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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 176 - No. 206 (1. Juli - 31. Juli)
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U ts Ev tzei:
Dinstag 29. Juli 1845.

g“ Vom Neckar, 24. Juli. Einer Eigenthümlichkeit, die

Deutschland. ich schon hier und da bemerkt habe, kann ich nicht umhin Erwäh-

* Mannheim , 27. Juli.» Die „Köln. Ztg. bringt folgende
Betrachtungen aus :

„Berlin, 23. Juli. Die Lage der Dinge in Schlesien wird im-
mer verwickelter, indem die Aufregung gegen die Uebergrifſe der Pieti-
ſten in ſtetem Wachsen iſt und mehr und mehr um ſich greift. Be-
kanntlich wurde besonders im vorigen Jahrzehnt laute Klage darüber
erhoben, daß das Volk in Betreff religiöſer Dinge sich einer verderb-
lichen Gleichgültigkeit überlaſſe, weßhalb man dahin zu trachten habe,
durch geeignete Mittel den Glauben wiedex zu beleben. Jene Mit-
tel haben sich als vollkommen wirksam erwiesen, da jetzt alle Welt
mit der Erörterung kirchlicher Streitfragen beschäftigt i. Wer in-
deß früher etwa angenommen, durch Hinlenken auf religiöſe Fragen
und Intereſſen werde der öffentliche Geiſt sich von der Politik abwen-
den, hat nan Gelegenheit in Hülle und Fülle, sich zu überzeugen, wie
groß der Irrthum war, dem er ſich hingegeben.

Es liegt in der Natur des menschlichen Geiſtes, daß der letztere
in bewegten Zeiten, wie den unsrigen, sich nicht einseitig entwickelt;
iſt die Aufregung einmal vorhanden , so erſtreckt sie sich auf alle Ver-
hältniſſe. Wo paolitiſche Fragen allein in Betracht und Erwägung
kommen, iſt eine Beſchwichtigung weit eher möglich, als da, wo re-
kigiöſe Leidenschaften einmal Wurzel geschlagen haben, besonders in
Denritſchland. Wie die Streitigkeiten enden werden, läßt sich jeyt noch
nicht abſchenz aber ganz beſiimmt müſſen -die Pietiſten, denen oft
Herrſchſucht und Absichten zur Verkümmerung der evang. Glaubens-
und Gewisſsensfreiheit zum Vorwurf gemacht werden, den Kürzern
ziehen. Cintnal iſt ihr ganzes Streben und Treiben den Meiſten im
Bolke in hohem Grade widerwärtig; sodann bilden sie auch nur eine
kleine Minorität, welchefreilich einige.einflußreiche Leute auf ihrer Seitehat.
Es war nicht klug von dieser Minderzahl, die Sache so weit zu trei-
ben, wie geschehen ift; als Folge davon hat sich nun der antipieti-
ftiſche Sturm erhoben. Die prdöteſtantiſchen Freunde finden täglich
wehr Anhänger; überall spricht sich sowohl das, was man gewöhn-
. lich mit „Maſſe- zu bezeichnen pflegt, als der s. g. gebildete Mann
für. ſie aus. Selbſt solche, die bisher gleichgültig geblieben ~ und
deren haben wir in Menge , sind empört über die Waffen, mit
venen die Zionswächter kämpfen. Diese letzteren fühlen, daß ihnen
oer Boden unter den Füßen weggezogen wird, darum greifen sie in
ihrer Verzweiflung auch zu den verwerflichſten Mitteln. Es iſt bei
_ gewissen Richtungen seit einiger Zeit Brauch, alle ihnen widerſtreben-
den Tendenzen des Junghegelthums, oder des Liberalismus, oder des
Conſtitutionalismus, oder des Jungdeutschthums, oder des Socialis-
mus, oder des Rationalismus, oder des Atheismus, oder endlich des
Communismus zu beschuldigen. Oft werden auch alle diese obwohl
einander widersprechenden Tendenzen ein und denselben verhaßten In-
bividuen zumal imputirt. Gewiß iſt die Zahl der Rationaliſten be-
deutend, und eben so kann es gar keinem Zweifel unterworfen sein,
paß die Liberalen die Majorität im Lande bilden. Was aber den
Communismus betrifft, so sollte man doch nicht so leichtfertig den Teu-
fel an die Wand malen.

_ Orijt0 Baden 26. Juli. Bekanntlich tritt der Landtagsabgeord-
nete der hiefigen Stadt aus der zweiten Kammer, da ihn für dieses
Mal das Loos zum Austritt beſtimmt. Die Urwahlen haben be-
xeits begonnen, und von den vier Distrikten, in welche die Stadt
behufs dieser Wahlen getheilt iſt, haben in zwei die Wahlen statt-
gefunden. Bei Weitem der Mehrzahl nach sind dieselben auf Män-
ner gefallen, die wegen ihrer wackern Gesinnung von faſt allen ih-
ren Mitbürgern gekannt und geachtet ſind. Auch ſind bis jetzt durch-
aus nur Bürger gewählt. ]

“ Was die Wahl eines künftigen Deputirten für die hieſige Stadt be-
trifft, so hat man schon von verschiedenen Candidaten geſprochen, von
yelejen faſt alle wenige Chancen für sich haben dürften. Zwei sind
Latholiſhe Geiſtliche und der dritte ein ehemaliger hieſiger Beamter,
Man darf faſt mit Gewißbeit annehmen, daß die Wahl diesmal auf
einen geſinnungstüchtigen Bürger der hiesigen Stadt fallen wird.



