Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Abendzeitung — 1845

DOI chapter:
No. 117 - No. 145 (1. Mai - 31. Mai)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0505

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext











. m Mannheim Af 15 tr. J
durch die Poſt bezogen im J

ganzen Großherzogthum q Fp
Ausland eröht sp das



Mis. Inserate vie geſpaltens M:
tg.. r
YT O d rate, worüber. die Redak-

; tion Auskunft zu ertheileo
G D hat, die Zeile oder deren
; Raum 4 kr. + Hriefs







Mt Tg ros . jw Gz.ztVz
TEonntag 4. Mai 1845

; ê Deutfſebland. l:
_ *4*> Rheinbiſchofsheim, 27. April. (Auszug aus einem
Tagbuch.) Entlich bin ich wieder auf deutschem Boden. Das Ge-
töße der frarzofihet Hsuhtsgrt und das Rütteln des Wagens sum-
><en mir noch im Kopfe. ' z!
Die- hiesige . Ruhe versetzt mich in eine ganz andere Welt.
Zc<h stand einſt vor dem ſchäumenden, über Felſen stürzenden
Mheinfalle, vor deſſen Wucht rings die Erde erzitterte, und kaum
zurückgetreten aus dem toſenden Elemente, herrschte die tiefſte Stille.
Der ſchnelle Wechſel der wildbrauſenden mit der friedlich ſtillen Na-
lur erweckte in mir ein eigenes Gefühl, ſo wie es etwa ſcin mag,
wenn man nach durchdrungenem Kampfe des Lebens in die Grabesftille
eingeht. . zig H
" Ein ähnliches Gefühl überschleicht mich hier. i
.. HWüßte ich nicht, daß ich auf deutſchem Boden bin, würde mich
die herrſchende Stille in der von Leuten überfüllten Wirthéſtube wirk-
lich überraſchen. Man hört kaum ein lautes Wort. Die Tages-
neuigkeiten werden ſchüchtern besprochen. An einem Tiſch unterhielt
man ſich über das Aufſtreben einer deutschen Nationalkirche, an einem
anderen über den Fortſchritt und den Hemmſchuh, der dem Streben nach
peutſcher Einheit und dem Nationalbewußtsein angelegt ſei. j
î_ Bei all dem kein kräftiges feſtes Wort, kene entſschicdene Aeus-
. Ferung. Ju. allem. ein Müttelding, ein Herumdreßen um die Worte:
„Könnten wir ? Dürften wir?“ P : Z14 ù ;
_ Wher dieſe Scheu und Schüchternheit in Gesprächen ſelbſt über
oſfenkundige Ereigniſen. i i
. M dieß in dem freien Baden möglich? i
. Varlüber mußte ich Auskunft haben. :

_ Was habe ich vernommen? Vor einigen Wochen war hier eine
Géſellſchaſt beim Bier zuſammen, in der einige „Hcfmänniſche- Lieder
geſutigen und mehre Worte über die verfaſſung s mäßig en Rechte
her Bürger gesprochen worden sein sollen.

Hört! Man leitet eine polizeiliche Untersuchung gegen die Anwe-
ſenden ein. Sie werden beschuldigt, eine politiſche Versammlung ge-
halten zu haben; man habe ſich herausgenommen von den Rechten

des Bürgers zu reden, die Gemüther der Anwesenden gegen das Ge-
ſe und die bestehende Ordnung aufzureizen, verbotene Lieder zu ſin-
gen und dergleichen mehr ~ während die Geſsellſchaft rein zufällig
hich gebildet, es auch gewiß nichts Unrechtes iſt, vom Recht zu spre-
chen, und wer ti:ß thut, ſich nicht gegen das Geſetz auflehnt ; während, was
geſetzlich iſt, ſich auch in Ordnung befintet, und Lieder die nichr ge-
gen das Gesetz und Recht sind, auch nicht unerlaubt sein köunen, ra-
mentlich wenn kein öffentliches Verbot hierwegen ergangen.
ti Aehnliche Untersuchungen sollen auch anderen Orts anhängig

n.

