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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 58 - No. 86 (1. März - 31. März)
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1845











Deutschland.

3€ Raſtatt, 11. März. Adolf Sander iſt zur Erde
b eſtattet. Vermöchte Einer von den Vielen, welche von dem
Trauergeleite heimkehren, die Gefühle seiner Bruſt, die Gefühle Al-
ler zu sch ldern, er würde neben der Wehmuth, neben der Trauer
um den Verluſt, die am frischen Grabe von Jedem sich selbst gelobte
Standhaftigkeit und Kräftigung zum ausdauernden Streben nach
Wahrheit, Recht und Freiheit nicht übergehen dürfen. Von mir
aber erwarten Sie keine Schilderung der Eindrücke und Gefühle;
ich vermag dem Leser nur eine kurze Beschreibung der Aeußerlichkei-
ten zu bieten.

uss den 9. März, Nachmittags gegen zwei Uhr, war S an-
der in den Armen seines Bruders , Levrers an dem Pädagogium zu
Durlach, in sciner Wohnung hier zu Rastatt verſchieden. Richt die
Reise von Karlsruhe nach Raſtatt, nicht eine Vernachlässigung ſrci-
nes, wie man glaubte, genesenden Zuſtandes, hatte den Tod herbei-
geführt *); vielmehr ergab die Section eine nicht geahnte, bis zum
äußerſten Grade vorgerückte Zerſtörung der Lunge, ein Uebel, gegen
welches die Kunst, selbſt wenn sie es erkannt hätte, kein rettendes
Mittel besitzt. – Noch an dem nämlichen Tage erging von den hie-
sigen Freunden des Geschiedenen die Mitthcilurg der Trauerkunde,
als Aufforderung zugleich an die nicht zu fern Wohnenden, der auf

heute Dienstag, Nachmittags drei Uhr, anberaumten Becrdigung beizu-

wohnen. Und ſie erschienen zahlreich; zahlreicher sogar, als man er-
wartet hatte. Nicht nur Collegen, persönliche Freunde und Bckanrte,
— auch Schaaren von Bürgern eilten aus der Nähe und Ferne,
nicht anſchlagend die Weite des Weges und die Unbill des rauhen
Wetters, herbei. ihm durch ihre zahlreiche Anwcsenheit die allgemeine
Theilnahme würdig und achtungsvoll zu bekunden.

Märe der Leſer mit mir in dem Sterbehauſe in der lezten Vor-
mittagſtunde Zeuge gewesen, wie die Abgeordneten, deren Namen wir
später anführen werden, den todten Freund umftanden, in dessen
bleichen, nicht entſtellen Zügen unter der lorbeerumfkränzten hohen
Stirne ein Traum ruhiger Verklärung den letzten Gedanken des
Sterbenden feſtzuhalten schien; hätte der Leser auf die Männer blik-
fen können, die ſprachlos, Thränen im Auge, im Jnnerſten ergrif-
fen, das letzte Lebewohl dem Freunde brachten, wahrlich, er hätte
ein Bild mitgenommen, das in seiner Secle nie verlöſchen könnte;
ein Bild, zu dessen Vollendung noch die im Hintergrunde ſtehenden

drei Kinder gehören, welche ahnungslos , nur befremdet staunen über |

das Unbegreifliche, was mit dem Vater und um ihn vorgeht.
Um halb drei Uhr versammelten sich die Bürger von Raſtatt
und die auswärtigen in dem großeu Saale des Gaſthofes zum gol-

denen Kreuz und nach einer erhebenden Anrede des Dankes, welchen

der Abgrordnete v. I tzſtein im Namen der anwesenden Mitglieder
der Kammer den Versammelten abſtattete, begaben sich Alle nach der
Wohnung des Verstorbenen. Um drei Uzr setzte sich von dort aus
der Zug nach dem Friedhofe in Bewegung. Bürger von Raſtatt,
denen nicht gestattet worden war, als Militärcorps die Leiche zu
begleiten, hatten die Dienſtleiſtungen übernommen, welche sonst von
bezahlten Leuten versehen werden. Dem vorgetragenen Kreuze folgte
der von vier Pferden gezogene Leichenwagen, hinter diesem die Geiſt-
lichkeit und die Verwandten des Verftorbenen; dann kamen die Ab-
geordneten: Biſſing, Bleidorn, Buhl, Hecker, Hundt, u. Itzsſtein, Lenz,
Mathy, Müller, Richter und Rindeſchwender. Der Abg. Goll hatte
sein Nichterscheinen mit Krankheit ſchriftlich entschuldigt. Hinter
ihnen schritten die auswärtigen Theilnehmer, voran Bürger aus
Sander's Wallbezirke, der Stadt Pforzheim; man sah Bürger aus
Mannheim, Heidelberg, Bruchsal, Durlach, Ettlingen, aus Baden, Gerns-
hach und andern Orten des Murgthales, selbſt von Forbach; aus Offen-
burg, Oberkirch und dem Renchthale, aus Lahr, Achern und Renchen;

qus der Residenz waren nicht nur Bürger in großer Anzahl, es
waren auch viele Zöglinge des polytechnischen Institutes, die in San-

der einen kräftigen Vertheidiger der Industrie und der höheren tech-
niſchen Ausbildung verehrten, als Theilnehmer erschienen und es war



