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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 87 - No. 116 (1. April - 30. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0453

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21. April

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, tion Auskunft zu ertheilea
Y§ hat, die Zeile oder deren
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und Geld erbittet man
ranco.

1845



Abendzeitun













Deutſchlgr.
Vom Nhein, 18. April. (Köln. Z.) In einer Zeit, in welcher mit

vollem Rechte die Lage der arbeitenden Klassen so allgemeine Auf-

merksamkeit erregt, dürfte man billig erwarten, daß diese wichtige
Angelegenheit besonders da scharf ins Auge gefaßt und einer prakti-
ſchen Lösung entgegengeführt würde, wo ſich zunächſt in größerm
Maßſtabe eine gunſtige Gelegenheit darbietet, den von ihrer Hände
Arbeit lebenden Leuten dauernd aufzuhelfen. Sie bietet sich aber dar
bei dem Eisenbahnbau, der viele Tausende von Männern auf eine
Reihe von Jahren beschäftigt und leicht ein Mittel werden könnte,
eine beträchtliche Anzahl von ärmeren Mitgliedern der Staatsgeſsell-
ſchaft zu verhältnißmäßig Wohlhabenden zu machen, wenn man nur
die Sache beim rechten Ende angriffe. Biele Millionen ſind bereits
für Schienenwege verausgabt worden, und der Arbeiter hat doch da-

von nichts weiter gehabt, als daß er, wie man zu sagen pflegt,

von der Hand in den Mund lebte; er erübrigte nichts und iſt so
dürftig geblieben wie zuvor. Im Laufe der nächſten Jahre werden
noch viel weitere Millionen für Eisenbahnen aufgewandt werdenz
soll auch jezt noch der Arbeiter in denselben Verhältnissen, soll er,
nachdem er Jahre lang im Schweiße seines Angesichts ſich abgemüht,
eben so arm bleiben wie zuvor, oder soll man ihm nicht vielmehr
behülflich werden, daß er aus seinem beklagenswerthen „Proletariat"
zum Besitze gelange und die Zahl der kleinen Eigenthümer vermeh-
ren können? Wir meinen, es nüüſſe jedem rechtschaffenen Staate
daran. liegen, Alles aufzubieten, die Zahl derjenigen Bürger zu
vermehren, die Etwas zu verlieren haben! Daran hat der
Staat ein doppeltes Iniereſſe in einer Zeit, die allgemach vor dem
„Communismus“ einige Beſorgniſſe zu hegen anfängt. Diese wer-
den aber am Füglichſten dann verscheucht, wenn die Anzahl der Be-
ſitzenden sich mehrt, dagegen die Reihen der Dürftigen vermindert
werden, wenn der Staat und tic freie Association gemeinſchaftlich
zusammen wirken, um die Lage der dürftigen Claſſen zu verbessern.
Wir finden das Streben der rLocalvereine", der Hülfs- und Bil-
dungsvereine" sehr löblich und wünſchen ihnen den beſten Erfolg.
Bri den Eisenbahnarbeitern könnten sie in Betreff ihrer Wirksamkeit
gleich einen praktischen Anfang machen, wobei denn auch die, welche
zunächſt mit dem „Sparkaſsensyſtem.. beginnen wollen, sich befriedigt
finden würden. Eine vortreffliche Anleitung dazu iſt in „Weil's
conſtitutionellen Jahrbüchern" gegeben worden. Der Aufsatz: . Wie
fann der Bau der großen Eisenbahnlinien als Mittel zur dauernden
Verbeſſerung des Schicksals einer großen Anzahl von Arbeitern be-
nutzt werden?" enthält, unserec Anſicht nach, so viel Praktiſches, daß
wir den wesentlichen Inhalt desselben hier näher ins Auge faſſen
wollen. Bis jetzt hat der Eisenbahnbau, als solcher, im Allgemeinen
nur eine Anzahl reicher Leute noch reicher gemacht, auch wenn der
Staai sie unternahm. ;

Dann fiel der Hauptverdienſt einigen Unternehmern zu, die (wie zum
Beispiel die Gebrüder Klein in Böhmen) Millionen verdienten. Tra-
ten dagegen Gesellschaften zuſammen, so gewannen meiſt nur die,
welche die Genehmigung erhielten oder die Ausführung unternahmen.
Der Arme verdiente seinen Tagelohn und nichts weiter; für ihn sind
darum bisher die Eiſenbahnbauten kein Mittel gewesen, ihn über die
Dürftigkeit emporzuheben. Freilich wurde der Tagelohn gesteigert, Mau-
rex, Zimmerleute 1c. erhielten mehr als gewöhnlich, weil die Nach-
frage um Arbeit den Lohn höher brachte; aber ~ wie gewonnen,
o zerronnen! Und doch bietet sich gerade hier die beſte Gelegenheit
zur Verbeſſerung der Lage der arbeitenden Klaſſen dar. Man müßte
nur Sorge tragen, daß die den letztern zufließenden Summen nicht
völlig wieder verrinnen, daß der ihnen gebührende Lohn nicht theil-
weiſe vorweg geschmälert wird, daß er nicht durch Mangel an ö f-
fentlicher Fürsorge für ihre genügende und billige Verpflegung
und an Gelegenheit zur Anlage kleiner Wochenersparniſſe, während
der Arbeit noch verschlungen werde. ttt e

