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Mannheimer Abendzeitung — 1845

DOI Kapitel:
No. 117 - No. 145 (1. Mai - 31. Mai)
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durch die Poſt bezogen im q)



ganzen Großherzogthum „yy .
Baden 2 fl. s fr., im
Ausland erhöht ſich das
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aufsehlag.



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181





Mittwoch



Deutſchland.

* Mannheim, 27. Mai. Lie Abgeordneten der 2. badi-
ſchen Kammer, Hofgerichtsrath Hr. v. Itz ſtein und Obergerichts-
Advocat Hr. D. Hecker, welche seit etwa zehn Tagen zu einer
Vergnügungsreise durch Norddeutschland unsere Stadt verlassen hatten,
ſind nach zweilägiger Anwesenheit in Berlin, als sie im Be-
griffe ſtanden, ihre Reise nach Stettin fortzuſeten, aus jeuer





Hauptſtadt und dem ganzen Königreiche Preußen v er wi ese n worden..

Ein Grand für dieſe Maßregel wurde unserm höchſtge-
feierten Volksmanne und seinem rüſtigen Freunde und Collegen
nicht eröffnet, und ebenso die augenblickliche Einsprache nicht entgegen-
genommen, daher sie auf's Schleunigſte hierher zurückgekehrt ſind, um
zur Ehre unseres Landes und zum Schutze ihres eigenen guten Rechts,
das denn doch noch jedem mit formgerechten Päſſen versehenen Bür-
ger eines deutſchen Staates für die freie Bereiſung der übrigen
Bundesstaaten unverkümmert zuſtehen sollte, die geeignete Einschreitung
urſſerer Regierung in Anspruch zu neymen. Sie sind heute bcreits
in dem Augenblicke hier eingetroffen, wo uns nachſtehende Berichte
aus Leipzig zukamen, auf deren – Mittheilung wir für jetzt uns
beſchränken müssen : és

*** Leipzig, 24. Mai. Gestern sind die Abgeordneten
Hecker und v. Itzſtein aus Berlin und Preußen verwie-
ſen worden. Grund dafür hat man nicht angegeben und Einspruch
nicht zugelaſſen. Nachdem die beiden Ehrenmänner am 17.,. 18., 19.
und 20. hier, in Cöthen, Deſſau und Dresden geweilt, gingen ſie
am 21. nach Berlin, dort Abcnds ins Theater, am folgenden Mor-
gen in verschiedene Kunfiſammlungen, dann nach Potsdam und kehr-
ten Abends zurück, um am rächſten Morgen nach Stettin weiter zu
reiſen, wo v. Juſtein das jüngſtgeborene Kind des bad. Vereins-Com-
miſſärs, Geh. Finanz-Rath Hoff m ann aus der Taufe heben wollte.
Das Alles ſchéint nkchts Staatsgefährlichces zu sein, Dennoch erschien

am 23. Morgens um 5 Uhr der Pol zeirath Hoffmann und kündigte

den beiden Reisenden, die beim Frühſtück saßen und um 6 Uhr nach
Stettin fahren wollten, an, daß sie mit dem nächsten Zuge auf
dem kürzeſten Wege Berlin und Preußen zu verlaſſen –~ hätten.
Dieſe Weiſung unterſtützte derselbe turch eine verſtänduche Hindeutung
quf beroaffnete Macht die im Vorzimm:r stand. vu. JI tzſtein eilte
zum Gesandten, während He ker für den Fall, daß derselbe (wie
wahrscheinlich) noch nicht zu sprechen war, eine energiſche Proteſtation
gegen das Verfahren niederſchrieb. Als Itzſtein nach 6 Ühr zurück-
kehrte, ohne den Gesandten gesprochen zu haben, sandte man tie von
beiden unterschriebene Proteſtation ab, und bat, der Gesandte möge
vor '/,8 Uhr (der Abgangszeit des ersten Zuges nach Leipzig) einschreiten.
Heute Nachmittag kehren Ihre Abgeordneten nach Hauſe zurük, um
deu Schutz ihrer Regierung in Anspruch zu nehmen.

