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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 238 - No. 267 (1. September - 30. September)
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Mittwoch

2A4. September

Raum 4 kr. ~ Briefs
unt us ZZitie! mau

1815.



Lübeck und der deutſche Bund,

Hamburg, 17. September. Die Dänen klopfen in die Hände
und jubiliren im Voraus, beim Bundestag werde Nichts herauskommen.
Sie haben einige Ahnung davon, daß man ſich einmal (!) beim Bun-
destag um eine Diflinction zwiſchen Rechten und Intereſſen lange ge-
ſtritten. In einer ähnlichen, endloſen Controverse, hoffen sie, werde
auch dieſe Affaire stecken bleiben.

Dahin iſt es gekommen, daß die Ausländer solche Gedanken
hegen über das Symbol der deutſchen Einheit. Wir wollen nicht
fragen, durch welche Schuld es dahin gekommen. Genug, es ift so.
Um so weniger darf Lübeck den letzten entscheidenden Schritt ver-
ſäumen. Man muß dem Bundestag wenigstens die Gelegenheit ge-
ben, solche Voraussetzungen durch die That zu widerlegen.

Also Lübeck mu ß und w ird an den Bundestag gehen. Doch
nicht Lübeck allein; die Schwefſterftädte müſſen ihm zur Seite ſtehen.
Das ist unsere Pflicht nicht allein; es iſt unſer Recht. Das Vater-
land blickt auf uns und unsere gemeinsamen Cniſchließungen, wenn
es ſich darum handelt, einen Handels- und Schifffahrtsbund aller

Sigaten deuiſcher Zungen aufzurichten. Es weiß, daß wir nicht von
einander zu trennen, wohl aber bereit sind, gemeinſam mit unsern

deutſchen Brüdern zu berathen, was von ihnen erwartet, was von
uns geleiſtet werden mag. So muß es auch hier zur Anschauung
kommen, daß wir zuſammengehören. Mit Recht und Pflicht gehen
bie Intereſſen Hand in Hand. Wer Lübeck kränkt, der taſtet die
Grundlage an, auf welcher, umſchloſſen von monarchiſchen Staaten,
unsere republicaniſche Selbſtſtändig ke it beruht.

Die Dänen sagen, sie seien geſpannt, zu vernehmen, wo denn in
der Bundesacte der Artikel zu lesen sei, der durch die Verweigerung
der Büchener Cisenbahn verletzt worden.

Wir erwiedern: wir kommen diesmal nicht, wie wir 1m Jahre
1838 kamen, als wir, um Ruhe zu baben, in einer liquiden Sache
uns zum Vergleich herbeiließ.n ~ thöricht, denn wie konnten wir
auf Ruhe hoffen, wenn nicht kraft unsres guten Rechts? Wir kom-
men diesmal nicht, wie im Jahre 1838 -| nicht bis an die Zähne
gepanzert in alten Pergamenten, nicht mit den Bullen behangen,
den Insiegeln unsrer Kaiser, die das Recht zu schützen mächtig wa-
ren.

Sondern das große Buch des Völkerrechts ſchlagen wir auf,
mit den Mahnungen der unbefangenen, unerſchrockenen Weisen, de-
ren Stimme nach Jahrhunderten noch durch jede goldne Pforte und
ans Gewissen der Machthaber dringt.

Das Vernehmen Dänemarks gegen Lübeck iſt von der Feindse-
ligkeit, die zwischen unabhängigen Staat:n den gerechteſten Grund zum
Rriege darbieten, und zwischen nicht-verbündeten Staaten von gleicher
Macht unf:blbar den Krieg zur Folge haben würde.

j Das Völkerrecht iſt ein integrirender Theil jeglichen Municipal-
rechts. So auch des Bundesrechts.

j So wenig iſt das Völkerrecht durch das Bundesrecht aufgeho-
hen, daß vielmehr die Anwendung und Cinſschärfung der Erundsätze
bes erſteren durch das letztere gewährleiftet wird.

Was der Mächtige gegen den unverbürdeten Nachbar nicht thun kann,
ohne ihm gerechten Grund zum Kriege zu geben, daß darf er nicht
thun grgen den verbündeten, wenngleich schwächeren Nachbar. . Da-
für muß der Bund sorgen , wenn der Bundesvertrag, wenn das Ver-
. bot der Selbſthülfe, wenn die Garantie der Unabhängigkeit und Un-

verletbarkeit Etwas bedeuten ſoll.

î Mit einem Wort: wo ter easus belli für den Einzelnen ein-
. tritt, da beginnt für die Bundesgenoſsen der casus Coederis.
(Weser. Zeitung.)

E]

Deutſchland.
. * Mannheim , 23. Herbſtmonat. Die diesjährige
Truppenaush ebung hat begonnen. Man hört wieder das ju-
helnde Wirthshausgejöhle der Glücklichen, die eine hohe Zahl an
der Kappe ſtecken haben, oder denen das Waffenhandwerk erwünſcht
iſt. Dazwischen ſtillbekümmerte Gesichter und finsterer Mißmuth.