_ Nach dem rechtlichen Grund und eigentlichen Zweck dicser Un-

terſuchung fragend, wird mir erwidert : einen Grund, der ſich geſeslich

rechtfertizen ließe, kenne man nicht, der Zweck ſcheine aber entweder
vahin gerichtet zu sein, die Leute einzuſchüchtern und von der Rich-
iung der Zeit abzuwenden, over das demnächſt ias Leben tretende

Criminalgeseg einer praktiſchen Probe zu unterwerfen.

î Mir ſcheint in hieſigem Orte der erſte Zweck einstweilen voll-

kommen erreicht zu sein. Es erklärt ſich wir tie gleichſam ſtumme

Unterhaltung , das leise Auftreten der Gäſte: man fürchtet sich vor
den Plagen einer Untersuchung, obgleich man sich über das Resul-
iat derselben, wie ich höre, keine graue Haare zu machen ſcheint.
Y es wirklich nur hier so, oder herrſcht dieſe ſchwüle gedrückte
Luft in weitern Kreiſen des Landes ? j
_ Scllte Deutschland in einer Krise liegen ~ und so außerordent-
liche Maßregeln nothwendig sein, daß man nicht mehr von den Re ch-
ren dex Staatsbürger sprechen, oder freiſinnige, das Staatsleben
berührende Lieder singen dürfte ?
_ Darüber höre ich Manches. Einſtweilen das hier Erlebte.
îOMald ein Weiteres. Ö

. Freiburg, 30. April. (Oberrh. Z.) Toleranz.
ch ein katholiſches Gymraſium sei, deſſea Errichtung als ein Be-
„ürfniß erscheine, um die Ueberfüllung in den Clasen zu vermeiden,

sr jet „zu mancherlei Mißoerpältniſſen und zur Unzufriedenheit ver

? „Süddeutiche Kirchen-Z itung - beklagt, daß in V rzt R nta;

î liern, wie der Lehrer führe.n „Darum trenne man“, heißt es, die

Schüler beider Confesſionen, denn das allein wird zur Beruhigung
der katholiſchen Eltern beitragen und den mancherlei Beschwerden ab-
helfen, die ſchon laut geworden ſind. – Also Trennung führt zum
Frieden unter den Confeſſionen, nicht gegenseitige Duldsamkeit und
Achtung ! ~ Das ift echt ultramontan!

Von der Elz, 30. April. (Oberrhem. Ztg.) In Malter-
ding en haben wir den Ausbruch einer Rohheit zu beklagen, die
leider nur allzuhäufig unter unſerm Volk gefunven wird. Vor dem
Hauſe des dortigen Lehrers ſangen einige Bursche Zotenlieder. Als
der Lehrer heraustrat, um ihnen dies zu verweiſen, wurde er mit
einem Meſſer so ſchwer verwundet, daß sein Leben bedroht iſt. Es
ergreift den Baterlandsfreund ein ſchmerzliches Gefühl, wenn er 6

häufig solche Ausbrüche der Rohheit unter einem gebildeten Volle.

wahrnimmt. Gibt es doch ganze Dörfer, die wegen ihrer Raufſucht,
die ſo oft zum blutigen Morde wird, berüchtigt sind, wo keine Kirch-
weihe, kein Tanz ohne Prügelei vorübergeht, in welcher sie gleichſam
die Würze aller Freuden finden. Hier liegt unſtreitig in den Zuſtän-
den des Volkes noch ein tiefes Uebel, dem weder Kirche noch Schule
bisber geholſen hat. Einen Hauptgrund deſſelben glauben wir varin
zu finden, daß von der Zrit der Schulentlaſſung an, also gerade in
jenem Alter, wo der Geiſt am Bildungsfähigſten und Bedürftigſten iſt,
wo der Character, die ganze Richtung des Menſchen ſich. fester und
bleibend geftaltet, in dem Uebergange aus der Kindheit in das Jüng-
lingsalter, zumal die Jugend des Landvolks, dem bildenden Einfluß
der Kirche und Schule faſt gänzlich entzogen und ſich selber überlaſ-