nung zu thun. ~ Sehr häufig trifft man an Placaten, amtlichen
Anzeigen und Verordnungen tc. von Bürgermeiſtern ausgestellt,
die Ueberschrift „ Großherzogliches Bürgermeiſteramt. " Nun be-
zeichnet das „ Großherzoglich, über einem Amte, dieses stets als
Staatsamt und den Beamten als Staatsdiener. – Der Bürgermei-
ſter aber iſt weder mittelbarer noch unmittelbarer Staatsdiener, son-
dern Beameer einer Corporation, Gemeindebeamter, somit wesent-
lich verschieden vom Staatsdiener. – Er iſt dieß ſchon der Natur
seines Amtes nicht gemäß, welches das Amt einer vom Staate
anerkannten und vom Staate unterſchiedenen Commune (nunixersitas)
iſt, noch mehr aber durch die Art und Weise, wie er zu seinem
Amte gelangt. Der Staatsdiener wird von der Staats- Regierung
ernannt, der Gemeindebeamte aber geht aus freier Wahl der Ge-
meindebürger hervor, weßhalb es ebenfalls unangemessen iſt, wenn
ſich Staatsbeamte, wie hie und da geschieht, erlauben, öffentlich an-
zuzeigen, daß dieser oder jener Bürgermeiſter von der Regierung

„ernannt worden- sei, während er doch nur bestätigt wir. – In

Frankreich, da wird der Maire von der Regierung ernannt, dort
iſt er Staatsdiener, Verwaltungs-, Vollziehungs Beamter, „e königli-
cher - Beamter, in Deutschland aber und besonders in Baden, da
iſt er vor Allem Gemeindebeamter und ſselbſtſtändiger Vorſteher eines
Vrreins von Staatsbürgern.

Ich kann nicht glauben, daß eine gewisse Citelkeit jenes „Groß-
herzoglich" neben die Bürgermeiſterämter hinschreibtÊ, und glaube
d eßhalb, daß es zweckmäßiger sein wird, dem Geiſte unserer Ge-
meindeverfaſſung getreu beim einfachen „Bürgermeiſteramt'' zu bleiben.

F7© Berlin, 24. Juli. Die religiöſen Bewegungen der Gegen-
wart haben jetzt einen intereſſanten und wichtigen Kolliſione punkt er-
reicht. Die s. g. Deutſch-Katholiken sind genöthigt, ſich gegen tie in ihrem
eignen Innern entſtandene orthodore Reaktion, an deren Spitze ſich
jetzt Czersky gestellt hat, zu erklären, und die proteſtantiſchen Freunde
ſehen jetzt in der Erklärung des sächsiſchen Staatsminiſt:-riums eine
ganze Staatsmacht gegen sie in die Schranken treten, die ſie über-
winden müssen, wenn sich nicht ein großes und wichtiges Terrain ih-
rer Wirksamkeit aufgeben wollen. Das Königreich Sachsen ſoll der
Augsburgiſchen Confeſion angehören, während das benachbarte preuſ-
ſiſche Sachſen mit Allgewalt darauf dringt, daß die alte Autoritäts-
herrſchaſt des Protestantismus vernichtet werde. Dort, wie hier, bei
den s. g. Deuſsch-Katholiken, wre bei den proteſtantischen Freunden, wer-
den die Parteien also gezwungen, ihr Prinzip ganz und rein, rück-
haltlos gegen tie Vergangenheit ausgesprochen. Dies kann für die
Sache nur heilſam sein. Viele, die ihr jetzt aus noch unbeſtimmtem
Gefühlsdrange anhängen, werden dadurch zur Klarheit und Entſschie-
denheit geführt werden. Entweder Glaube oder Vernunfterkenntniß,
Freiheit oder Unfreiheit, eine Vermittlung zwischen beiden erkennt un-
sere Zeit nicht mehr an. – Die ,so genannten“ Deutsch- Ka-
tholiken suchen die ihnen entgegentretende Orthodoxie der eignen Par-
tei noch zu versöhnen und zu vermitteln. Das kann man ihnen allen-
falls nachsehen , weil sie ſich als Partei selbſt konſtituiren wollen.
Sie haben von hier aus einen Gesandten an Crersky geschickt, um
diesen zur Vernunft zu bringen, und die Leipzig- Dresdner Gemeinde,
bei der das Concil abgehalten wurde, dem Czerski beiwohnte, hat
ihm so mild als möglich geantwortet. Sie könnten es indessen auch
ruhig darauf ankommen laſſen, daß die noch Gläubigen von ihnen
abfallen. Das iſt das Schicksal jeder Partei, daß sie sich wieder in
zwei Tyeile zersplittert, und erst, wenn dies geschehen iſt, kann sich
ihre wahre Kraft entfalten. Erſt wenn ein Princip in seiner vollen
Nacktheit herausgetreten iſt, kann es darauf rechnen, die Welt zu
überwinden. Dann erſt erkennt tiese die Schönheit deſſelben.
~~ Es war vor Kurzem berichtet worden , daß das Obercenſur-
gericht über den von der Censur zuni Drucke verweigerten Brief des
badiſchen Gesandten v. Frankenberg an Hrn. v. Itzſtein zu entscheiden
haben werde. Das Erkenntniß iſt nun geſtern erfolgt, lautet aber
verſagend und begründet dies folgendermaßen: „Daß das Schrei-
ben des großh. bad. Gesandten v. Frarkenberg, d. d. Berlin, 7. Juni
1845, sowie die Anmerkungen zu demſclben, mehre die Regierung
verunglimpfende Stellen enthält, deren Eliminirung unter Berücksich-


 
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