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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 117 - No. 145 (1. Mai - 31. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0589

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Abönnement mit vier-
teljähr. Vorausbezahlung
in Mannheitn 1 fl. 15 kr., J
durch die Put bezogen im 4 )
ganzen Großfherzogthum ,
Haden 2 fl. 8 kr., im
Ausland erhöht ſich das
Abonnement um den Poſe.
aufſchlag.

. .... JInserateviegeſpaltens
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Rau Brieſs
und Heth rr ria

18415



_Sonntag |

Deut9ſchland.

= Heidelberg, 23. Mai. Als weiteres Moment im Ver-
lauf unseres ſtädtiſchen Lebens melde ich Ihnen, daß heute, wie man
hier längſt allgemein voraussah , Hr. C. F. Winter, Vater, mit
131 gegen 16 Stimmen zum erſt en Bürgermeiſter erwählt ward.
Man hofft, der 72ſährige jugendliche Greis, der der Allgemeinheit
ſchon so viele Opfer brachte, werde die Wahl nicht ablehnen. Cs iſt

zwar groß dieſes Opfer, aber ein Charakter solchen Schlags iſt ihm

gewachsen.

§ Tauber-Biſchofsheim. Bei allen so durchgreifenden Staats-
organiſationen, wie fie in Baden in der Criminal- und später auch
in ver Civiljuſtiz bevorſtehen, läßt es ſich nicht anders denken, als
vaß von den zum Sitze der Collegien geeigneten Orten allenthalben
Anſprüche gemacht werden, dieselben in ihrer Mitte zu haben. Wohl
kann und darf auch bei so wichtigen Veränderungen der geeignete
Ort. niemals von der Regierung aus dem Auge gelassen wer-
den, und um so weniger kann dieses, wenn nicht die Geſsammt-
heit zum Opfer eines speciell bevorzugten und begünſtigten Ortes
heimfallen ſoll, auch nur ahnungsweiſe im Taubergrund für das
ganz von der Mitte des künftigen Strafgerichts - Bezirks entlegene
Wertheim geglaubt oder angenommen werden. – Wertheims ewige
Klage iſt der Verluſt des früheren Kreisdirectoriums und es stützt
hierauf Entſchävigungs - Ansprüche, bedenkt aber nicht, daß dieser

Beſitz ſirh auf kein Mecht, sondern lediglich auf. Begüuſtigung. grütt- ....

dete; diese Begünſtigung war schon dazumal ein Mißgriff, welchen
man jetzt nicht zum zweiten Mal zu einem großen Uebelſtand er-
heben wird. Bei dieser hochwichtigen Sache, wobei über 60,000
Seelen intereſsirt sind, kann durchaus von einer Begünſtigung keine
Rede mehr sein. Heut zu Tage wird volle Gerechtigkeit verlangt,
und nur in Gewährung derselben liegt der Keim des Vertrauens,
der Achtung und der Liebe.. Biſchofsheim hatte schon vor fünfhundert
Jahren einen Oberamtsitz , selbſt Grafen und Edelteute waren deſſen
Borſtände, bis auf die neuern Zeiten; noch iſt Biſchofsheims geogra-
" vhiſche Lage 1845 die nämliche und diese Lage die günstigste flir
den ganzen Bezirk und ein einziger Blick auf die Karte iſt entschei-
dend. Wertheim, am Ende des Landes, grenzt mit seinen Amts-
orten an uns, was sonach sein Hierherkommen erleichtert. Sie sagen
wohl, unser Freudenberg hat sieben Stunden nach Biſchofsheim, ver-
geſſen aber dabei, daß Freudenberg auch vier Stunden nach . Wert-
heim hat, also hierher nur drei Stunden mehr braucht, dagegen
Orte in den obrrn Aemtern volle vierzehn Stunden nach Wertheim
haben und hiezu im Winter volle drei Tage in Anspruch nehmen,
uim hin und her zu kommen. Die Vergütung der Meilengebühr deckt
die Auslagen nicht. Eine solche Cntfernung iſt sowohl der Staats-
kaſſe, als der oft bedrängten Privattasche schädlich, zumal legttere
leine Ersatzmittel hat. Deshalb war auch die Verwunderung allge-
mein, als Wertheim genannt wurde und hat üble Eindrücke gemacht,
weil diese Begünſtizung zum Nachtheil so vieler Tauſenden grell
hervortritt. Uebrigens ist die beſtimmte Entscheidung noch nicht aus-
gzeſprochen und das Beſie iſt, daß die höchſte Staatsregierung keine
Bevorzugte kennen und nur zum allgemeinen Wohl wirken wird.

. © Aus dem Großßherzogthum Heſſen , 22. Mai. Es
liiſt schon mehrmals von der abſonderlichen Crſcheinung die Rede ge-
weſen, daß die Opposition unserer zweiten Kammer gar nicht mehr
da vorhanden iſt, wo man sie sonst in zweiten Kammern zu finden
pflege und wo man sie auch in unserer zweiten Kammer annahm,
sondern daß ſie ſich ~ für einzelne Momente der Verhandlung we-
nigſtens, und um rinen franzöſiſchen Ausdruck für eine deutſche Sache

gu gebrauchen, ~ nach dem rechten Centrum hingewendet vat.

Die Heftigſten waren dann: (bei mehreren Gelegenheiten) der Abg.
Oraf Leyrbach; (bei der Hofyeimer Spitalangilegenheit) der Abg.