en bleibt. Denn was geschieht zur Veredlung des Volkes von der

Zeit der Schulentlaſſung an, von der Zeit an, wo die Veredlung
erſt. recht beginnen sollte? Die Sonntags- und Fortbildungsſchule
reicht kaum hin, um das früher Gelernte vor dem Vergeſſen zu
bewahren, von eigentlicher Fortbildung iſt keine Rere.
Die Chriſtenlehre genügt eben so wenig,, das angefangene Werk der
Bildung auf ersprießliche Weise fortzuſezen. In ver Zeit, wo eigent-
lich der Geiſt erſt recht erwacht, ſind die jungen Leute die ganze
Woche hinter dem Pfluge her, das Zugvieh ihre Gesellſchaft, und für
ihre geiſtige Bildung geschieht nichts mehr bis nothdürftig am Sonn-
tag, wo sie von der Wochenarbeit ermüdet, lieber dem Vergnügen
und der Erholung nachgehen und in der Regel nur mit Wioerwillen
Sonntagsſchule und Chriſtenlehre besuchen. Was Wanders, wenn
die Keime der Bildung wieder ersticken und sich Rohheit der Gemü-
ther bemächtigt! Wenn die Jugend im Vollgefühle körrerlicher, aber
von keiner geiſtigen Anebildung geleiteter Kraft in Händeln und Rau-
fereien ſich ergötzt, die ſo oft zu tragiſchem Ende führen? Wie bis-
her auf Universitäten der größte Schläger der geachtetſte Student war,
so iſt ost bei der Dorfiugend ter größte Raufbold der angeſehenſte.
ée iſt dieselbe Rohheit, vie nur dort unter ceiviliſirten Formen ſich
und thut.

Berlin, 24. April. (Frankf. J.) Ueber die ſchlesiſchen
Untersuchungen circuliren hier in manchen Kreisen wieder fabel-
hafte Gerüchte. Es heißt, daß die Polizei eine gehrime Preſſe ent-
deckt habe, wo eben aufrührcri‘sche Pampplete zur Beibreitung unter
den Landleuten und den Truppen faktricirt worden seien. Wenn dies
Gerücht ungegründet iſt, und wir halten es dafür, so möchte wohl
atlein das geheimnißvolle Dunkel dieser ganzen Angelegenheit zu dere
gleichen Eifindnngen Anlaß gegeben haben. Ö Dr. Meyen,
der wegen Preßvergehen zn achtwöchentlicher Gefängnißſtrafe verur-
theilt war, verläßt heute nach überstandener Strafe die Hausvogtei.
Seine Freunde haben ihm cin ſolennes Feſtcſſen veranstaltet.

~ Die Erfahrung ſcheint es zu beſtätigen, daß die Geschäfte
des Obercensurger ich tes fortgeſcßt wachſen, da, wie man hört,
noch niemals so vicle Beschwerden der Entscheidung vorliegen, wie

jetzt, und cine abermalige Vermehrung der Hülfsarbciter dringend

nöthig erschein. ~ Was die öfter angeregten Hoffnungen auf cine
uahe Forttiltung unferer Cenſurverhältniſse betrifft, so hat die ſüngſt
erlaſſene Orere über Drbiteverbote jene Ansicht noch wankender ge-
macht und die Zahl der Zwrifler wieder vermehrt.
. ü* Grestau, 25. April.. In der heutigen „Schleſi-
ſchen Z.-- wird darauf auſmerkſam gemacht, daß die Wahl des Fürſt-
biſchofs von Brestau diesmal nicht nach der im Staate geltenden



|


 
Annotationen