käufer dennoch, so iſt derselbe anzuhalten, den jenes Maß überſtei-
genden Vorrath an Ort und Stelle wieder zum Verkaufe zu brin-
gen. §. 3. Die Uebertretung des Ausfuhrverbots im §. 1 wird
nach dem Zollstrafgeſeß geahndet, die Uebertretung des Verbots im
§. 2 mit einer Polizciſtrafe, die nach dem Umfange des unbefugten
Einkaufs bis auf 150 fl. ansteigen kann. $§. 4. Gegenwärtiges
proviſoriſche Gesetz ¡tritt sogleich in Wirksamkeit. Unsere Mini-
ſterien des Innern und der Finanzen sind mit dem Vollzug desselben
beauftragt. Gegeben zu Karlsruhe, in unserem Staatsminiſterium,
den 8. Oktober 1845. Leopold. Nebenius. Regenauer. Auf
Befehl des Großherzogs: Büchler.

Lahr, 8. Oktober. (Oberrh. Z.) Aus ſicherer Quelle erfah-
ren wir, daß Hr. v. Soiron die Deputirtenſtelle für hieſige Stadt
angenommen hat, und uns wahrscheinlich nächſten Samſtag oder
Sonntag besuchen wird, um an Ort und Stelle die Gejinnun-
gen und Wünſche seiner Wähler zu vernehmen.

„*. Nus dem badischen Odenwalde, 3. Okt. Es sucht
bei uns jetzt ungestört eine Sucht einzukehren, die sonft zum Glücke

nur in Sammclorten höherer Stände und in deren Umgebungen bein

miſch war: ich meine hiermit die öffentliche Hazardſpielſucht; denn
in neuerer Zeit fieht man in unserm Bezirke und der Umgegend bei-
nahe immer bei öffentlichen Feftlichkeiten, wo man bei den Einwoh-
nern Geld vermuthet, als: Jahrmärkten, Kirchweihen u. dgl., Bu-
den aufgeschlagen, in denen wacker in verſchiedenen Arten von Lotte-
rien und Würfel'pielen aufgeforderi und den Aufforderungen nachge-
kommen wird. Wer den Kürzern zieht, läßt sich leicht denken ~ die
Spielbesitzer wahrlich nichtz ihre Einrichtungen sind zu klug dafür
berechnet. – Das wird mir wohl Jeder auch ohne Beweis glauben.
Doch werden sie geduldet !! , ! ;

Geht ein armer Tropf, um für seine äußerste Noth sich irgend-
wo oder wie ein Almosen zu erbitten, flugs hat ihn der Polizeimann,
der seiner ansichtig wird, beim Kragen und führt ihn mit dem Rufe:
„Du haſt gebettelt-, wie im Triumphe den Ort hinaus oder dem Ar-
rese zu, der bewaffnete Mann den armen Schlucker. Bei jenem
Spiele über vort h eilt Einer Hunderte, setzt sie in pekuniären Nach-
theil, welches für Manchen, man darf nur ein so spielendes Publi-
kum übersehen, sehr empfindlich ift; überdies sucht derselbe durch sein


 
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