Leipzig, 23. Mai.. Die badischen Abgeordneten v. Itz fein
und H ecker sind heute aus Berlin und Preußen verwieſen
wurden. Die Reise war eine Erholungsreise nach einem sehr lan-
gen und anstrengenden Landtage; sie batte für v. Jtzstein den Neben-
zweck, bri dem jüngſtgeborenen Kinde des badischen Abgeordneten in
Zollangelegenheiten, Geheime Finanzrath Hoffmann in Stettin (bc-

kanntlich früher ebenfalls freiſinnigir badischer Abgeordneter), Pathen-
ftelle zu vertreten; von Stettin aus , dem Ziele der Reise, gedachten
dir Abgeordneten über Hamburg und Amſterdam nach Mannheim
zurückzukehren. So trafen ſîe Sonnabend den 17. Mai in Leipzig

ein, machten am. 18. Mat einen Aueflug nach Köthen und Desſſau,

am 20. Mai nach Dresden und gingen am

| 21. Mai nach Berlin
ab. Dort um 6 Uhr angelangt, besuchten

hr a: dieselben das Theater,
nahmen am 22. Mai das Museum und einige sonſige Sehenswür-
digkeiten in Augenſchein, fuhren dann nach Potsdam und kehrten
Abends zurück, um am nächſten Morgen 6 Uhr nach Stettin zu fah-
iren. Festlichkeiten und Ehrenbezeigungen, welche den Reisenden auf

m Wege, besonders in Leipzig . dringend augeboten waren, hatie

ſhſtein bescheiden aber entſchieden abgelehnt. Am 23. Mat früh

x erschien der Polizeirath Hoffmann in der Wohnung der Rei-

! und bedertete ihnen, daß ſie laut höhern Befehls mit dem

n Zuge Berlin und die preußischen Staaten zu verlaſſen hä:-

Auf die Frage nach Gründen erklärte der Beamte, riese habe

?nne er nicht, sei üherpaupt nur das. Werkzeug pöherer Anord-

28.

Mai

nungen z den Ernſt seiner Forderung darzuthun, ließ der Beamte —
ſelbſt bewaffnet – noch einen bewaffneten Begleiter eintreten, der

ſich jetoch auch sofort wicder zurückzog. v. Itſtein fuhr sofort zum

badiſchen Gesandten; er war noch nicht zu sprechen. Hecker entwarf
zugleich einen energischen Protest gegen das Verfahren, welcher um
halb 7 Uhr dem Gesandten zugeschickt, die sofortige Abgabe beantragt
und um deſſen Einschreiten vor halb 8 Uhr = der Zeit des Ab-
gangs des erſten Bahnzugs nach Leipzig – gebeten wurde. Der
Gesandte that nichts und so kehrten die Reisenden heute Nachmittag
hierher zurück und werden morgen 3 Uhr nach Hauſe reiſen. (D. A. Z.)

Von der Donauguelle, 16. Mai. (Oberrh. Z.) Die
lärgſt vorhergesagten Folgen der neuen Gebäudeeinſchätungen schei-

nen insbesondere seit dem letzten Herbſt in raſchem Fluge auftreten

zu wollen; wenigstens wird diesem ein sehr großer Theil der Schuld
an den gar zu häufigen Brandfällen in dem Seekreis und nament-
lich in der Baar zugeſchrieben. Man findet es unbegreiflich, daß die
Entſchädigung aus der Gebäudeverzicherungskaſſe des Landes sür ein
eingeäschertes Haus. die Summe, welche vor dem Brande in öf-
fentlicher Versteigerung für daſſelbe hätte erzielt werden können oder
wirklich erlöst worden iſt, um die volle Hälfte oder sogar um zwei

