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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 238 - No. 267 (1. September - 30. September)
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ut r r ß. p erbte ter
aufschlag. j franco.
Sonntag 7. September 1845.



Der unmögliche Bundesbeſchluß.
UI. ;

Hamburg, 31 Auguſt. Wir haben (No. 242.) nachgewiesen,
daß ein gegen die Deuthſch Katholiken feindſ.liger Antrag durch die Bun-
d sverfaſſung auch nicht im Entferntesten gerechtfertigt werden könnte.
Das brauchen wir nicht zu sagen, daß es eine unleidliche Herabwür-
digung des Bundestags sein würde, wenn man ihm anſinnen wollte,
daß er über die ihm vorgezeichnete Bahn hinausgehe, um den kirch-
lichen Bewegungen hemmend in den Weg zu treten. Den Eindruck
brauchen wir nicht zu schildern, die Empfindungen nicht zu bezeichnen,
welche statt der, leider! allbereits herrſchenden Gleichgültigkeit Play
greifen würden, wenn die Reaction nach allen Richtungen pin, nun
auch nach der kirchlichen, ſich vollenden sollte, während man sich mehr
und mehr entwöhnt hat, den Fortschritt in irgend einer Richtung von
dorther zu erwarten. Der Bund soll das Symbol der deutschen Ein-
heit sein, nicht das der undeutsſchen Reaktion.

Da aber das Gerücht durch alle Blätter läuft, da es von sol-
<en wiederholt wird, denen das Alles sehr wohl bekannt ist, so muß
es auch erlaubt sein, nach den Motiven zu fragen, welche man den
Regierungen unterlegt, denen man die Absicht zutraut, einen derarti-
gen Antrag an den Buneektag zu bringen. .

Der Antrag müßte en!w.der von einer
gehen, oder von eincr proteſtantiſchen.

Man ist gewohnt, Oesterreich und Baiern als die Repräſen-
tanten des fkatholiſchen Elements in Deutschland zu betrachten.
Nun, in den Wiener Conferenzen von 1815 war es Osterreich,
das in der fünften, und Baiern, das in der siebenten Sitzung den
zum Beschluß erhobenen Vorschlag ſtellte, den einzigen Artikel, der
zu Gunsten der katholischen Kirche ſprach, aus der Bundesacte weg-
zulaſſen. Diese beiden katholischen Mächte haben es ausdrücklich
verſchmäht, die Interessen der katholischen Kirche von vornherein
unter den Schutz der Bundesverfassung zu stellen. Gegen die Aus-
laſſung der Reli,ionsangelegenheiten von der Reihenfolge der Ge-

katholischen Macht aus-

schäfte (1817) fand Baiern nichts zu erinnern, Oeſlerreich hat dieen.

selbe ausdrücklich und nachdrücklich mot virt. Zur Zeit der Kölnec
Wirren waren gar manche Protestanten der Meinung, daß tie ka-
tholische Kirche in ihren Rechten beeinträchtigt sei durch die Maßre-
geln einer protestantischen Regierung. Wir gestehen, daß wir uns-
res Theils noch heute dieser Meinung sind. Aber wir haben nicht
vernommen, daß Oesterreich oder Baiern dama's jene so auffallende
und weitauss:hende Angel'genheit an den Bund gebracht hätten.
Mindestens iſt kein Bundesbeschluß darüber zur öffentlichen Kunde
gekommen. Wenn Osterreich und Baiern den Bundestag zu ir-
gend einer Art von Thätigkeit nicht berufen zu halten scheinen, so
iſt es zur Advocatie der römiſch katholischen Kirche.

Was Jſoll man aber zu der Vorausſetung sazen, daß eine pro-
teſtantisſche Regierung die Jnitiative ergreifen könnte? Man muß
die Dinge beim Ramen nennen. Wär’ es nicht eitel Heuchclei, wenn
eine proteſtantisſche Regierung ängstlicher als eine katholische, für die
Interessen der römischen Curie, fur die Einheit der römiſchen Kirche
eifern wollte? Dazu noch würde sie sich der Chance aussetzen, ihren
Eifer mit nicht unverdientem Hohn von der päpstlichen Partei zu-
rückgewiesen zu sehen. Oder waren es etwa nicht die Oratoren der
katholiſchen Kirche, welche auf dem Wiener Congreß (in einer Er-
klärung vom 29. Mai 1815), mit Bezug auf die der Kirche ange-

" dotenen Verheißungen die Aeußerung fallen ließen; .die proteſtanti-

schen Bundesglieder würden doch nicht, im Widerspruch mit sich selbt,

| Oppoſition und Patron zugleich se in wollen ?"

