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Mannheimer Abendzeitung — 1845

DOI Kapitel:
No. 207 - No. 237 (1. August - 31. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0949

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. GG? ) Z ng. sri:

19. Auguſt

Inserate diegeſpaltiene
Zeile in Petitschrift oder
deren Raum 3 kr. Jnunſe-
rate, worüber die Redak-

Raum 4 kr. ~ Briefe
und §ely zt man

1845.







Deutſchland.

+ Mannheim, 16. Auguſt. (Ein Rechtsgelehrter über
bie d eutſch-katholiſche Kirchenreform in Baden.) Sie haben
vollkommen Recht, wenn Sie erwarten, daß dieser Gegenstand einer
der intereſſanteſten sein wird, der auf dem bevorstehenden Landtage
zur Sprache kommen dürfte. Wenigstens glaube ich, daß bei einer
paſſenden Gelegenheit davon die Rede sein, oder daß man eine Ge-
tegenheit und dadurch gewiß Manchem eine Verlegenheit ma-

<en wird. Ich setze hier zwei wohl zu unterscheidende Fälle als

möglich: j

G ts Die Deutſchkatholiken betrachten sich, wie die Heidelberger
in ihrer Eingabe an das Pfarramt gethan haben, fortwährend als
Mitglieder der katholischen Kirche und der betreffenden kirchlichen
Ortsgemeinde. JIn diesem Falle also kündigen sie blos der rö-
mischen Hierarchie den Gehorſam auf, und verwerfen einzelne
Dogmen und disciplinariſche Einrichtungen der bestehenden katholi-
fchen Kirche. ~ Der andere Fall ist

Il. der, daß ſie ſich als aus geschieden aus der beſtehenden
katholiſchen, und als werdende neue chriſtliche Kirche ansehen und
ausdrücklich erklären.

Die Consequenzen beider Fälle liegen weit auseinander.

Im ersten Fall dürfen ſie ſich meines Erachtens nicht deutsch-
katholisſche Gemeinde nennen, sondern sie bilden gewissermaßen nur
die äußerſte Linke der katholischen Reformer, und ihr Glaubensbe-
kenntniß iſt als das Programm deſsſen zu betrachten, was sie inner-
halb der katholischen Kirche durchſeßen wollen, durchsetzen nicht durch

Vorſtellungen und Bitten. nach Oben, sondern durch ein der Abr

gabenverweigerung im conſtitutionellen Leben ähnliches oder noch
mehr extremes Mittil.

In diesem Fall kann und muß der Staat sie ignoriren, weil
ihre Bewegung das kirchliche Gebier nicht verläßt, er auf diesem
Gebiet keine Jurisdiction hat, und die bloße Renitenz gegen die
kirchliche Obrigkeit nicht unter die weltliche Strafgesetzgebung fällt.
Es iſt in dieſem Falle eine bloße Haus - und Familienangelegenheit
der katholischen Kirche, deren Regiment auf kirchlichem Wege mit
ihnen fertig zu werden suchen mag. Sie gelten dem Staat als
ächte Katholiken und als ebenbürtig mit ihren vollgläubigen Ge-
noſſen, den katholischen Conservativen, also auch in politischer Hin-
ſicht als vollberechtigte Staatsbürger nach Maßgabe unserer Ver-
faſſung. In dieſem Stande kann und muß ihre Sache bleiben, bis
pon Seiten des katholischen Kirchenregiments förmlich und aus-
drücklich das Anathema, die Ercommurnication, d. h. der Aus-
ſchtuß aus der römisch-katholiſchen Kirchengemeinschaft ausgesprochen
wird. Ob ſsich die katholische Hierarchie zu diesem Aeußerſten eher
entſchlioßen wird, als bis eine ganze Gemeinde, Mann für Mann
ohne Ausnahme, das neue Bekenntniß angenommen, und den Be-
sig des Localkirchenvermögens angetreten oder beibehal-
ten hat, scheint mir, wenn die gerühmte Klugheit nicht ein Hirn-
gespinnsſt iſt, sehr zweifelhaſt. Nehmen wir aber dennoch an, die
Excommunication wäre ausgesprochen, dann wird die Proteftation
und Betheuerung: „wir sind und bleiben Mitglieder der katholischen
Kirche" nichts helfen. Der Staat hat die bestehende römiſch-katho-
liſche Kirche als solche anerkannt (?], die Hierarchie und das. Regiment
derselben innerhalb der Kirche anerkannt; er muß also auch das
ECxcommunications - Urtheil der Kirche formell anerkennen, ohne daß
ihm ein Erkenntniß darüber zuſteht, ob daſſelbe nach canoniſchem
Rechte geseßmäßig ist, oder nicht. Die Excommunicirten gelten dem
Staate nicht mehr als Katholiken; ſie ſtehen denen gleich, die sich
ausdrücklich aus der Kirche ausgeschieden yaben, und diejenigen
politischen Rechte, welche von einer der drei anerkannten christlichen
Confeſſionen bedingt werden, sind dann in Frage gestellte (2).

.. Welches ihr politiſcher Zuſtand dann iſt, kann aus der Ver-
faſſung s urkunde nicht erschöpfend beantwortet werden.