HWeoiff; und (bei rer Rubrik Koſten des Kataßterwesens, sowie im

uachſtehend ſpeziel zu crwähnendem Fall) der Abg. Grorgi. Als

25. Mai

nämlich am 1 1. April d. J. über das Einnahmebudget für die be-

vorſtehende Finanzperiode in der zweiten Kammer berathen wurde

und ein Abgeordneter vorſchlug, die Kupfer-, Berg- und Hüttenwerke
zu Thalitter, bei der so bedeutenden Zubuße, welche dieses Werk
nun ſchon seit einer Reihe von Jahren erfordern, eingehen zu laſ-
ſen, erhob ſich der Abg. Georgi und sprach (wie die soeben im
Druck erschienenen betreffenden Protokolle besagen) mit eindringenner
und lauter Stimme wörtlich Nachſt-hendes: „Ich muß mich durch-
aus gegen die alsbaldige Einstellung des Betriebs dieſes Werkes er-
klären, weil die dortige Gegend in ſolche Armuth verſunken iſt, daß
dit Leute das tägliche Brod im Hauſe haben, ihnen darum jene ſchwache
Möglichkeit zu einigem Verdienſt nicht genommen werden darf. Der
Zustand des ganzen Hinterlandes (die Landgerichie Gladenbach, Bit-
kenfkopf und Battenberg, den nordwestlichen für ſich ziemlich abge-
ſchloſſenen Theil der Provinz Oberhessen bildend), iſt nach neueren
sehr glaubenswürdigen Mittheilungen überhaupt auf eine ſo Ent'ezen
erregende, das Mitleiden der Mitmenschen und die Unterſtützung des
Staates gleich sehr in Anspruch nehmende Weise in Verarmung her-
abgzeſunken, daß es über alle Beſchreibung geht. Es iſt faſt nux noch
ein Drittheil der Bevölkerung des Hinterlandes für die Abgabe der
ditekten Steuern zahlungsfähig. Es gibt in manchen Gemeinden,
z. B. in den Gemeinden Hartenrod, Günterod, Gladenbach und an-
dexen Gemeinden, beinahe keinen Mann mehr, der nicht wegen Ok-
mtindeumlagen oder direkten Steuern auf der Pfänrung steht, und es
kaun, auch wenn es auswärtshin verbracht wird, kein Pfand mehr
bei der Berſteigerung einen Käufer finden. Es werden uns zwar bei
verſchiedenen Gelegenheiten der Wohlſtand, die glänzenden Zuſtände

eres. ganzenuPanves „vun. der andern Seite geſchildert, aber Wer,
wie 'ich, aus eigener Anschauung den Zuſtand, namentlich dieſes Hin-
terlandes, kennt, der wird und muß versichern, daß die Hinterländer

gegenwärtig dem Staate faſt nichts mehr darzubieten haben, als ihre
Knochen. Ich werde vielleicht in Kurzem auf den Grund unbeftreitbarer
Thatsachen, sei es aklein, oder in Verbindung mit einigen meiner Herrn
Collegen, einen Antrag in diese vrrehrliche Verſanmlung bringen, in
welchem ich mit Belegen zu begrünten suchen werde, wie unumgäng-
lich nothwendig es sei, daß der Staat diesem armen Lande durch

Unterſtützung unter die Arme greife, einem Lande, das bei der Runno

reiſe des verſtorbenen Staatsminiſters v. Grolman im Jahr 1826
demſelben durch seine Abgeordneten sagen ließ: „Wir wiſſen, daß
wir schwere Zeiten gehabt haben, ſchwere Zeiten, die uns zu Boden
gedrückt haben, wir wiſſen, daß jetzt, nach so langen Kriegejahren,
die Staatsregierung nicht die Mittel in den Händen hat, uns auf
einmal zu erleichtern. Wir wollen daher keine übertriebenen Wünſche
an Sie ſtellen, wir wollen uns vielmehr darauf beschränken, vor
der Hand daxum zu bit en, daß unsere Schulen möchten verbeſſert
werden.« Ich glaube, daß der verſtorbene Staatsminiſter y. Grol-
man bei seiner ganzen Rundreise in keinem andern Landestheile Wortege-
hört hat, wie die in dem Vortrage der Borſtände der Hinterländex
enthaltenen, und denen sie, ich kanu es nicht vergeſſen, nuch hinzu-
fügten: „Ercellenz, seien Sie desſen versichert, wir ſind bei aller
Noth, die uns drückt, immer noch die treuen Hinterländer, noch im-
mer dieſelben, von denen Zeugniß geben unsere Kinder, deren Gebeine
auf allen Schlachtfeldern begraben liegen, auf welchen Heſſen, dem
Rufe ihxes Fürſten felgend, gefochten haben"“. Ich werte mich ganz
entschieden gegen eine Einstellung des Betriebs des befragten Werkes

erklären.! Drei Regierungscommisſäre waren da, welchen der Abg.

Georgi diese seine Schilderung entgegen schleuderte; aber keiner der-
selben hatte ein Wort, die angeführten Thatsachen zu bestreiten, oder,
wenn er dieß nicht konnte, die Herbigkeit in Darſtellung und Ton
zu tadeln. Der Geheime Rath Eckhard vielmehr, der zunächst sprach

und der sonſt mit treffenden, scharfen Antworten nicht fargt, sagte

ganz ruhig : „Es würde sehr unräthlich sein, in dem gegenwärtigen
Augenblicke plötzlich den Betrieb dieses Werkes einzuſt:llea,\ u. s. w,,
ohne wit. irgend einer Aeußerung das Zunächſt-Vorausgegangene zu
berücksichtigen. Die andern beiden Regierungeconmiſsäre schwiegen
ganz. Sie mochten ebenso erſtaunt scin, als die übrigen Mitglieder
der Kammer und die Zuhörer auf den Gallerien, daß kein L.beraler
dder doch keiner, ber sich für eincn Liberalen hält, den Aeußerungen
des Abg. Georgi zutrat, begreift sich aus der persönlichen und ſach-


 
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