Kein Vortheil irgend einer Art, welchen die berechnende Politik

ich verſprechen möchte, würde das Unwürdige eines Sthrittes aus-

gleichen, den eine proteſtantiſche Regierung zur Unterdrückung katho-

. lÜiſcher Dissidenten unternehmen könnte. Mit religiöſen Dingen. darf

v

. /

I

kein Spiel getrieben werden. Man würde sie in den Staub ziehen,

. Wenn man einen Geschäftscaleül daran knüpfen wollte. Milde und

| Berſöhnlichkrit ift Pflicht; nachgiebige Gefälligkeit, mit Aufopferung
Ver Grundſäge, ift eine Schmach. ik

. Um nichts beſſer würde die Sache sich ſtelen, wenn wirklich,
Wie es hin und wieder angedeutet wird, die Aßſicht wäre, ſich zu-

gleich unerwünschter proteſtantischer Bewegungen zu erwehren, indem
man den Katholiſchen den Krieg macht. Die Geschichte der kirchli-
<en Unduldsarrikeit hat wohl auch früher ſchon seltſame Combinatio-
nen zu Tage gefördert. Wir wissen, daß die proteſtantischen Disſſen-
ters gegen das ihnen so günſtige Toleranz-Edict Jacobs II. zu Felde
zogen, weil sie den eignen Vortheil nicht um den Preis einer Zulaſ-
ſung der Katholiken erkaufen wollten. In dem Mißverſtändniß die-
ser Leute lag etwas Edles, Selbſtverleugnendes. Unedel aber wär"
es, einen pte niederzuhalten, nur um einen Dritten deſto ſiche-
rer zu triffen.

Vorausgesetzt, aber nicht zugeſtanden, daß solche oder ähnliche
unglaubliche Tendenzen sich irgendwo finden könnten, so bleibt es im-
mer noch unmöglich, daß sie den erträumten Erfolg haben sollten.

Ein Bundesbeſchluß in Religionsangelegenheit kann nur mit
Stimmeneinhelligkeit gefaßt werden. Die Heimlichkeit der Bundesver-
handlungen würde keine Regierung vor der moralischen Verantwort-
lichkeit für ihre Mitwirkung schützzn; um von einer weiteren Verant-
wortlichkeit, wo sie zu Recht befteht, nicht zu reden. Wo sind pro-
teſtantiſche Rathgeber deutscher Fürsten, und wer sind sie, die den
Proteftantismus verleugnen, und die Trennung von Rom zum Ver-
brechen ſtempeln wollten ? ;

Die heilloſeſte Kurzsichtigkeit wär' es endlich, wenn man die
Deutschkatholiken niederhalten wollte, lediglich nur um Ruhe zu ha-
ben. Ruhe, indem man die raſtloſeſte, die ftreb)jamſte Feder im mensch-
lichen Gemüth, die religiöse Aufregung, gewaltſam drückt! Immer
ſind die Deutschen reizbarer in religisſen Dingen gewesen als in po-
litiſchen. Die Geschichte unserer Bürgerkriege bezeichnet die blutige
Spur der Gegenreformation. Und (um von uneingeſchränkten Regie-
rungen so wenig zu reden, als von den republikanischen Behörden
der freien Stätte) wo ſind die verantwortlichen Rathgeber deutscher
Fürſten und wer sind sie, die mit kühler Ueberlegung in das Geschrei
einer fanatiſirten Menge einstimmen möchten: „Das Blut komme
über uns und über unſere Kinder?“? (Werser-Z.)

Deutſchland.

* Mannheim, b. September. Die Mannheimer Abend-
zeitung brachte dieser Tage eine Adresse zur öffentlichen Kunde, welche
eine große Zahl Bürger Mannheims an den wackern Robert Blum,
als Mitglied des „ Ausſchuſses der Leipziger Bürger zur Vertheidigung der
schwer verletzten Rechte derselben und Erlangung der gebührenden Ge-
nugthuung-.,, abgehen lichen. Eine gleiche Urreſſe ging von den Theil-
nehmern des Verfaſſungsfefrs zu Schwetzingen an dieselbe ab. Und
ebenſo die nachſtehende geſtern uns zugekommene und heute bereits hier
in den „Seeblättern-- zu leſende Adreſſe von 150 Bürgern in Heidelberg,
an deren Spitze der ehrwürdige Paulus , der begeitterte Welcker und
der un. bläsſig für bürgerliche Selbſtſtändigkeit kämpfende Bater Winter

ftehen:
„Hochgeehrte deutsche Männer!

Tief ergriffen von dem erschütternden Eindruck, welche die in
Ihrer Mitte vorgefallenen Blutscenen im ganzen deutſchen Vaterlande
erwecken, fühlen wir das Bedürfniß, Ihnen unsere Theilnahme an
Ihrer schmerzlichen Entrüſtung und unsere Hochachtung für Ihre Be-
mühnngen zur Sühne des vergoſſenen Blutes und zur zukünftiger:



Sicherſtellung des Lebens und der Ehre deutſcher Bürger auszudrücken.

Schon stehen wir Deutsche hinter den sreicn Völkern der Erde
in der Ehre der Nationen, in der staatsbürgerlichen und religiösen
Freiheit, auf eine uns tief beschämende Weise zurück. Nicht zu er-
tragen aber wäre die Schmach, sollten wir es auch noch ruhig dul-
den, daß das Leben friedlicher Bürger inmitten unserer Städte und
Dörfer der Willkür der Macht und den mörderiséhen Waffen soldati-
scher Gewalt preisgegeben würde.

Wir wollen der von Ihnen geforterten, jede persönliche Rück-
sicht ausſchlichenden, Untersachung nicht vorgreifen. Wir wollen eben-
sowenig bei einem möglichen Zusammenhang dieser erschütternden Er-
eigniſſe mit beklagenswerthen Vereinbarungen zur Unterdrückung der
Wahrheit und anderer Verfaſſungsrechte und namentlich auch des Ver-
faſſungseides der Soldaten verweilen. .

Über es müssen dicse Ereigniſſe, sowie fie schou jetzt vorliegen,
verbunden mit jener Vorentzaliuung ter religiöſen und bürgerlichen


 
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