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14. März

ihnen im Zuge eine besondere Stelle vor den Bürgern von Raſtatt,
die in langen Reihen folgten, angewiesen. Sanders frühere Amts-
genoſſen, die Mitglieder des Hofgerichts und die Berufsgenossen sei-
ner letzten Jahre, die Anwälte, hatten ſich ebenfalls angeschlossen
und man gewahrte einige öſterreichiſche und einige badische Offiziere
unter den Begleitern der ſterblichen Hülle des edeln Mannes. Trüb
war der Himmel und der Schnee fiel in dichten Flocken herabz so
lang eine Straße sein mochte, so weit die Steigung derselben den
Ueberblick von der Spitze des Zuges rückwärts gesiattete, ~ nirgends
war derselbe in seiner ganzen Ausdehnung zu übersehen. Nach ge-
ringem Anschlage zählten ſeine Reihen mehr als tausend Männer.
Schweigend stanten sie um das Grab; in weitem Kreise eine
dichtgerrängte Menge. Als der Sarg eingesenkt war, hielt der evan-
geliſche Geifiliche die Leichenrede. Er ſchilderte Sanders wiſſen-

schaftliche Bildung, seine juriſtischen Kenntnisse, seinen ſcharfen Vere

stand, seine Beredtſamkeit, sein parlamentariſches Wirken, dem er ſich
mit Cifer und stets nach eigener freier Ueberzeugung widmete.
Ueber ſeine allzukurze irdische Laufbahn entnehmen wir, unserm Ge-
dächtniſſe folgend, dem Bortrage nachſtehende Angaben. Adolf
Sander, im Jahre 1801 zu Karlsruhe geboren, iſt der Sohn des
Amtmanns Auguſt Sander; die Mutter geborne Logbeck, lebt noch
als achtzigjährige Wittwe in Karlsruhe; ihr Troſt liegt in der Hoff-
nung auf baldige Wiedervereinigung mit drei, im reifen Mannesal-
ter vor ihr hinübergegangenen Söhnen; trei Geschwister beweinen

den Bruder. Nach vollendeten juriſtisſchen Studien und woblbeſtann.

den r Staatsprüfung wurde Sander 1822 als Praktikant, 1827 als
Sekretär bei dem Kriegsminiſteriuum angestellt; später wurde er Aſſeſ-
sor, 1835 Rath bei dem Hofgerichte in Raſtatt. Seit 1834 lebte
er in glücklicher Ehe, tie mit sechs Kindern gesegnet war, von de-

nen noch vier am Leben ſind. Im vorigen Jahre entriß ihm der

Tod die geliebte Gattin und der tiefgreifende Schmerz über ihren
Verluſt legte den Keim zum eigenen Tode. Seit 1833 war San-
d er Mitglied der zweiten Ständekammer und was er durch Berett-
samkeit, Kenntniſſe und Charakterfeſtigkeit in diesem schweren Berufe

aufopfernd geleiſtet, berarf sür den Leser keiner weitern Begrürndunne.

Als Sander im Jahre 1842 gegen seizen Willen als Amtmann nach
Hornberg verſcttt werden ſollte, legte er seinen Staatstienſt nieder
und übernahm eine Advokatur und Prokuratur an dem Hofgericht in

Raſtatt. Die anſtrengendere Beschäftigung in diesem Stande wirite

ebenfalls nachtheilig auf seine Gesundheit. Seine letzte Krankheit
dauerte sieben Wochen , und scheinbar geneſend, war er von Karls-
ruhe nach Raſtatt zurückgekehrt, als ihn der Tod ereilte.

. .

Nach der Rede des Geiſtlichen, stimmte der Sängerverein hie-
siger Handwerker einen ergreifenden Trauergesang an. Dann trat
Rindeschwend er an den Rand des Grabes, um seinem langjäh-
rigen innigen Freunde einen Scheidegruß nachzurufen, wobei der
Redner, ſichtbar kämpfend mit dem eigenen gewaltigen Schmerze, die
Hörer mit sich emporhob von der vergänglichen irdischen Hülle zu
dem Hinblick auf den unsterblichen Geiſt, auf die vaterländiſche Ge-
ſinnung, welche in Adolf Sander lebte, und ihn im raſtloſen
Kampfe Freiheit und Recht für das ganze deutsche Vaterland zu er-
ringen antrieb; jener Geiſt, der in Deutschland ewig leben und das
Ziel erreichen wird. Männerthränen, Händedruck ohne Worte be-
zeugten dem Redner Dank und Zuſtimmurg. Bon Hand zu Hand
ging die Schaufel; Scholle auf Scholle rollte in das Grab; der
Heithet ward leer; Adolf Sanders ſterbliche Hülle war begra-
en.

* Vom Neckar. (Schluß.) Der Dritte geht in einem poeti-
schen Meinungseifer noch weiter. Neuerdings ( S. 40) gebärden
ſich zerrüttete Geiſter, als ob das Chriſtenth um eine leere,
veraltete Fabel wäre. Dies sei . . ein Verrath an der Kirche,
gegen den Jeglicher, der es mit dem Wohle des Volkes redlich
meine, aus aller Macht und ohne Furcht öffentlich proteſtiren
müſſe. Wohl uns, daß das Stuttgarter Volk sich nicht die
Macht des Waadtländiſchen zutraut. ~ Die schwärmerische Phan-
taſie des Sprechers, der eine eigene speculative Auslegung der
Chriſtologie S. 34 ~ 36 durchblicken läßt, ruft nicht nur Elt.ry
und Kinder auf, daß sie durch das Beginnen solcher Feinde
Chriſti sich ihre Weihnachtfreuden (die den Kindern leuch-


 
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