FDenn der g. .9 derſelben:

/“ vAle Staatsbürger von den drei <rift lichen Confeſſio-
. M: hates gt VMs Cipil- und Militärſtellen und Kirchenämtern
: gleiche An 1

iſt jet ps des Art. 16 der Bundesakte, und so wie diefer

§ in der Frage, wel< e drei Confessionen gemeint ſeien,
aus dem §. 7 des Kirchenconstitutionsedikts von 1807 zu erläutern
iſt, ſo müſſen auch die Rechtsverhältniſſe der Deutſch-Katholiken dar-
aus entnommen werden, da tie V.-Urkunde über die einschlägigen Fra-
gen keine Auskunft gibt.

Betrachten wir nun die Neukatholiken als Einzelne, so muß
die Combination des §. 7 der V.-Urkunde:

Cdie fiaatsbürgerlichen Rechte der Badener find gleich in jeder

Hinsicht, wo die BVerfaſſung nicht namentlich und ausdrücklich

eine Ausnahnie begründet)
und des §. 8 des erwähnten Conſtitutions-Edikts :

Cudie c riſtliche Kirche bleibt in Beziehung auf jede andere in

„dem Sinne herrſchend, daß sie zu erwarten hat, es werde alle

r Regierungsgewalt und deren Ausübung – + nur in die Hände

„von Dienern niedergelegt werden, die aus ihrer Mitte ſind" tc.)
zu dem Schluſſe führen, daß sie, ob excommurvicirt oder freiwillig
ausgctrsten, vollberecbtigte Staatsbürger bleiben, vor-
ausgesetzt, daß ihr Glaubens bekenntniß vom Staate als
ein <riſtliches anerkannt wird. Hier waltet alſo das Er-
messen ob, und ich bemerke dies aus dem besondern Grunde, weil
die Unbeſtimmtheit des neuen Bekenntniſſes über die Natur Chriſti
der Orthodorie als ein willkommener Fund gelten wird, wenn sie zu
Rathe gezogen wird.

_ Das nämliche Ermessen hat nach g. 7 und 9 des Confstitutions-
Edikts zu entscheiden, ob die geseUschaftliche Verbindung der Neukatholi-
ſchen kirchliches Staats bürgerr echt, d. h. die Befugniß erhal-
ten wird zu verlangen, daß ſie als Religionsgesellſchaft im Lande
anerkannt werde urd für ihre Kircheneinrichtungen Staatsschutz ge-
niche, + z. B. Eigenthum erwerben dürfe.

Und nun, werden Sir weiter fragen, welche Entscheidung über
die Chriſtlichteit des Bekenntnisses ich prophezeite ?

Ich wilk statt der Antwort eine andere Frage aufwerfen:

Glauben Sie, daß eine erleuchtete Regierung zugleich mit den
Deutſch - Katholiken auch alle protestantischen Rationaliſten von der
äußerſten Linken für Unchriſten erklären, und wie die Juden zu poli-
tischen Pfahlbürgern und Hintersaſſen degradiren werde? Glauben

Sie, daß eine Regierung im 19. Jahrhundert in Folge einer Excom-

munication von Seiten der kathol. Hierarchie oder das Anathema der
proteſtantiſchen Orthodoxie dem Aufrichtigen die politischen Rechte ab-
ſprechen wird, welche sie Tauſenden von Heuchlern, die ihren wahren
Glauben verbergen, laſſen muß? Nein, nimmermehrrn.

* Mannußrim, 18. Auguſ. Die Berichte aus Leipzig bie-
ten fortwährend bohes Intereſſe; aus den übrigen durch den Erlaß
der Miniſter in Evangelicis tiefer erregten Städten fehlen aoch Nach-
richten über den starken Eindruck, den das blutige Ereigniß vom 12.
dort hervorrufen mußte. ~-

Am 14. Abends war die Bewegung in Leipzig wieder sehr
heftig. Mehrere Tauſende Bürger und Studenten waren im Schüz-
zenhauſe verſammelt; der Bericht der „Leipziger Z. über das Ereig-
niß vom 12., welche es als tumultuariſchen Straßenlärm, in dem
Polizei und Militär einschreiten mußte, dargestellt hatte, erregte einen
solchen Sturm der Entrüſtung, daß ein gewaltthätiger Ausbruch ge-
gen jenes Inftitut nahe war; man proteſtirte vorläufig gegen das
„Gewebe der perfideſten Lügen“ und vertagte das Weitere, weil die
Gemüther zu erbittet waren. Hr. Robert Blum lenkte die
Aufmerksamkeit der Verſammlung auf das Begräbniß der
Erſchoſſenen; hierfür entſendete man Deputationen an den Stadtrath,
an das Communalgarde-Commando und an das Militär- Commando,
das man wegen unanftändigen Benehmens der Schützen im Laufe
des Tages für ben folgerden um Cinſperrung derselben in die Caſerne
ersuchte. Alle Leichen sollten nach dem Winſche ihrer Familien in einem
Zuge beerdigt werden, nur die Leiche des Privatgelehrten Nordmann,
der 5 Kinder hintirläßt, nicht, weil die Familie eine Klage auf Mord
einger:icht hatte und deßhalb eine gerichtliche Untersuchung des Leich-
nams noch nöthiz war. Abends 9 Uhr traten die Hrn. R. Blum,
Ludwig Schreck, Dr, W. Jordan, A. Dr. Marle, Gerichisdirektor
Kaſt, Dx. Bertling und die Studenten Memmer und v. Wagtau als
Aussctuß zuſainmen, um den Leichenzug von 15 bis 20000 Menſchen

vorzubereiten. im 15., Morgens 5 Uhr ſchon, sammelten sich dazn


 
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