Drurittheile überſteigen, also der eigentliche Schaden zwei- und dtrei-

mal erſezt werden kann. Es iſt faſt nicht denkbar, daß bei der neuen
Einschätzung die Rückſicht auf die Unzweckmäßigkeit der innern bau-
lichen Eintheilung, der auf vie ungünstige Lage des Hauſes oder auf

dern beengenden Raum und den baulosen Zuſtand in solchem erſchrek-

kenden Grade überall außer Berechnung geblicben iſt, und doch liegen
vielleicht in jedem Orte die ‘Zeugnisse für ein solch fehlerhaftes Ber-
fahren in der unabläugbaren Thatſache, daß sehr vicle Gebäude nicht
einmal für die Hälfte der Summe verkauft werden könnten, mit wel-
cher dieselben in der Gebäudeversicherung. aufgenommen ſind. Ja
selbſt die ganz neuen Häuser werden in der Regel bei der jctzigen
Einſchätzung bedeutend höher berechnet als ihr Aufbau gekoftet hat.
Denke man sich zu dieſen unglücklichen Antecedentien nech den Fall,
deß bei einer Brandabschätzung sich das unzeitige Mitleiden oder der
dienſtgefällige Hülfseifer vielleicht noch geltend macht, und man wird
ſich nicht mehr wundern, wenn jetzt manchem Brande eine verbreche-
riſche Absicht in der öffentlichen Meinung unterlegt wird, und die-
ſelbe in dem Grade an Wabhrsſcheinlichkeit gewinnt, als der durch ben
Brand herausgekommene Gewinn groß iſt, das heißt, über der Linie
dis erlittenen Schadens liegt. Kurz, es iſt ein Uebel in dem Volks-
leben aufgegangen, das seiner Folgenwichtigkeit wegen, die ernſtliche
Aufmerkſamkcit der Behörden in Anspruch zu nehmen geeignet, und
der Mühe werth sein dürſte, daß eine strenge Untersuchung demselben,
bei den seit einem Jahr vorgekommenen Braprdfällen auf den Grund ginge.

J9® Berlin, 23. Mai. All die schönen Hoffnungen, tie mau
auf die Kabinetsordre des Königs an den Centralverein setzte, erxiſti-
ren nicht mepr. Die Sache des Socialisrmus ift somit einzig und
allein auf die Preſſe verwieſen. Daß sie aber gesonnen iſt, ch durch

diese fortzutilden und daß sie dazu auch die Kraft hat, zeigt uns der

„Geſsellſchaftsſpiegel von Heß", und die üeuen Anekdoten von Karl
G rün (Darmftadt bei Leske), in denen die Beſtrebungen uuſerer So-
cialiſten sich bercits zu consolidiren und einem feſten Ziele zuzuſtreben
beginnen. Solche Schilderungen wie die des ,gesegneten Wupyper-
thales müssen auf das Tiefſte in's Leben eingreifen. Da erfährt
das Volk, wie es in der Welt zugeht und welches Loos seiner war-
tet, wenn es ſich nicht dazu aufrafft, der Tyrannei des Kapitals und
der Verſumpfung unſerer Gesammt Zuſtände entgegenzuarbeiten. Durch
dieſe Ocffentlichkeit muß Bewußtsein in das Volk kommen. Ebcnſo
wichtig sind natürlich auch die 1heoretischen Verarbeitungen der ſocia-
liſtiſchen Ideen. Heß hat auch dafür in den Anckdotis das Meiſte
geleiſte, in dem Aufsatze über die socialiſtiſche Bewegung in Deutſch-
land, doch verdienen auch Grün's leichtfaßlich geſchricbene Kritiken
des Stein'ſchen Buches über den Socialiomus und Communismus .
Frankreichs und die Bewegung der Produktion von Schulz u. A.
Beachtung. Auch verdient das ganze Unternehmen, uns in dem hier
Dargebotenen den Kampf des Socialismus mtt der Censür uno dieſe

t

in ihrer Blödheit darzuſtellen, unsern vollen Dank. – Der Geſell-

ſchafteſpiegel iſt ein Organ, das rie Preſfe wit allen ihren Kräften.

anterſtüßen, und bas auch um jeden Preis fortgeſebt werden muß


 
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