Bei dieſem Anblick drängt sich uns wiederum die Frage von
der Cinführung allgemeiner Heerpflicht auf, die Vergewiſserung von
dem schlimmen Einfluß der Zieh ung en auf den Geiſt des Volkes,
die Neberzeugung von der Vortheilloſigkeit und Unwürde dieser Aus-
looſungen. Das Soldatwerden erscheint jetzo den Meiſten als eine
traurige Nothwendigkeit, als ein Unglück; die Hoffnung, durch Be-
kanntischaften u. dgl. mit einem Fehlerchen durch zukommen,
wirkt entsittlichend. Auch setzt fich immer in den Herzen Derer,
welche es verspielt haben, ein Neid an gegen die vom Schicksal
Bevorzugten, die sich freigezogen oder frei kaufen können, um.

ihre Glieder vor dem harten Dienst zu ſchonen. Und hat gar ein

, Reicher ‘‘’ gewonnen ~ was bei der geringern Anzahl und der
größern Bemerklichkeit der Vermöglichen alsbald auffällt + so hört
man gar oft reden: „die Reichen haben eben immer d as Glü >l-/
Die aus andern Ursachen stammende Erbitterung wurzelt sich noch
feſter. Die Kluft, welche in unsern „Rechtsſtaaten“/ zwischen Reich
und Arm täglich tiefer aufgähnt, wird faſt unausfüllbar ~ es fällt
aber die lezte Ueberbrückung, wenn der Haß jeden bisher dagewe-
senen Zusammenhalt zurückreißt! ~ ;
_ Vir ſind endlich dahin gekommen, unsrer Altvordern große und
herrliche Einrichtungen, wahre Grundſätze ächtmenschlicher Staaten-
ht. u EL ts leut uerttt4::
freilich mit Abwerfung alles von der Rohheit verfloſsener Zeiten An-
gesetzten, freilich mit Verallgemeinerung der ehemaligen Freiheiten

„zur Freiheit, des Vorrechts zum Recht. Freie Rede, Urkeim und

Stainm aller guten Früchte des Staatslebens + Volksvereinbarung
auf versſammeltem Landtage, die einzige Art der Befriedigung Aller,
Schwurgericht, Pfand der Heiligachtung unsrer Gesetze, Bürgschaft
rechten Richterſpruches: das sind die Güter, um deren Wiederge-
winn eine vielbewegte Zeit ringt. Das hausgenossenſchaftliche Leben
unsrer Avnen enthält manche Goldkörner über Vergesellschaftung und
Eigenthum, Einzelnes zwar, deſſen Vergrundsägzlichung aber nur
nöthig iſt, um zum Aufbau der wahren Staatsgeſellſchaft nicht un-
wichtige Hülssmittel zu liefern. Auch den Grundsay der allgemei-
nen Heerpflichtigkeit und Volksbewaffnung dürfen wir nar wieder
hervorziehen. Wir sagen dies, um den ,„„Geſchichtlichen,“’ den Freun-
den des erprobten Dagewesenen, den langſamen Baumeistern alter
Häuſ:r, Genüge zu thun.

Dieser Grundsatz, zuerſt gebrochen durch die Ländergier und
Selbstherrlichkeitsſsucht solcher Fürſten, welche Heere warben und sie
ſteh en ließen, dann vernichtet durch die Staatskunſt Derer , tie ge-
gebene Kräfte nützen wcllten, aber sich vor der Volksmäßigkeit ei-
ner großartigen Wehrhaftmachung fürchteten, wurde in den Tagen
fremder Gewaltherrschaft von Preußen wieder zu Ehren gebracht.
Wir haben die Früchte gesehen. ~ Noch jetzt sind dort alle körper-
lichfähigen Bürger zum Waffendienſt verbunden. Faſt unüberwind-
lich iſt ein Land, das im Frieden seine Kräfte zusammenhält, sein Mark
nicht vergeudet, das aber in Zeiten der Baterlandsgefahr im-
mer neue Heerſsäulen ausgießt, da dann in großem Aufgebot für
den Heerd und für die Freiheit geſtritten wird von Männern, welchen
ihr freies Vaterland lieb geworden. ~+ Die richten stehenden Heere
ſind keine erspielten Loosſoldaten, sie liegen nicht in Besatzungsſtäd-
ten; nein, da, wo eines jeden Mannes Bruſt ein Wall iſt gegen
die Unterjochung, wo die Glieder der Schlachthaufen von Gau zu
Gau, von Landschaft zu Landſchaft gehen, wo ein Volk zum Kampf
gerüſtet iſt ~ da ſtehen die Heere!

. YAbverauch Volksbewaffnung iſtnöthig, eine Bürgerwehr, die
ſtets ſchlagfertig iſt, der man nicht, nachdem sie eingeübt, wie Un-
mündigen das gefährliche Eiſen wegnimmt. Uebtberbleibſet vormali-
ger allgemeiner Bewaffnung ſind die jetzo noch hie und da in ein-
z:Inen Städten bestehenden Bürgersoldaten, welche jährlich ein paar

î Mal zum Spaß aufziehen, freilich lächerliche Zerrbilder, prunkende

Feſttagsmummeschanzereien, welche Mitleid einflößen. ~

Unsre Abgeordneten vereinigen sich nächſtens zur Ständever-
sammlung. Wir hoffen, daß auf Vorlage einer neuen Heer-
verfas1ung, die uns schon zugesagt iſt, entschieden gedrungen
wird. Mögen auch darin die Vortheile des Landes, die gegründe-
ten Ansprüche des Volkes erwogen und gefördert werden. Mögen


 
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