Was zunächſt die Arbeitsverdingung anbelangt, so beseitigt man am
Füglichſten die Zwischenhändler, vergibt die complicirten Arbeiten nach
den einzelnen einfachen Theilen und nach Maßgabe, wie sie sich dar-
ſtellen, unmittelbar an die Arbeiter nach dem Maße oder je nach
bem Tagelohn. Namentlich die planen oder einfach zu berechnenden
Arbeitömaſſen bedürfen zu ihrer Fertigung keines Zwiſchenaccordes,

wenn nur der leitende Beamte human und den vereinigten Arbeitern
zu Liebe und zur Aushülfe iſt. Die Arbeiter verſtehen es recht gut,
in ihren Fächern die Arbeit im Ganzen zu überschlagen, wie das
unter Anderm auch das Beispiel der Schnitter aus dem Fulda’ schen,
Oberbaiern, Schwaben tc. bethätigt, die zur Zeit der Ernte ſich maſ-
senweiſse verdingen und den Verdienst so gerecht und billig unter ſich
vertheilen, daß nur selten Irrungen oder Streitigkeiten eniſtehen.
Man beseitige daher die Zwiſchenaccordanten und theile, was ohne-
hin durch den technischen Betrieb erfordert wird, die Arbeiter selbſt
in Sectionen und Unterabtheilungen, mit denen man direct überein
kommt. (Weiteres folgt.) 1

Berlin, 11. April. Als der Antrag auf Cinführung
reichsſtändiſscher Verfassung in Preußen zu Coblenz debattirt
wurde, brachten die Stenographen in einer Morgen- und Abend-
ſitung 110 Bogen Manuſcript über diese Verhandlung zusammen.
Im ÜUuszuge iſt das Resultat derſ:lben schon gedruckt, vor mehreren
Tagen ziemlich weit und allgemein bekannt geworden, ebenſo wie
der Antrag des von der Stadt Köln geschickten Deputirten Hrn. Camp-
hausen, welcher jener Verhandlung zum Grunde lag. Welche politi-
sche Ueberzeugung und Richtung auch Jemand haben mag, so wird
er zugeben müſſen, daß in dieser Verhandlung die Frage wegen
reichsſtändischer Verfaſſung für Preußen auf eine so gründliche und
durchaus taktvolle Weise behandeit worden iſt, wie man es nur von
den durchgebildetiſten Staatsmännern und tiefsten Kennern der politi-
schen Verhältnisse erwarten darf. Das Protokoll des rheinischen Pro-
vinzial-Landtags vom 10. März enthält ein Meisterstück parlamen-
tariſcher Discuſsion. Männer wie Camphauſen, Beckerath, Hanſe-
mann haben ihre ausgezeichnete Befähigung bewährt, Stellvertreter
eines großen intelligenten Velkes und kundige Rathgeber einer vor-
wärtsſtrebenden Regierung zu sein; ihre Gegner, wie Bianco, M.
Loe und Andere haben mit einem Aufwande von Geiſt und Kraft
für den Rückſchritt gekämpft, wie man diese Eigenschaften nur noch
selten bei der Par tei der Reaktion findet.

_ F 15. April. (Weser-3.) Seit zwei Tagen befindet sich der
armenische Kaufmann Mar tyr os Jsalloff aus Braila in unserer
Stadt, um mit dem diesseitigen Gouvernement wegen Anlegung ei-
nes Depots für Zollvereins-Waaren im Freihafen von Galacz zu
unterhandeln, wodurch dieser Platz gewiſſermaßen zum Hauptſtapelort
für die Bedürfniſſe der Donauländer an weſteuropäischen und beson-
ders deutschen Waaren erhoben würde.

~ Das Konventikelwesen fordert noch immer von Zeit zu Zeit
seine Opfer. Dieser Tage hat man zu Potsdam einen braven Fa-
milienvater ins Irrenhaus bringen müssen. Er hatte auf offenem
Platze verkündet, er sei J e s u s, aber nicht von Nazareth, sondern
Jesus v o n Amer ika. Der Besuch eines der eifrigſten Konven-
i.l hatte ihm den Verſtand geraubt, und seiner Familie den Er-
nährer. i?

~ P. Mügge iſt polizeilich darüber vernommen worden, ob er
einen Artikel im r Leipzig. Courier geschrieben habe, der das besondere
Mißfallen des Hrn. Miniſters des Innern erregt hatte. Hr. Mügge
konnte mit gutem Gewisſen die Frage verneinen, weil er von der
Eriſtenz des fraglichen Blatts nicht einmal wußte. Die polizeiliche
„Recherche- war aber deßhalb über ihn verhängt worden, weil die
Redaction auf diesseitige Anfrage als den Einsender des Artikels,
nicht etwa den D. Mügge, sondern einen Hrn. Arendt genannt hatte,
der sich als in demselben Hauſe wohnend bezeichnet hatte, in welchem
der Hr. M. zufällig auch wohnt. Da nun in dem gedachten Hause
kein Arendt wohnt, so mußte ~ so schloß wenigstens die Polizeibe-
hörde, welcher der erſte Angriff gebührt — Hr. Mügge der Einsen-
der sein, und wird nun mit Citation, Protocollation und Zubehör
bedacht, die eben so verdrießlich als zeitraubend sind. (Rh.-u. M.-3.)

Vom Schwarzwald. Im württemb. Oberamt Oberndorf
konnte die Zahl der zu stellenden Rekruten in diesem Jahre nicht
vollzählig ausgehoben weeden, weil es an körperlich tüchtigen Leuten

fehlte. Daſselbe soll im Oberamt Sulz vorgekommen sein.


 
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